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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_916/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 20. März 2014  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
N.________, 
vertreten durch Rechtsdienst Integration Handicap, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Kinderrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 12. November 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 13. Juli 2011 forderte die IV-Stelle des Kantons Aargau einen Betrag von Fr. 3'000.- von N.________ zurück, da sich seine 1992 geborene Tochter X.________ in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2011 nicht in Ausbildung befunden habe. Die Kinderrente zu seiner Invalidenrente sei ihm deshalb zu Unrecht ausgerichtet worden. Die von N.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 7. August 2012 gut und wies die Sache zu weiteren Abklärungen und anschliessenden Neuentscheid an die IV-Stelle zurück. 
Nach weiteren Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens anerkannte die IV-Stelle mit Verfügung vom 19. Februar 2013 den Kinderrentenanspruch für den Monat Januar 2011, hielt demgegenüber an der Rückforderung der Kinderrente für die Monate Februar bis April 2011 fest. 
 
B.   
Die von N.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 12. November 2013 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt N.________, es sei unter Aufhebung der Verfügung und des kantonalen Gerichtsentscheides von einer Rückforderung der Kinderrenten für die Monate Februar bis April 2011 abzusehen. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.   
Streitig ist der Anspruch des Versicherten auf eine Kinderrente für seine volljährige Tochter X.________ in den Monaten Februar bis April 2011. 
 
3.   
 
3.1. Männer und Frauen, denen eine Invalidenrente zusteht, haben in Anwendung von Art. 35 Abs. 1 IVG für jedes Kind, das im Falle ihres Todes eine Waisenrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung beanspruchen könnte, Anspruch auf eine Kinderrente. Anspruch auf eine Waisenrente haben nach Art. 25 Abs. 1 AHVG Kinder, deren Vater oder Mutter gestorben ist. Der Anspruch auf die Waisenrente entsteht gemäss Art. 25 Abs. 4 AHVG am ersten Tag des dem Tode des Vaters oder der Mutter folgenden Monats. Er erlischt mit der Vollendung des 18. Altersjahres oder mit dem Tod der Waise. Für Kinder, die noch in Ausbildung sind, dauert der Rentenanspruch nach Art. 25 Abs. 5 AHVG bis zu deren Abschluss, längstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr. Der Bundesrat kann festlegen, was als Ausbildung gilt.  
 
3.2. In Ausbildung ist ein Kind nach Art. 49bis Abs. 1 AHVV, wenn es sich auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten Bildungsganges systematisch und zeitlich überwiegend entweder auf einen Berufsabschluss vorbereitet oder sich eine Allgemeinausbildung erwirbt, die Grundlage bildet für den Erwerb verschiedener Berufe. Beendet ist die Ausbildung gemäss Art. 49ter Abs. 1 AHVV mit einem Berufs- oder Schulabschluss. Die Ausbildung gilt in Anwendung von Art. 49ter Abs. 2 AHVV auch als beendet, wenn sie abgebrochen oder unterbrochen wird oder wenn ein Anspruch auf eine Invalidenrente entsteht.  
 
3.3. Wird die Ausbildung vorzeitig abgebrochen, gilt sie gemäss Rz. 3368 der Wegleitung des BSV über die Renten (RWL) als beendet. Bis zu einer allfälligen Wiederaufnahme der Ausbildung befindet sich das Kind nicht mehr in Ausbildung. Dies gilt auch für die Zeit zwischen einem Lehrabbruch und Beginn eines neuen Lehrverhältnisses.  
 
3.4. Rechtsprechungsgemäss gilt die Zeitspanne zwischen der vorzeitigen Auflösung des alten und der Begründung eines neuen Lehrverhältnisses nicht als rechtserhebliche Unterbrechung der Ausbildung, sofern die Suche nach einer neuen Lehrstelle unverzüglich an die Hand genommen wird (BGE 102 V 208 E. 3 S. 212 mit Hinweis auf ZAK 1975 S. 375, H 135/74 E. 2).  
 
4.   
Gemäss den grundsätzlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz kündigte der damalige Lehrmeister der X.________ den Lehrvertrag zur tiermedizinischen Praxisassistentin per 31. Dezember 2010. Diese konnte ihre Lehre mit demselben Berufsziel am 1. Mai 2011 bei einem anderen Lehrmeister fortsetzen. In der Zwischenzeit besuchte sie weiterhin die Berufsschule und die überbetrieblichen Kurse. Es ist somit davon auszugehen, dass sie ihr Lehrziel nie aufgegeben hat; aus dem zeitlichen Ablauf ist weiter zu schliessen, sie habe die Suche nach einer neuen Lehrstelle unverzüglich an die Hand genommen. Gemäss der in E. 3.4 hievor erwähnten Rechtsprechung hat sie somit ihre Ausbildung nicht im Sinne von Art. 49ter Abs. 2 AHVV unterbrochen; es sind auch keine Gründe dargetan worden, auf diese Praxis zurückzukommen. Die Situation, in der sich die Tochter des Beschwerdeführers in den hier streitigen Monaten befand, ist auch weniger mit einem Lehrabbruch, als mit einem Nicht-Bestehen einer Prüfung zu vergleichen. Somit stand sie in den Monaten Februar bis April 2011 in Ausbildung im Sinne von Art. 49bis Abs. 1 AHVV, womit ihr Vater auch für diese Zeit Anspruch auf eine Kinderrente hat. Die Beschwerde ist demgemäss gutzuheissen, und die anderslautende Verfügung der IV-Stelle und der kantonale Gerichtsentscheid sind aufzuheben. 
 
5.   
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem Beschwerdeführer überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. auch BGE 135 V 473). Damit wird sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 12. November 2013 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 19. Februar 2013 werden aufgehoben. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 20. März 2014 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold