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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_178/2011 
 
Urteil vom 20. Mai 2011 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
CONCORDIA Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG, Bundesplatz 15, 6003 Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Daniel P. Candrian, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung (vorinstanzliches Verfahren), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 2. September 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
D.________ war für die obligatorische Krankenpflegeversicherung bei der CONCORDIA Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG (nachfolgend: Concordia) versichert. Sie wurde im Rahmen eines vom 28. November 2008 bis 27. Februar 2009 angeordneten fürsorgerischen Freiheitsentzuges in der allgemeinen Abteilung der Klinik E.________ stationär behandelt. Am 5. Februar 2009 erteilte die Concordia Kostengutsprache für den Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung bis zum 31. Dezember 2008 und für eine Pflegevollpauschale von Fr. 82.50 pro Tag vom 1. Januar 2009 bis am 31. März 2008 (recte: 2009), woran sie mit Verfügung vom 15. April 2009 festhielt. Dagegen erhob D.________ Einsprache. Nachdem die Versicherte am 9. Juli 2009 verstorben war, führte B.________ als ihre alleinige Erbin das Verfahren weiter. Mit Einspracheentscheid vom 2. Februar 2010 verlängerte die Concordia die Kostengutsprache für den Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung bis zum 5. Februar 2009. 
 
B. 
Dagegen erhob B.________ Beschwerde und beantragte, in Aufhebung des Einspracheentscheides vom 2. Februar 2010 sei die Concordia zu verpflichten, Kostengutsprache vom 1. Januar bis 27. Februar 2009 für die allgemeine Abteilung zu gewähren. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess das Rechtsmittel mit Entscheid vom 2. September 2010 (zugestellt am 3. Februar 2011) teilweise gut und verpflichtete die Concordia, für die Zeit vom 1. Januar bis 16. Februar 2009 die Spitaltaxe und für die Zeit vom 17. bis 27. Februar 2009 die Pflegetaxe auszurichten. Zudem wies es die Concordia an, B.________ eine Parteientschädigung in der Höhe von F. 4'714.45 zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 4). 
 
C. 
Die Concordia führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei Dispositiv-Ziffer 4 des Entscheids vom 2. September 2010 aufzuheben und die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit dieses über die Parteientschädigung neu entscheide. 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
Die Concordia beanstandet die Höhe der der Beschwerdegegnerin vom kantonalen Gericht zugesprochenen Parteientschädigung von Fr. 4'714.45 als willkürlich. Zum einen hätte die Entschädigung entsprechend dem bloss teilweisen Obsiegen um 50 % gekürzt werden sollen und zum anderen sei sie ohne Überprüfung der Angemessenheit zu hoch festgesetzt worden. 
 
3. 
3.1 Der Anspruch auf Parteienschädigung im kantonalen Beschwerdeverfahren betreffend Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung richtet sich nach Art. Art. 61 lit. g ATSG (Art. 2 ATSG [SR 830.1] in Verbindung mit Art. 1 KVG [SR 832.10]). Danach hat die - ganz oder teilweise - obsiegende Beschwerde führende Person Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. 
 
3.2 Soweit die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die behauptete vorinstanzliche Willkür Verstösse gegen die Begründungspflicht (vgl. Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 61 lit. h ATSG und Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG) geltend macht, kann ihr nicht beigepflichtet werden: Eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheides war ihr möglich (vgl. Urteil 9C_161/2011 vom 3. Mai 2011 E. 3.2 mit Hinweisen). 
3.3 
3.3.1 Ist das Quantitative einer Leistung streitig, rechtfertigt eine "Überklagung" eine Reduktion der Parteientschädigung nur, wenn das Rechtsbegehren den Prozessaufwand beeinflusst hat. Bei Streitigkeiten um die Höhe einer Invalidenrente darf die Parteientschädigung daher nicht allein deswegen reduziert werden, weil der Beschwerde führenden Person nicht die beantragte ganze oder höhere Rente, sondern eine geringere Teilrente zugesprochen wird (BGE 117 V 401 E. 2c S. 407; Urteil 8C_568/2010 vom 3. Dezember 2010 E. 4.1 mit weiteren Hinweisen). Es besteht grundsätzlich kein Anlass zu einer anderen Betrachtungsweise, wenn statt einer unbefristeten oder länger dauernden Rente ein befristeter Anspruch oder ein solcher für eine kürzere als die beantragte Dauer zugesprochen wird. Ebenso wie die Höhe des Anspruches betrifft dessen zeitliche Dimension das Quantitativ. Indessen kommt die Zusprechung einer vollen Parteientschädigung bei teilweisem Obsiegen nur in Frage, wenn die Beschwerde führende Person im Grundsatz obsiegt und lediglich im Masslichen (teilweise) unterliegt (SZS 2011 S. 74, 9C_580/2010 E. 4.1). Diese im Bereich von Rentenansprüchen entwickelte Rechtsprechung ist auch bei Streitigkeiten betreffend die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung anwendbar. 
3.3.2 Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war die Leistungspflicht der Concordia in Bezug auf den im Rahmen eines fürsorgerischen Freiheitsentzuges angeordneten Klinikaufenthalt für die Zeit vom 6. bis 27. Februar 2009. Die Vorinstanz hat diese - über die blosse Pflegepauschale hinaus - bis zum 16. Februar 2009 bejaht mit der Begründung, bis zu diesem Zeitpunkt sei die stationäre Behandlung medizinisch indiziert und die Versicherte mithin spitalbedürftig gewesen. Damit hat die Beschwerdeführerin - anders als im Verfahren 9C_580/2010, wo der Teilerfolg des Versicherten allein auf verfahrensrechtlichen Gründen beruhte (SZS 2011 S. 74, 9C_580/2010 E. 4.1) - im Grundsatz obsiegt. Eine Kürzung der Parteientschädigung wegen nur teilweisen Obsiegens fällt daher ausser Betracht. 
3.4 
3.4.1 Dem erstinstanzlichen Gericht ist bei der Bemessung der Entschädigung ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen (BGE 114 V 83 E. 4b S. 87; ZAK 1989 S. 254 E. 4b, je mit Hinweisen). Im Rahmen seines Ermessens hat das Gericht für die Bestimmung der Höhe des Anwaltshonorars die Wichtigkeit und Schwierigkeit der Streitsache, den Umfang der Arbeitsleistung und den Zeitaufwand des Anwaltes zu berücksichtigen (BGE 114 V 83 E. 4b S. 87). Als Grundsatz gilt, dass die Parteientschädigung nur den objektiv erforderlichen Vertretungsaufwand umfassen soll (SVR 2006 BVG Nr. 26 S. 98 ff., B 15/05 E. 11.3.1 mit Hinweisen; Urteil 9C_331/2008 vom 4. September 2008 E. 3.2). 
3.4.2 Die Vorinstanz hat die Höhe der Parteientschädigung für das Beschwerdeverfahren entsprechend der Honorarnote des Rechtsvertreters vom 2. Juni 2010 auf Fr. 4'714.45 festgesetzt und damit implizite den geltend gemachten Zeitaufwand von 20 Stunden und 35 Minuten (wie auch den Stundenansatz von Fr. 220.-) für angemessen befunden. 
3.4.3 Auch wenn das kantonale Gericht von Bundesrechts wegen nicht an die geltend gemachten Honoraransprüche gebunden ist (SZS 2011 S. 74, 9C_580/2010 E. 4.2.1 mit Hinweis), erscheint das Abstellen auf die den jeweiligen Zeitaufwand detailliert ausweisende Honorarnote des Rechtsvertreters grundsätzlich als sachgerecht. Die Beschwerdeführerin legt denn auch nicht konkret dar, welche Aufwandposten nicht gerechtfertigt sein sollen, sondern rügt lediglich in allgemeiner Weise einen zu hohen Zeitaufwand. Die Höhe des Stundenansatzes hat die Beschwerdeführerin zu Recht nicht beanstandet. Nach verbindlicher vorinstanzlicher Feststellung (E. 1) bot die Streitsache zwar weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht aussergewöhnliche Schwierigkeiten. Anderseits handelte es sich - trotz Geltung der Untersuchungsmaxime (Art. 61 lit c ATSG) - auch nicht um eine besonders einfache Angelegenheit, zumal nicht nur die Frage, ob die Versicherte aus medizinischen Gründen der stationären Behandlung bedurfte, sondern auch jene, ob im Rahmen des fürsorgerischen Freiheitsentzuges eine angemessene Anpassungszeit einzuräumen sei (Spitalbedürftigkeit aus persönlichen Gründen), streitig war. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Anwalt seine Klientin bereits im Einspracheverfahren vertrat und er bei der Bearbeitung der Beschwerde und der weiteren Rechtsschriften von seinen Vorarbeiten profitieren konnte (vgl. Urteil 9C_331/2008 vom 4. September 2008 E. 3.3). Damit erscheint der ausgewiesene Stundenaufwand zwar als eher grosszügig, aber nicht übertrieben hoch bemessen. Schliesslich kann nicht gesagt werden, dass die Streitsache für die Beschwerdeführerin (Leistungspflicht der Krankenversicherung für die angeordnete stationäre Behandlung der psychisch kranken, mittlerweile verstorbenen Mutter) nur von geringer Bedeutung gewesen wäre. 
3.4.4 Angesichts der Umstände des konkreten Falles und des dem kantonalen Gericht zustehenden weiten Ermessens kann in der vorinstanzlichen Festsetzung der Parteientschädigung weder Willkür (vgl. BGE 134 II 124 E. 4.1 S. 133; 133 I 149 E. 3.1 S. 153 mit Hinweisen; Urteil 9C_331/2008 vom 4. September 2008 E. 3.1) noch rechtsfehlerhafte Ermessensausübung (vgl. BGE 123 V 150 E. 2 S. 152 mit Hinweisen; Urteil 8C_676/2010 vom 11. Februar 2011 E. 3) oder eine andere Verletzung von Bundesrecht erblickt werden; die Beschwerde ist unbegründet. 
 
4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 20. Mai 2011 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Meyer Dormann