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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_204/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 19. August 2016  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A. und B. C.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hess, 
 
gegen  
 
1. D.________ AG, 
2. E.________ AG, 
Beschwerdegegnerinnen, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Mathias Birrer, 
 
Stadtrat Luzern, Hirschengraben 17, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Bau- und Planungsrecht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 16. März 2016 des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die D.________ AG ist Eigentümerin der Parzellen Nrn. 761 und 1417 in Luzern (rechtes Ufer), die mit einem von der E.________ AG betriebenen Spital überbaut sind. Entlang der nördlichen Grundstücksgrenzen verläuft die St.-Anna-Strasse, im Süden schliesst die Rigistrasse an die beiden Grundstücke. 
Mit zwei separaten Eingaben vom 29. Juli 2013 ersuchte die E.________ AG zum einen um die Bewilligung für den Abbruch der bestehenden Trakte A und B sowie deren Ersatz durch einen Trakt A+, zum andern um die Bewilligung für den Neubau eines Trakts E Hof. 
Gegen das Bauvorhaben Trakt A+ gingen zahlreiche Einsprachen ein. Mit Entscheid vom 29. Oktober 2014 erteilte der Stadtrat Luzern die Baubewilligung unter Bedingungen und Auflagen. Auf drei der erhobenen Einsprachen trat er nicht ein, darunter auf jene von A. und B. C.________. 
Gegen den Entscheid des Stadtrats erhoben A. und B. C.________ sowie weitere Personen Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit Urteil vom 16. März 2016 wies das Kantonsgericht Luzern die Beschwerden von A. und B. C.________ ab, hiess dagegen die beiden weiteren Beschwerden gut, hob den Entscheid des Stadtrats auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an diesen zurück. In Bezug auf die Beschwerde von A. und B. C.________ erwog es, der Stadtrat sei zu Recht nicht auf ihre Einsprache eingetreten. Sie könnten nicht als besonders berührt gelten und seien deshalb auch nicht einspracheberechtigt. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 3. Mai 2016 beantragen A. und B. C.________, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben, eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Kantonsgericht schliesst auf die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegnerinnen beantragen primär, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, und eventualiter, sie sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Der Stadtrat hat sich nicht vernehmen lassen. Die Beschwerdeführer haben eine weitere Stellungnahme eingereicht. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde richtet sich gegen einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit, der das Verfahren für die Beschwerdeführer abschliesst (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 91 lit. b BGG). Diese sind zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten. 
Streitgegenstand ist einzig, ob das Kantonsgericht den die Beschwerdeführer betreffenden Nichteintretensentscheid des Stadtrats zu Recht bestätigt hat. 
 
2.  
 
2.1. Das Kantonsgericht führt aus, den Beschwerdeführern gehörten diverse Grundstücke im Gebiet des Spitals. Das Grundstück Nr. 4046 im Westen des geplanten Trakts A+ sei von diesem ca. 90 m entfernt. Das sei zwar weniger als die in der Rechtsprechung als Faustregel für die Beschwerdelegitimation geltenden 100 m, doch gelinge es den Beschwerdeführern trotzdem nicht, ihre besondere Betroffenheit aufzuzeigen. Das Grundstück Nr. 4046 liege höher als das Baugrundstück und werde in dessen Richtung von Bäumen gesäumt. Sodann lägen weitere Grundstücke dazwischen, welche eine Art Talsenke bildeten. Auch hinsichtlich der weiteren, den Beschwerdeführern gehörenden Grundstücke sei das Einspracherecht zu verneinen.  
 
2.2. Die Beschwerdeführer machen dagegen geltend, bei einem Abstand von unter 100 m zum Bauprojekt müsse die Betroffenheit grundsätzlich bejaht werden und sei es Sache der Vorinstanz darzulegen, dass die Betroffenheit stattdessen zu verneinen sei. Hinzu komme, dass der Neubau sehr gross sei, was insbesondere angesichts der wertvollen Aussichtslage ins Gewicht falle. Daran ändere auch nichts, dass an der nordöstlichen Grenze ihres Grundstücks Bäume stünden, denn die geplante Baute werde ohnehin jederzeit sichtbar sein, insbesondere von der Dachterrasse aus.  
 
2.3. Art. 111 BGG definiert Mindestanforderungen an das kantonale Verfahren. Insbesondere muss sich am Verfahren vor allen kantonalen Vorinstanzen als Partei beteiligen können, wer zur Beschwerde ans Bundesgericht berechtigt ist (Abs. 1). Die Kantone dürfen die Beschwerdebefugnis somit nicht enger umschreiben. In öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beurteilt sich die Legitimation zur Beschwerde ans Bundesgericht nach Art. 89 BGG. Mithin ist zu untersuchen, ob das Verwaltungsgericht die (bundesrechtlichen) Mindestanforderungen von Art. 111 Abs. 1 i.V.m. Art. 89 BGG beachtet hat. Das Bundesgericht prüft diese Frage mit freier Kognition (BGE 140 V 328 E. 3 S. 329; 138 II 162 E. 2.1.1 S. 164; Urteil 1C_124/2016 vom 7. Juli 2016 E. 1.3; je mit Hinweisen).  
 
2.4. Art. 89 Abs. 1 BGG setzt für das Beschwerderecht voraus, dass der Beschwerdeführer über eine spezifische Beziehungsnähe zur Streitsache verfügt (lit. b) und einen praktischen Nutzen aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht (lit. c; BGE 141 II 50 E. 2.1 S. 52).  
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Nachbarn zur Beschwerdeführung gegen ein Bauvorhaben in der Regel insbesondere dann legitimiert, wenn sie mit Sicherheit oder zumindest grosser Wahrscheinlichkeit durch Immissionen (Lärm, Staub, Erschütterungen, Licht oder andere Einwirkungen) betroffen werden, die der Bau oder Betrieb der fraglichen Anlage hervorruft (BGE 136 II 281 E. 2.3.1 S. 285 mit Hinweisen). 
Als wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Betroffenheit dient in der Praxis die räumliche Distanz zum Bauvorhaben bzw. zur Anlage. Die Rechtsprechung bejaht in der Regel die Legitimation von Nachbarn, deren Liegenschaften sich in einem Umkreis von bis zu rund 100 m befinden. Bei grösseren Entfernungen muss eine Beeinträchtigung aufgrund der konkreten Gegebenheiten glaubhaft gemacht werden. Allerdings darf nicht schematisch auf einzelne Kriterien (insbesondere Distanzwerte) abgestellt werden, sondern ist eine Gesamtwürdigung anhand der konkreten Verhältnisse erforderlich (BGE 140 II 214 E. 2.3 S. 219 f.; Urteil 1C_124/2016 vom 7. Juli 2016 E. 3.3.1; je mit Hinweisen). 
 
2.5. Das Haus der Beschwerdeführer befindet sich mit 90 m Distanz in dem Bereich, in welchem nach dem Ausgeführten die Beschwerdelegitimation regelmässig zu bejahen ist. Für die besondere Betroffenheit der Beschwerdeführer sprechen auch die weiteren Umstände. So hat das Bauprojekt ein äusserst grosses Volumen. Die Baugesuchsunterlagen weisen Nutzflächen im Umfang von 13'820 m2 aus und gemäss angefochtenem Entscheid beträgt die Fassadenhöhe 24.30 m (die Überschreitung der zulässigen Fassadenhöhe von 21 m war im Übrigen Anlass dafür, dass das Kantonsgericht den Entscheid des Stadtrats aufhob und die Sache an diesen zurückwies). Hinzu kommt, dass das Gebiet zwischen dem Haus der Beschwerdeführer und dem Spital nur locker überbaut ist. Auf der Luftlinie zwischen der Westseite des Trakts A+, wo eine neue Vorfahrt und ein Eingang für Notfälle geplant ist, liegt nur ein einziges Haus. Angesichts dieser Gegebenheiten hätten die Vorinstanzen den Beschwerdeführern das Einspracherecht nicht absprechen dürfen.  
 
3.   
Zusammenfassend ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid Art. 111 Abs. 1 i.V.m. Art. 89 BGG verletzt. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und der angefochtene Entscheid insoweit aufzuheben, als das Kantonsgericht das Rechtsmittel der Beschwerdeführer abwies. Die Sache ist zur Behandlung der Einsprache der Beschwerdeführer an den Stadtrat und zur neuen Festlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an das Kantonsgericht zurückzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdegegnerinnen aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerinnen haben den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid im Umfang des Unterliegens der Beschwerdeführer aufgehoben. Die Sache wird zur Behandlung der Einsprache der Beschwerdeführer an den Stadtrat Luzern und zur Neufestsetzung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Kantonsgericht Luzern zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdegegnerinnen auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerinnen haben die Beschwerdeführer für das Verfahren vor Bundesgericht mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Stadtrat Luzern und dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. August 2016 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold