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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 961/06 
 
Urteil vom 19. November 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Parteien 
C.________, 1967, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Claudia Schaumann, Löwenstrasse 59, 8001 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 11. September 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1967 geborene C.________ zog sich bei einem Arbeitsunfall im August 1995 - ein herabfallender Metallbalken streifte ihn seitlich am Kopf - eine Kontusion von Hinterkopf und Halswirbelsäule mit Hirnerschütterung zu. Am 14. April 2003 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich klärte den Fall in erwerblicher und medizinischer Hinsicht ab; insbesondere zog sie ein interdisziplinäres Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 13. Dezember 2004 bei. Mit (durch Einspracheentscheid vom 26. August 2005 bestätigten) Verfügungen vom 3. Mai 2005 sprach die Verwaltung dem Versicherten aufgrund eines Invaliditätsgrades von 50 Prozent mit Wirkung ab Oktober 2003 eine halbe Invalidenrente zu. 
B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen den Einspracheentscheid gerichtete Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 11. September 2006). 
C. 
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren, es sei ihm, nach Aufhebung des kantonalen und des Einspracheentscheids, mit Wirkung ab Oktober 2003 eine ganze, eventuell eine halbe Invalidenrente zuzusprechen. Eventuell sei die Sache zur weiteren medizinischen Abklärung sowie zur Durchführung beruflicher Massnahmen zurückzuweisen. Ausserdem stellt er ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
IV-Stelle und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 
1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Das kantonale Gericht hat - unter Berücksichtigung der bis Ende 2003 geltenden Bestimmungen sowie der auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des IVG vom 21. März 2003 (4. IVG-Revision) - die gesetzlichen Normen über den Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 1 IVG) sowie über die Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten (Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Das Gleiche gilt hinsichtlich der vorinstanzlichen Ausführungen zur Bedeutung der medizinischen Entscheidungsgrundlagen im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261; AHI 2002 S. 70 [I 82/01]) und zum Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; 122 V 157 E. 1c S. 160). Darauf wird verwiesen. 
3. 
Das kantonale Gericht hat für die Beurteilung des Anspruchs auf eine Invalidenrente massgebend auf das Gutachten der MEDAS vom 13. Dezember 2004 abgestellt. Die Sachverständigen kamen - gestützt auf eine internistische Untersuchung und auf je ein rheumatologisches, neurologisches und psychiatrisches Konsilium - zum Schluss, die Arbeitsfähigkeit werde durch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine dissoziative Störung, eine anhaltende leichte depressive Störung mit somatischem Syndrom sowie durch ein vertebrales Schmerzsyndrom mit myofaszialer Beteiligung mit Bezug auf leichte Tätigkeiten zu 50 Prozent eingeschränkt. 
3.1 Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass an der Schlussbesprechung, bei welcher die gutachtlichen Einschätzungen diskutiert und formuliert wurden, nicht auch die Verfasser der fachspezifischen Konsilien teilgenommen haben. Dieses Vorgehen ist aber mit der Interdisziplinarität des Gutachtens ohne weiteres zu vereinbaren; demnach hat die Vorinstanz den massgebenden medizinischen Sachverhalt nicht fehlerhaft ermittelt, indem sie die Schlussfolgerungen des Gutachtens als Entscheidungsgrundlage verwendet hat. Im Weiteren weist der Versicherte auf den Umstand hin, dass die Experten gewisse Unsicherheiten der Beurteilung namhaft gemacht haben. Derartige Relativierungen schmälern indes den Beweiswert eines Gutachtens keineswegs; es ist Aufgabe der Sachverständigen aufzuzeigen, mit welcher Bestimmtheit eine bestimmte Aussage gemacht werden kann und an welchen Stellen allenfalls mit Hypothesen und Bandbreiten gearbeitet werden muss. Daher ist es gerade ein Qualitätsmerkmal, wenn ein Experte im Bereich diagnostisch nicht eindeutiger und demzufolge einen Interpretationsspielraum eröffnender Beschwerdebilder darauf verzichtet, eine Sicherheit vorzutäuschen, welche es in solchen Belangen von der Natur der Sache her nicht geben kann (Urteil I 391/06 vom 9. August 2006, E. 3.2.2; Leitlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie für die Begutachtung psychischer Störungen, in: Schweizerische Ärztezeitung 2004 S. 1048 f. Ziff. II/3.). 
3.2 Was die gutachtliche Würdigung der funktionellen Störungen (pseudoradikuläres Schmerzsyndrom des rechten Beins, sensibles Hemisyndrom der ganzen rechten Körperhälfte, funktionelle Gangstörungen) und des Kraftverlusts der rechten Hand angeht, so ist entgegen der Auffassung des Versicherten ebenfalls kein gutachtlicher Mangel auszumachen. Es wird nachvollziehbar begründet, dass die betreffenden Ausfälle - gemeinsam mit den übrigen diagnostizierten Leiden - die Leistungsfähigkeit insgesamt zur Hälfte einschränken. Inwieweit die anbegehrte neuropsychologische Testung zusätzliche Erkenntnisse zur eingehenden neurologischen Begutachtung liefern könnte, ist nicht ersichtlich. 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann auch nicht gesagt werden, dass vor Durchführung einer Abklärung durch eine Berufliche Abklärungsstelle (BEFAS) der Invalidenversicherung keine verwertbare Arbeitsfähigkeit gegeben sei. Die Gutachter der MEDAS weisen zwar darauf hin, dass der noch junge Versicherte jedenfalls wieder ins Erwerbsleben integriert werden solle, hierfür aber "vieler Stützen und auch einer Tagesstruktur" bedürfe, weshalb "initial" eine BEFAS-Abklärung vorgeschlagen werde. Aus der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, welche auch Abschnitte betreffend die Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit durch medizinische oder berufliche Massnahmen umfasst, geht indes nicht hervor, dass die attestierte Leistungsfähigkeit von 50 Prozent so zu verstehen wäre, dass sie erst nach (erfolgreicher) Durchführung beruflicher Massnahmen umgesetzt werden könne (vgl. Urteil I 2/06 vom 23. Mai 2006, E. 2.2). 
4. 
Der Umstand, dass die Vorinstanz im Zusammenhang mit der Bemessung des Invalideneinkommens keinen sog. leidensbedingten Abzug (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126 V 75) zum Anschlag gebracht hat, begründet keine Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Entscheids. Obwohl dem Beschwerdeführer zuzugeben ist, dass der Diagnosekatalog eine Häufung verschiedenartiger Beschwerden enthält, kann davon ausgegangen werden, die Beschränkung auf leichte Arbeiten sowie die Reduktion auf ein halbes Pensum trügen den gesundheitlichen Einschränkungen und den dadurch bedingten erwerblichen Einbussen auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) ausreichend Rechnung. 
Dass die Bemessung des Invaliditätsgrades anderweitig nicht korrekt sein sollte, wird nicht geltend gemacht; entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus den Akten. Es besteht somit kein Anlass für eine Weiterung des Prüfungsprogramms (vgl. BGE 110 V 48 E. 4a S. 53). Das vorinstanzliche Erkenntnis, der Versicherte habe Anspruch auf eine halbe Invalidenrente, ist daher bundesrechtskonform. 
5. 
Mit Bezug auf die beantragten beruflichen Eingliederungsmassnahmen ist in Erinnerung zu rufen, dass die Verwaltung sowohl bei der erstmaligen Prüfung des Leistungsgesuchs als auch im Revisionsfall von Amtes wegen abklären muss, ob vorgängig der Gewährung oder Weiterausrichtung einer Rente Eingliederungsmassnahmen durchzuführen sind (vgl. Art. 16 ATSG; BGE 126 V 241 E. 5 S. 243; 108 V 210 E. 1d S. 212; AHI 2001 S. 284 E. 5a/bb [I 11/00]; Ulrich Meyer-Blaser, Die Tragweite des Grundsatzes "Eingliederung vor Rente", in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], Rechtsfragen der Eingliederung Behinderter, St. Gallen 2000, S. 15 ff., 21 ff.). Trotz der - freilich mit Vorsicht gestellten - gutachtlichen Prognose, die Arbeitsfähigkeit könne "unter einer geeigneten Psychotherapie, Stützung und Führung des Versicherten" auf 70 Prozent gesteigert werden, und der vorerwähnten Empfehlung beruflicher Vorkehren hat die Verwaltung diesbezüglich nichts angeordnet. Abgesehen davon, dass die gutachtlich aufgezeigten Eingliederungsperspektiven mittlerweile faktisch überholt sein dürften, jedenfalls aber einer neuen Einschätzung bedürften, ist der Anspruch auf eine Invalidenrente auch mit Blick auf den Streitgegenstand ohne Berücksichtigung der (allenfalls vergangenen) Möglichkeiten einer weiteren Eingliederung zu beurteilen; die Vorinstanzen haben über berufliche Massnahmen nicht entschieden. 
Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang, dass es dem Beschwerdeführer als Bezüger einer halben Invalidenrente frei steht, bei der Verwaltung um berufliche Massnahmen im Sinne der Art. 15 ff. IVG nachzusuchen. 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 Satz 2 OG). Die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung; Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG) kann gewährt werden (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Rechtsanwältin Schaumann, Zürich, für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 19. November 2007 
 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
 
Meyer Traub