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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_917/2022  
 
 
Urteil vom 20. März 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Konkursamt Oberland, Dienststelle Oberland, Schloss 4, Postfach 417, 3800 Interlaken. 
 
Gegenstand 
Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 11. November 2022 (ABS 22 297). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Gestützt auf einen Antrag des damaligen Verwaltungsratsmitglieds und Gläubigers B.________ eröffnete das Regionalgericht Oberland am 14. Juli 2017 über die C.________ AG den Konkurs. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte die Konkurseröffnung am 11. September 2017. Mehrheitsaktionärin (90 %) der Konkursitin ist D.________. Sie trat jedoch nie geschäftlich in Erscheinung. Vielmehr agierte ihr Ehemann, A.________, als faktisches Organ für die Gesellschaft. Dieser war bis zum Jahr 2014 als Verwaltungsrat für verschiedene Tochter- und Enkelgesellschaften der Konkursitin tätig, bevor er von sämtlichen Mandaten zurücktrat. Die restlichen 10 % der Aktien hält die E.________ AG resp. B.________ (ehemaliger Verwaltungsrat der Konkursitin und aktueller Verwaltungsratspräsident der E.________ AG). Eine weitere wichtige Figur ist F.________, Inhaber der G.________ AG und Geschäftspartner von A.________. Er zog Investitionen in die Konkursitin in Erwägung, um den Konkurs in Anwendung von Art. 195 SchKG widerrufen zu lassen, und hatte im Konkursverfahren mit Blick auf den Konkurswiderruf Forderungsrückzüge diverser Gläubiger erwirkt. Während F.________ und A.________ nach wie vor den Widerruf des Konkurses anstreben, will B.________ resp. die E.________ AG den Konkurs forcieren. 
 
B.  
Mit der Abwicklung des Konkurses ist das Konkursamt Oberland, Dienststelle Oberland, betraut. Die Dienststelle Oberland legte vom 12. April bis zum 1. Mai 2018 den Kollokationsplan auf. Als Gläubigerin war auch die E.________ AG kolloziert. Am 14. Mai 2018 meldete die E.________ AG eine weitere Forderung in der Höhe von 10 Millionen Franken an. Diese wurde kolloziert und der Kollokationsplan neu aufgelegt. In der Folge kam es zu diversen Kollokationsklagen. Mit Entscheid vom 31. August 2020 wies das Regionalgericht Oberland die Forderung der E.________ AG in der Höhe von 10 Millionen Franken aus dem Kollokationsplan. Eine dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos. Ein zweiter Kollokationsprozess betraf eine von D.________ eingegebene Forderung von Fr. 5'814'300.11. Diese wurde auf Klage der E.________ AG hin auf Fr. 5'218'296.50 reduziert. Am 30. September 2020 wurden schliesslich die Grundstücke U.________ Gbbl.-Nrn. xxx und yyy, eine Geschäfts- und Wohnliegenschaft der Konkursitin, im Rahmen einer Zwangsversteigerung verwertet. Beschwerden bei der Aufsichtsbehörde, welche die Absetzung der Steigerung verlangten, blieben allesamt erfolglos. Der Konkurs wurde bis heute nicht widerrufen. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 28. Oktober 2022 bzw. Klarstellung vom 8. November 2022 lehnte A.________ das Konkursamt Oberland als Ganzes ab und verlangte die Einsetzung einer ausserkantonalen Konkursverwaltung. In seiner Begründung warf er namentlich Frau H.________ vom Konkursamt Oberland Befangenheit und persönliche Feindschaft vor. Mit Entscheid vom 11. November 2022 trat das Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, auf die Eingabe vom 28. Oktober 2022 nicht ein. 
 
D.  
Am 26. November 2022 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids und hält an seinen Ausstandsbegehren gegen Frau H.________ und das Konkursamt Oberland als Ganzes fest. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde, die über ein Ausstandsgesuch gegen ein Konkursamt bzw. die betreffenden Konkursbeamten befunden hat. Dagegen ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer hat seine Eingabe zulässigerweise auf Französisch abgefasst (Art. 42 Abs. 1 BGG). Das Verfahren vor Bundesgericht wird in der Sprache des angefochtenen Entscheids und damit auf Deutsch geführt (Art. 54 Abs. 1 BGG).  
 
1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 363 E. 2.4). Beruht der angefochtene Entscheid auf mehreren selbstständigen Begründungen, die je für sich den Ausgang des Rechtsstreits besiegeln, hat die beschwerdeführende Partei darzulegen, dass jede von ihnen Recht verletzt (BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass sämtliche gerügten Vorkommnisse (fehlerhafte Kollokationen, Strafanzeige, ungerechtfertigte Verwertung) Jahre zurückliegen. Mit derart weit zurückliegenden Vorkommnissen lasse sich heute keine Befangenheit mehr begründen. Auf verspätet vorgetragene Ablehnungsgründe sei nicht einzutreten. Ein pauschal gegen eine Behörde - d.h. gegen ein ganzes Konkursamt - gerichtetes Ausstandsbegehren erfolge sodann grundsätzlich missbräuchlich und sei daher unbeachtlich. Allenfalls materiell falsche Entscheide hätten grundsätzlich auch nicht die Befangenheit des betreffenden Richters oder Beamten zur Folge. Das subjektive Empfinden, ungerecht behandelt worden zu sein oder die pauschale Behauptung, Frau H.________ habe diverse fehlbare Entscheidungen getroffen, würden daher keine Ausstandsgründe begründen. Da die Kollokationsprozesse zwischen Gläubigern der Konkursitin ausgetragen worden seien, sei es auch verfehlt, diesbezüglich von "juristischen Niederlagen" des Konkursamts zu sprechen.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer bringt zur Begründung seines Ablehnungsbegehrens vor, dass das Konkursverfahren noch nicht abgeschlossen sei, weshalb sein Ablehnungsanspruch nicht verwirkt sein könne. Zudem verweist er - wie bereits im kantonalen Verfahren - auf diverse Handlungen des Konkursamts Oberland im Rahmen der Abwicklung des Konkurses der C.________ AG, welche nach Auffassung des Beschwerdeführers auf eine Komplizenschaft des Konkursamts mit der E.________ AG bzw. deren Vertretern hindeuten.  
 
3.  
Anlass zur Beschwerde gibt ein Ausstandsbegehren gegen ein Konkursamt bzw. die für dieses handelnden Konkursbeamten. 
 
3.1. Die Konstellationen, welche eine Ausstandspflicht begründen, sind in Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1-4 SchKG umschrieben. Der Beschwerdeführer macht keine Ausstandsgründe gemäss Art. 10 Abs. 1 Ziffer 1 bis 3 SchKG geltend, weshalb einzig der Auffangtatbestand von Art. 10 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG in Frage kommt. Art. 10 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG bestimmt, dass die Beamten und Angestellten der Betreibungs- und der Konkursämter sowie die Mitglieder der Aufsichtsbehörden keine Amtshandlungen in Sachen vornehmen dürfen, in denen sie aus anderen Gründen befangen sein könnten. Die Auslegung der Generalklausel von Art. 10 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG kann sich an der Rechtsprechung zu anderen Verfahrensgesetzen des Bundes orientieren (Botschaft über die Änderung des SchKG vom 8. Mai 1991, BBl 1991 III 1, S. 34 Ziff. 201.15; DALLÈVES, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 8 zu Art. 10 SchKG; CHAIX, Récusation et actes interdits [art. 10 et 11 LP], in: JdT II 2016 S. 54). Befangenheit im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Konkursbeamten zu erwecken. Es braucht nicht nachgewiesen zu werden, dass dieser tatsächlich befangen ist. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit hervorrufen (vgl. BGE 147 III 89 E. 4.1; Urteil 5A_81/2010 vom 29. April 2010 E. 5.2).  
 
3.2. Was der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Entscheid einwendet, ist gänzlich unbegründet. Nach der Rechtsprechung sind die Rechtssuchenden grundsätzlich nach Treu und Glauben dazu gehalten, Ausstandsgründe unverzüglich nach Kenntnisnahme geltend zu machen, ansonsten diese als verwirkt gelten (BGE 141 III 210 E. 5.2; 140 I 271 E. 8.4.3; 138 I 1 E. 2.2). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers können Ausstandsbegehren somit nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt während eines Verfahrens gestellt werden (CHAIX, a.a.O., S. 59 f.). Ohnehin macht der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen in keiner Weise glaubhaft, dass die betreffenden Konkursbeamten befangen sein könnten. Entscheide, die nicht wie beantragt ausfallen oder an einem inhaltlichen Mangel leiden, sind im dafür vorgesehenen Rechtsmittelverfahren zu rügen und können grundsätzlich nicht als Begründung für die Verletzung von Ausstandsvorschriften herangezogen werden (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.2; 116 Ia 335 E. 3a). Es kann dem Beschwerdeführer auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, dass die Einreichung der Strafanzeige vom 28. Februar 2018 nur Ausdruck des klaren Willens gewesen sein könne, ihm mutwillig zu schaden. Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Art. 48 Abs. 1 des Einführungsgesetzes des Kantons Bern vom 11. Juni 2009 zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung (EG ZSJ/BE; BSG 271.1) eine Anzeigepflicht für Behörden und Angestellte statuiert. Nur weil der Leiter des Konkursamts strafbare Handlungen des Beschwerdeführers vermutet hat und diese Vermutung damals pflichtgemäss geäussert hat, erscheint er bei objektiver Betrachtung mit Blick auf die weitere Abwicklung des Konkursverfahrens noch nicht als befangen. Auch in diesem Punkt schildert der Beschwerdeführer dem Bundesgericht bloss seine eigene Sicht der Dinge und sein subjektives Empfinden. Dass das Kantonale Wirtschaftsstrafgericht Bern den Beschwerdeführer von der Anschuldigung des Ungehorsams Dritter Personen im Konkursverfahren (Art. 324 Ziff. 3 StGB) und der Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) am 17. Februar 2020 freigesprochen hat, ist für die vorliegend allein interessierende Frage des Vorliegens von Befangenheitsgründen ohne Relevanz.  
 
4.  
Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Konkursamt Oberland, Dienststelle Oberland, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. März 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss