Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.17/2003 /rov 
 
Urteil vom 19. August 2003 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Ersatzrichter Rohner, 
Gerichtsschreiber Pfäffli. 
 
Parteien 
Z.________, 
Kläger und Berufungskläger, 
vertreten durch Advokat Markus Schmid, 
 
gegen 
 
Versicherung Y.________, 
Beklagte und Berufungsbeklagte. 
 
Gegenstand 
Versicherungsvertrag, 
 
Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts 
Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 6. November 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der Taxiunternehmer Z.________, Jahrgang 1936, erlitt am 6. April 2001 bei einem Verkehrsunfall eine Halswirbelsäulenabknickverletzung. Für die Folgen der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit zahlte die Versicherung Y.________ Z.________ die kollektivvertraglichen Taggelder von Fr. 132.-- pro Tag aus, entsprechend 80 % des versicherten Lohns von Fr. 60'000.-- im Jahr. Die Leistungen setzten nach Ablauf der Karenzfrist von drei Tagen ab dem Unfall ein. Mit Schreiben vom 2. November 2001 teilte die Versicherung Y.________ Z.________ mit, sie stelle die Leistungen rückwirkend ab 1. Oktober 2001 ein, weil er am 22. September 2001 das AHV-Alter erreicht habe; bereits ausgerichtete Taggelder für den Oktober 2001 verlangte sie zurück. Z.________ weigerte sich, die Rückzahlung vorzunehmen, und forderte vielmehr die weitere Ausrichtung von Leistungen. 
B. 
Mit Klage vom 12. April 2002 beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, forderte Z.________ (im Folgenden: Kläger) von der Versicherung Y.________ (nachstehend: Beklagte) Taggelder basierend auf einer Arbeitsunfähigkeit von 80 % ab 1. November 2001 bis Ende Februar 2002 in der Höhe von Fr. 12'672.-- zuzüglich 5 % Zins seit Datum der Klageeinreichung. Die weitere Einforderung von Taggeldern nach diesem Zeitpunkt behielt er sich vor. Mit Urteil vom 6. November 2002 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft die Klage ab. 
C. 
Gegen dieses Urteil führt der Kläger mit Eingabe vom 16. Januar 2003 eidgenössische Berufung und beantragt dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und stellt das gleiche Rechtsbegehren wie vor dem Kantonsgericht. 
D. 
In ihrer Berufungsantwort vom 9. Mai 2003 beantragt die Beklagte, die Berufung sei abzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der angefochtene Entscheid ist ein kantonaler Entscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG. Das strittige Versicherungsverhältnis unterliegt gemäss Art. 12 Abs. 3 KVG dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) und ist somit zivilrechtlicher Natur. Auf die Berufung ist daher einzutreten. 
2. 
Der Kläger beruft sich darauf, dass der Versicherungsfall noch während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eingetreten sei. Er leitet daraus ab, dass das vertraglich geschuldete Taggeld grundsätzlich während der vollen Dauer von 730 Tagen bzw. jedenfalls für den teilklageweise geltend gemachten Zeitraum vom 1. November 2001 bis zum 28. Februar 2002 geschuldet sei. Demgegenüber macht die Beklagte gestützt auf Art. 3.5 Lemma 1 in Verbindung mit Art. 1.1 der Allgemeinen Versicherungsbestimmungen (Ausgabe 01.99; AVB) geltend, mit der Erreichung des AHV-Alters sei der Kläger aus dem Kreis der Versicherten ausgeschieden, womit auch ihre Leistungspflicht erloschen sei. 
Vorformulierte Vertragsbestimmungen sind grundsätzlich nach den gleichen Regeln wie individuell verfasste Vertragsklauseln auszulegen. So erfolgt denn auch bei den allgemeinen Versicherungsbedingungen die Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens nach dem Vertrauensgrundsatz. Dabei hat der Richter vom Wortlaut auszugehen und zu berücksichtigen, was sachgerecht erscheint. Er orientiert sich dabei am dispositiven Recht, weil derjenige Vertragspartner, der dieses verdrängen will, das mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen muss. Schliesslich und subsidiär müssen mehrdeutige Klauseln nach der Unklarheitsregel gegen den Versicherer als deren Verfasser ausgelegt werden (BGE 122 III 118 E. 2a S. 121; 126 III 388 E. 9d S. 391). 
3. 
Im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht (KVG) hängt bei einer Privatversicherung nach VVG der Leistungsanspruch nicht von der Mitgliedschaft im versicherten Betrieb ab. Der Versicherer muss bis zum Ablauf der vereinbarten Leistungsdauer - vorliegend 730 Tage - bezahlen, wenn der Krankheitsfall während der Dauer des Versicherungsschutzes eintritt, ausser die Parteien hätten vertraglich Anderes vereinbart (BGE 127 III 106 E. 3b S. 109). Vorliegend ist umstritten, wie der Versicherungsvertrag und insbesondere die AVB zu verstehen sind und ob die Beklagte noch eine Leistungspflicht über das Erreichen des AHV-Alters hinaus trifft. 
3.1 Die speziellen Vertragsbestimmungen äussern sich nicht ausdrücklich zum Ende des Leistungsanspruchs. Zwar heisst es, dass der Kläger bis zum 21. September 2001 (einen Tag vor seinem 65. Geburtstag) versichert sei. Ob damit das Ende des Vertragsverhältnisses oder aber das Ende des Leistungsanspruchs gemeint ist, lässt sich nur in Zusammenhang mit den weiteren vertraglichen Regelungen bestimmen. Entgegen der Auffassung des Klägers kann aus dem Umstand, dass die speziellen Versicherungsbestimmungen beim Kläger sich nicht zur Leistungspflicht bei Erreichen des AHV-Alters äussern, noch nichts zu seinen Gunsten abgeleitet werden. 
3.2 Nach dem unter dem Titel "Versicherte" stehenden Art. 1.1 AVB ist versichert, wer im Betrieb arbeitet und das AHV-Alter noch nicht erreicht hat. Diese Voraussetzungen sind offenkundig kumulativ zu verstehen. Arbeitgeber und im Betrieb mitarbeitende, aber nicht in der Lohnbuchhaltung aufgeführte Familienangehörige sind nach Art. 1.2 AVB nur versichert, wenn sie im Vertrag - wie vorliegend der Kläger - namentlich aufgeführt sind. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Einschränkungen gemäss Art. 1.1 AVB nicht auch für den Arbeitgeber und seine Familienangehörigen gelten. Es entspräche dem Sinn und Zweck einer Betriebs-Kollektiv-Taggeldversicherung kaum, nicht im Betrieb arbeitende oder in den Ruhestand getretene Personen dem Versicherungsschutz zu unterstellen. 
 
Art. 3 AVB steht unter dem Titel "Vertragsdauer, Beginn und Beendigung des Versicherungsschutzes". Dieser regelt einerseits die Beziehung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer (Art. 3.1, 3.2 und 3.4), andererseits Beginn und Ende des Versicherungsschutzes für den Versicherten (Art. 3.3 bzw. 3.5). Art. 3.5 AVB lautet wie folgt: 
"Für den einzelnen Versicherten erlischt die Versicherung, wenn 
- er aus dem Kreis der Versicherten ausscheidet. Damit erlischt auch die Leistungspflicht vollständig. 
- er die Arbeit unterbricht und für diese Zeit keinen Lohnanspruch hat. Der Versicherungsschutz erlischt nicht während Arbeitsunterbrüchen infolge Krankheit, Unfall oder Dienstleistungen in der Schweizer Armee oder im Zivilschutz; 
- er das AHV-Alter erreicht, ausser bei vertraglich anderer Regelung; 
- die gesamte auf dem Vertrag aufgeführte Leistungsdauer erreicht ist (Aussteuerung); 
- der Vertrag erlischt." 
3.3 Die Beklagte beruft sich auf Art. 3.5 Lemma 1 AVB, wonach die Versicherung für den einzelnen Versicherten endet, wenn er aus dem Kreis der Versicherten ausscheidet. Der Kläger hingegen geht von Art. 3.5 Lemma 3 AVB aus; danach erlischt, vorbehältlich einer anderen vertraglichen Regelung, die Versicherung, wenn der Versicherte das AHV-Alter erreicht hat. Diese Bestimmung enthält aber - anders als Lemma 1 - keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass damit auch die Leistungspflicht vollständig dahinfällt. Daraus schliesst der Kläger, dass dem Lemma 3 für den Fall des Erreichen des AHV-Alters eben nicht das Ende der Leistungspflicht, sondern bloss das Erlöschen der Versicherung entnommen werden kann. 
3.3.1 Das Erlöschen des Versicherungsverhältnisses bedeutet nicht ohne weiteres das Dahinfallen einer bereits eingetretenen Leistungspflicht (BGE 127 III 106 E. 3b S. 109). Dies geht - jedenfalls dem Wortlaut nach - auch aus Art. 3.5 AVB hervor, wird doch das Dahinfallen der Leistungspflicht nur im Fall von Lemma 1 erwähnt. Dass beispielsweise der in Art. 3.5 Lemma 5 AVB genannte Fall der Vertragsbeendigung zufolge Kündigung durch den Arbeitgeber (etwa gemäss Art. 3.4 AVB) eine bereits eingetretene Leistungspflicht nicht ohne weiteres erlöschen lässt, scheint offenkundig. Die Auslegung von Art. 3.5 Lemma 1 und 3 AVB hat somit nach dem Vertrauensgrundsatz und unter systematischen Gesichtspunkten, d.h. vor allem im Zusammenhang mit Art. 1.1 AVB zu erfolgen. 
3.3.2 Art. 1.1 AVB definiert den Begriff des Versicherten und macht die Versicherteneigenschaft u.a. von der negativen Voraussetzung abhängig, dass jemand das "AHV-Alter noch nicht erreicht hat". Demgegenüber konkretisiert Art. 3.5 AVB die einzelnen Tatbestände, die das Erlöschen der Versicherung bewirken. Dass mit dem Erlöschen der Versicherung auch die Leistungspflicht erlischt, ist lediglich in Lemma 1 von Art. 3.5 AVB (Ausscheiden aus dem Kreis der Versicherten) vorgesehen, nicht aber bei den anderen Tatbeständen, namentlich nicht bei Lemma 3 dieser Bestimmung (Erreichen des AHV-Alters). Der Kläger schliesst daraus, dass bei diesem Erlöschenstatbestand die Leistungspflicht nicht erlischt. Dem ist indessen entgegenzuhalten, dass ein Versicherter mit Erreichen des AHV-Alters gemäss Art. 1.1 AVB nicht mehr Versicherter ist und infolgedessen aus dem Kreis der Versicherten ausscheidet, was dem Erlöschenstatbestand von Art. 3.5 Lemma 1 AVB entspricht, der auch das Ende der Leistungspflicht bewirkt. Damit stellt sich die Frage, welchen Sinn denn Art. 3.5 Lemma 3 AVB überhaupt noch hat, wenn das Erreichen des AHV-Alters bereits gemäss Art. 3.5 Lemma 1 i.V.m. Art. 1.1 AVB zum Erlöschen der Versicherung führt. Mit dieser Bestimmung wird nicht bloss wiederholt, was sich bereits aus Art. 3.5 Lemma 1 i.V.m. Art. 1.1 AVB ergibt, sondern vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass die Versicherung trotz Erreichens des AHV-Alters dann nicht erlischt, wenn vertraglich eine abweichende Regelung getroffen wird. Lemma 3 kann daher nicht so verstanden werden, dass damit der Erlöschenstatbestand des AHV-Alters eine spezielle Regelung gefunden hat. Vielmehr führt das Erreichen des AHV-Alters gemäss Art. 3.5 Lemma 1 i.V.m. Art. 1.1 AVB zum Ausscheiden aus dem Kreis der Versicherten und damit zum Erlöschen der Leistungspflicht. Dass eine solche Rechtsfolge zu einem nicht nachvollziehbaren Ergebnis führen würde, lässt sich nicht sagen, besteht doch mit dem Erreichen des AHV-Alters Anspruch auf eine AHV-Rente. 
 
Im Zusammenhang mit dieser Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbestimmungen kann der Passus "versichert bis 21.09.2001" in den für den Kläger speziellen Vertragsbestimmungen nur als Enddatum der Leistungspflicht verstanden werden, dies ungeachtet des Umstandes, dass die vereinbarte Leistungsdauer von 730 Tagen noch nicht abgelaufen war. 
3.3.3 Nach dem Gesagten lassen die Bestimmungen von Art. 3.5 Lemma 1 und 3 i.V.m. Art. 1.1 AVB ohne weiteres darauf schliessen, dass das Erreichen des AHV-Alters - vorbehältlich einer anderen vertraglichen Regelung, welche vorliegend nicht getroffen wurde - zum Erlöschen der Leistungspflicht führt. Daran vermögen die vom Kläger geltend gemachten Einwände betreffend Prämienberechnung und fehlende Möglichkeit für Versicherte im AHV-Alter in die Einzelversicherung überzutreten, nichts zu ändern. Die Unklarheitsregel gelangt somit im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Die Berufung ist daher abzuweisen. 
 
4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Kläger kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG), da die grundsätzliche Kostenfreiheit nur für das kantonale Verfahren gilt (Art. 47 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 VAG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen, da der nicht anwaltlich vertretenen Beklagten mit Blick auf ihre kurze Berufungsantwort kein nennenswerter Aufwand entstanden ist (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger auferlegt. 
3. 
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 19. August 2003 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: