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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1254/2020  
 
 
Urteil vom 20. Januar 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Wolfensperger, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung (sexueller Missbrauch), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 28. September 2020 (UE190210-O/U/BUT). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
A.________ und B.________ sind die (geschiedenen) Eltern von C.________ und D.________. Mit Schreiben vom 21. Juni 2017 liess B.________ Strafantrag gegen A.________ u.a. wegen Verleumdung einreichen, im Wesentlichen mit der Begründung, jene habe zu Lehrpersonen der Dorfschule gesagt, er komme für eine Betreuung der gemeinsamen Töchter nicht in Frage, weil er verdächtigt werde, C.________ sexuell missbraucht zu haben. Es wurde ein Strafverfahren gegen A.________ wegen Verleumdung und in der Folge auch ein Verfahren gegen B.________ wegen sexueller Handlungen mit Kindern zum Nachteil seiner Töchter eröffnet. Am 22. November 2018 wurde für C.________ und D.________ eine Vertretungsbeistandschaft nach Art. 306 Abs. 2 ZGB errichtet, mit dem Auftrag, die Kinder in den Strafverfahren sowohl gegen den Vater betreffend sexuelle Handlungen als auch gegen die Mutter betreffend Verleumdung zu vertreten. 
Am 3. Juli 2019 stellte die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich das Strafverfahren gegen B.________ ein. 
Gegen die Einstellungsverfügung ergriff die Vertretungsbeiständin für die Kinder kein Rechtsmittel. Die von A.________ für sich in eigenem Namen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 28. September 2020 ab, soweit es darauf eintrat. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ sinngemäss die Aufhebung des Beschlusses vom 28. September 2020 und die Fortführung bzw. Ergänzung des Strafverfahrens gegen B.________. 
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
2.   
Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilforderungen auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Zivilforderungen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG sind unmittelbar aus der Straftat resultierende und vor den Zivilgerichten geltend zu machende Ansprüche, in erster Linie auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR. Die Beschwerdeführerin äussert sich vor Bundesgericht nicht zur Legitimation und zur Frage der Zivilforderungen. Inwiefern sie durch die angeblichen strafbaren Handlungen unmittelbar geschädigt worden sein soll, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Indessen kann offen bleiben, ob die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtswinkel von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG beschwerdelegitimiert ist, weil ihrem Rechtsmittel in der Sache so oder anders kein Erfolg beschieden ist. 
 
3.   
In einer Beschwerde ist unter Bezugnahme auf den angefochtenen Entscheid darzulegen, inwieweit dieser gegen das Recht verstösst (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten besteht ebenso wie für die Anfechtung des Sachverhalts eine qualifizierte Rügepflicht. Auf ungenügend begründete Rügen oder rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 145 I 26 E. 1.3; 145 IV 154 E. 1.1; je mit Hinweisen). 
 
4.   
Die Staatsanwaltschaft verfügt nach Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO unter anderem die vollständige oder teilweise Einstellung des Verfahrens, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt. Dieser Entscheid hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten. Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden. Wie die Beweise nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu würdigen sind und ob die Vorinstanz gestützt darauf einen hinreichenden Tatverdacht verneinen durfte, prüft das Bundesgericht nur auf Willkür. Es prüft im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Einstellung nicht, wie beispielsweise bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind (Art. 97 Abs. 1 BGG), sondern ob die Vorinstanz willkürlich von einer "klaren Beweislage" ausging oder gewisse Tatsachen willkürlich für "klar erstellt" annahm (zum Ganzen: BGE 143 IV 241 E. 2.3.3; Urteil 6B_285/2019 vom 3. Mai 2019 E. 2.1). 
 
5.   
Bei den zur Diskussion stehenden Tatvorwürfen der sexuellen Handlungen mit Kindern handelt es sich um Delikte, bei denen es typischerweise keine direkten Tatzeugen gibt. Die Strafbehörden sind bei der Beurteilung solcher Vorwürfe regelmässig auf beweisverwertbare Aussagen der beschuldigten Person und der Opfer angewiesen. 
Die Vorinstanz rekapituliert im angefochtenen Beschluss die massgeblichen Entscheidgründe rund um die beiden zur Diskussion stehenden Tatvorwürfe unter Verweis auf die überzeugende Auseinandersetzung der Staatsanwaltschaft mit der Beweislage in Bezug auf die behaupteten Tatgeschehen und begründet sorgfältig und nachvollziehbar, weshalb sie die beanzeigten Straftaten für klar nicht erstellt erachtet und von weiteren Untersuchungen, namentlich Befragungen von Personen aus dem schulischen Umfeld und des nachmaligen Ehepartners der Beschwerdeführerin, absieht. 
 
6.   
Was daran willkürlich oder sonstwie bundesrechtswidrig sein könnte, sagt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vor Bundesgericht nicht. Sie nimmt darin allenfalls rudimentär Bezug auf die vorinstanzlichen Erwägungen, zeigt jedoch anhand diesen nicht substanziiert auf, inwiefern der angefochtene Beschluss in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlerhaft sein könnte. Die Beschwerdeführerin beschränkt sich vielmehr - unter Hinweis auf das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) und den Untersuchungsgrundsatz (Art. 6 Abs. 1 und 2 StPO) - auf Kritik am Untersuchungsergebnis, wobei sie ihre Sicht der Sachlage schildert und dabei namentlich darlegt, welche aktenkundigen Berichte bzw. welche Aussagen von Auskunftspersonen als massgeblich in die Entscheidfindung einzubeziehen gewesen wären, welche zusätzlichen Beweise weshalb erhoben hätten werden müssen und welche Schlüsse richtigerweise zu ziehen gewesen wären. Daraus ergibt sich zwar, dass die Beschwerdeführerin die Untersuchungen/Abklärungen selber als lücken- sowie fehlerhaft beurteilt und mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist. Sie vermag damit aber nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen wäre und/oder sonstwie gegen das Recht verstossen hätte, als sie mit der Staatsanwaltschaft zum Schluss gelangt ist, ein anklagegenügender Tatverdacht liesse sich nicht erstellen. Namentlich ist auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. ein Verstoss gegen das Willkürverbot infolge Abweisung der Beweisanträge weder dargetan noch ersichtlich. Die Vorinstanz begründet sachlich vertretbar, weshalb sie auf weitere Untersuchungshandlungen - z.B. die Einvernahme des nachmaligen Ehemannes - verzichtet hat. Damit befasst sich die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht in einer den formellen Anforderungen genügenden Weise. Eine willkürliche oder einseitige Beweiserhebung und/oder Beweiswürdigung zugunsten des Beschwerdegegners 2, wie die Beschwerdeführerin überdies sinngemäss geltend macht, ist aufgrund der umfangreichen Untersuchungen/Abklärungen und der umfassenden Würdigung des Untersuchungsergebnisses im Übrigen auch nicht ersichtlich. Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich vorbringt, ihrer Tochter C.________ sei das Recht zur Beschwerdeerhebung gegen die staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügung verweigert worden, verkennt sie, dass die Verfahrensrechte ihrer Töchter nicht zum Verfahrensgegenstand gehören und sie deren Rechte (aufgrund der Vertretungsbeistandschaft) nicht selber als verletzt rügen kann. 
 
7.   
Die Beschwerdeführerin kritisiert, dass sie Gerichtskosten und eine Parteientschädigung an den Beschwerdegegner 2 bezahlen muss. 
Die Kostenauflage stützt sich auf Art. 428 Abs. 1 StPO, wonach die Parteien die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens tragen. Inwiefern die Vorinstanz diese klare Bestimmung verletzt haben könnte, ist weder dargetan noch ersichtlich. 
Indessen ergibt sich aus dem blossen Unterliegen im Beschwerdeverfahren keine Pflicht der Beschwerdeführerin, die Kosten der Verteidigung des Beschwerdegegners 2 zu tragen. Eine solche Pflicht richtet sich vielmehr nach Art. 429 und Art. 432 StPO. Die staatsanwaltschaftliche Verfahrenseinstellung bezog sich auf ein Offizialdelikt. Bei diesen Delikten trägt die gegen die Einstellungsverfügung allein Beschwerde erhebende Privatklägerschaft ein latent weiterbestehendes öffentliches Strafverfolgungsinteresse mit. Deshalb geht die Entschädigung der obsiegenden beschuldigten Person im Beschwerdeverfahren für die durch die Anträge im Schuldpunkt verursachten Aufwendungen zulasten des Staates (Art. 429 StPO; zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_582/2020 vom 17. Dezember 2020 E. 4; BGE 141 IV 476) und nur für die durch die Anträge im Zivilpunkt gemachten Aufwendungen zulasten der unterliegenden Privatklägerschaft (Art. 432 Abs. 1 StPO; vgl. Urteil 6B_105/2018 vom 22. August 2018 E. 4). Diese Ausscheidung hat die Vorinstanz nicht vorgenommen (obwohl eine solche erforderlich gewesen wäre [vgl. Akten Vorinstanz, act. 28, Stellungnahme des Beschwerdegegners 2 zur Beschwerde]) und der Beschwerdeführerin die angefallenen Verteidigerkosten zu Unrecht vollumfänglich auferlegt. Der angefochtene Entscheid ist in diesem Punkt aufzuheben. 
 
8.   
Die Beschwerde ist in Bezug auf die der Beschwerdeführerin vollumfänglich auferlegte Parteientschädigung aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. 
Ausgangsgemäss sind der Beschwerdeführerin Gerichtskosten im Umfang ihres Unterliegens aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Einen Anspruch auf eine Parteientschädigung hat sie nicht, da ihr keine Kosten für eine Rechtsvertretung erwachsen sind und sie auch keine besonderen Verhältnisse geltend macht, welche ausnahmsweise eine Parteientschädigung rechtfertigen könnten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. BGE 125 II 518 E. 5b mit Hinweisen). Dem Beschwerdegegner 2 sind weder Gerichtskosten aufzuerlegen noch ist ihm eine Entschädigung zuzusprechen. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositivziffer 3 des Beschlusses des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. September 2020 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. Januar 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill