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[AZA 0/2] 
1P.244/2001/sta 
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG 
********************************** 
 
20. August 2001 
 
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, 
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter 
Aeschlimann, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiber Härri. 
 
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In Sachen 
X.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
Y.________, Beschwerdegegnerin, Bezirksamt Frauenfeld, Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Anklagekammer des Kantons Thurgau, 
 
betreffend 
Ablehnung der Eröffnung eines Strafverfahrens 
wegen Diebstahls(staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss der Anklagekammer des Kantons Thurgau vom 14. November 2000), hat sich ergeben: 
 
A.- Am 25. Mai 1998 erstattete X.________ Strafanzeige gegen seine Schwester Y.________ wegen Diebstahls eines Kinder-Reitsattels, begangen am 18. Mai 1998. 
 
Mit Nichtanhandnahmeverfügung vom 6. Juli 2000 lehnte das Bezirksamt Frauenfeld die Eröffnung einer Strafuntersuchung ab. Es befand, sofern man die Wegnahme des Sattels als strafbares Verhalten betrachten würde, könnte es sich höchstens um einen geringfügigen Diebstahl nach Art. 172ter StGB mit einem Deliktsbetrag von unter Fr. 300.-- handeln. Weil damit die absolute Verjährungsfrist zwei Jahre betragen würde, wäre dieser Tatbestand verjährt. 
Das Bezirksamt begründet den Verzicht auf eine Strafuntersuchung überdies mit Hinweis auf § 20 Ziff. 5 der Strafprozessordnung des Kantons Thurgau (im Folgenden: StPO), wonach auf die Strafverfolgung oder Beurteilung verzichtet werden kann, wenn der Täter mehrere Delikte von unterschiedlicher Bedeutung begangen hat und die Strafverfolgung und Beurteilung mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse auf jene Delikte beschränkt werden kann, die als eigentliche Haupttaten erscheinen; die übrigen Straftaten gelten dabei als mitbeurteilt. Das Bezirksamt legt dar, gegen Y.________ werde ein Strafverfahren wegen Gehilfenschaft zur Urkundenfälschung geführt. Die behauptete Wegnahme des Sattels sei von derart geringer Bedeutung, dass es sich rechtfertige, die Strafverfolgung auf jene Delikte zu beschränken, die als Haupttaten erscheinen würden. 
 
Die von X.________ gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau am 9. August 2000 ab, soweit sie darauf eintrat. 
 
Die von X.________ dagegen eingereichte Beschwerde wies die Anklagekammer des Kantons Thurgau am 14. November 2000 ab, soweit sie darauf eintrat. 
 
B.- X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Beschluss der Anklagekammer aufzuheben; es sei festzustellen, dass das Bezirksamt vorsätzlich auf rechtswidrige Art und Weise die Behandlung des angezeigten Diebstahls hinausgezögert und schliesslich wegen behaupteter absoluter Verfolgungsverjährung (aufgrund eines willkürlich angenommenen Deliktsbetrages) nicht an die Hand genommen habe; es sei zudem festzustellen, dass in den kantonalen Entscheiden wider besseres Wissen mittels rechtsverdreherischer Auslegung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und der Thurgauer Strafprozessordnung argumentiert worden sei. 
 
C.- Das Bezirksamt hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Die Staatsanwaltschaft und die Anklagekammer haben sich vernehmen lassen jeweils mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Der Beschwerdeführer ersucht das Bundesgericht mit Schreiben vom 11. Juni 2001 (act. 14) gestützt auf Art. 93 Abs. 2 und 3 OG um Ansetzung einer Frist zur Ergänzung der Beschwerde bzw. um einen weiteren Schriftenwechsel. Er begründet dies damit, die Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft enthalte Unwahrheiten und zudem Entscheidungsgründe, die ihm bisher nicht bekannt gegeben worden seien. 
 
Sind die Entscheidungsgründe erst in der Vernehmlassung der Behörde enthalten, so kann dem Beschwerdeführer eine Frist zur Ergänzung der Beschwerde angesetzt werden (Art. 93 Abs. 2 OG). Ein weiterer Schriftenwechsel findet nur ausnahmsweise statt (Art. 93 Abs. 3 OG). 
 
Die Behörde im Sinne von Art. 93 Abs. 2 OG ist jene, die den angefochtenen Entscheid gefällt hat (vgl. Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 
2. Aufl. , Bern 1994, S. 376). Das ergibt sich aus der Gesetzessystematik. Art. 93 Abs. 2 OG nimmt inhaltlich Bezug auf Art. 93 Abs. 1 OG, welcher von der Behörde spricht, von welcher der angefochtene Entscheid oder Erlass ausgegangen ist. Im Übrigen kann nur die Behörde, die den angefochtenen Entscheid gefällt hat, sich nachträglich auf neue Entscheidungsgründe berufen, nicht aber die Gegenpartei oder allfällige weitere Beteiligte. 
 
Die Anklagekammer hat in ihrer Vernehmlassung unstreitig keine Entscheidungsgründe neu vorgebracht. Das Gesuch um Ansetzung einer Frist zur Ergänzung der Beschwerde nach Art. 93 Abs. 2 OG entbehrt daher der Grundlage. 
 
Gemäss Art. 93 Abs. 3 OG findet ein weiterer Schriftenwechsel nur ausnahmsweise statt. Eine Ausnahme ist geboten, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse durch die Beschwerdeschrift und die Vernehmlassungen nicht genügend abgeklärt sind (BGE 90 I 8 E. 1). Das ist hier nicht der Fall. Die Sache ist spruchreif. Ein weiterer Schriftenwechsel rechtfertigt sich nicht. 
 
2.- a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 124 I 327 E. 4 mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
 
b) Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde ist der Beschluss der Anklagekammer. Soweit der Beschwerdeführer Ausführungen macht, die damit in keinem Zusammenhang stehen, ist er ebenfalls nicht zu hören. 
 
c) Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 125 I 492 E. 1b mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hat zu erklären, welches verfassungsmässige Individualrecht seiner Ansicht nach verletzt worden sein soll. Wirft er der kantonalen Behörde zum Beispiel vor, sie habe mit der vorgenommenen Anwendung des kantonalen Rechts Art. 9 BV verletzt, so genügt es noch nicht, wenn er einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich; bei der Rechtsanwendungsrüge hat der Beschwerdeführer vielmehr die Rechtsnorm, die qualifiziert unrichtig angewandt bzw. 
nicht angewandt worden sein soll, zu bezeichnen und anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen zu zeigen, inwiefern der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem und offensichtlichem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 110 Ia 1 E. 2a). 
 
d) Der Beschwerdeführer verweist auf verschiedene Bestimmungen der StPO und macht sinngemäss deren Verletzung geltend. 
 
Darauf ist nicht einzutreten. Die Verletzung kantonalen Rechts kann mit staatsrechtlicher Beschwerde nicht gerügt werden. Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann der Bürger die Verletzung seiner verfassungsmässigen Rechte geltend machen (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Der Beschwerdeführer hätte somit vorbringen können, die Anklagekammer habe Bestimmungen der StPO willkürlich angewandt und damit Art. 9 BV verletzt. Das legt er jedoch nicht dar. 
 
e) Soweit der Beschwerdeführer die fehlerhafte Anwendung des Schweizerischen Strafgesetzbuches geltend macht, ist er ebenfalls nicht zu hören. Insoweit wäre die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegeben gewesen (Art. 269 Abs. 1 BStP). Die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde scheidet deshalb aus (Art. 84 Abs. 2 OG). 
 
f) Der Beschwerdeführer macht einzig auf S. 6 der Beschwerde eine Verletzung seiner verfassungsmässigen Rechte geltend. Er bringt vor, die Polizei und das Bezirksamt seien willkürlich von einem Deliktsbetrag von "ca. Fr. 300.--, ca. 
Fr. 250.--, unter Fr. 300.--" ausgegangen. 
 
Die Anklagekammer (S. 6 f.) hat sich einlässlich mit dem Deliktsbetrag befasst. Sie legt dar, der Sattel habe nach Angaben der Beschwerdegegnerin einen Wert von rund Fr. 250.--. Anlässlich der Strafanzeige habe der Beschwerdeführer einen Strafantrag wegen eines "geringfügigen Vermögensdelikts" unterzeichnet. Dem Polizeirapport sei zu entnehmen, dass es sich beim Deliktsgut um einen Sattel mit einem Wert von "ca. Fr. 300.--" handle. Daraus, dass der Polizeibeamte im Rapport diesen Wert angegeben und ausserdem das in der Folge vom Beschwerdeführer unterzeichnete Strafantragsformular mit "geringfügiges Vermögensdelikt" beschriftet habe, sei zu schliessen, dass sich der Beschwerdeführer bei der Anzeigeerstattung dahin geäussert habe, der Wert des Sattels beschränke sich auf ca. Fr. 300.--. 
 
Mit dieser Begründung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Er legt nicht dar, inwiefern ausgehend von den von der Anklagekammer geschilderten Umständen die Annahme eines Deliktsbetrages von jedenfalls nicht mehr als ca. Fr. 300.-- schlechterdings unhaltbar sein soll. Auch insoweit kann daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
 
Ob die Anklagekammer bei der gegebenen Sachlage auf eine Übertretung nach Art. 172ter StGB mit einer absoluten Verjährungsfrist von zwei Jahren schliessen durfte, ist eine Frage des Bundesrechts, die im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht zur Diskussion gestellt werden kann. 
 
g) Zum Vorwurf, die kantonalen Behörden hätten das Verfahren absichtlich verzögert, um die Verjährung eintreten zu lassen, hat sich die Anklagekammer (S. 9 f.) ebenfalls eingehend geäussert. Der Beschwerdeführer sagt nicht, inwiefern die Anklagekammer insoweit seine verfassungsmässigen Rechte verletzt haben soll. 
 
3.- Auf die Beschwerde kann danach nicht eingetreten werden. 
 
Der Beschwerdeführer (act. 10) hat das Bundesgericht um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. 
Er hat nach erstreckter Frist den verlangten Kostenvorschuss von Fr. 2'000.-- jedoch bezahlt. Damit ist von einem Rückzug des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege auszugehen. 
Es hätte im Übrigen nicht bewilligt werden können, da der Beschwerdeführer seine Bedürftigkeit nicht belegt hat und die Beschwerde überdies aussichtslos war (Art. 152 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtsgebühr (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Das Gesuch um Ansetzung einer Frist zur Ergänzung der staatsrechtlichen Beschwerde und um einen weiteren Schriftenwechsel wird abgewiesen. 
 
2.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bezirksamt Frauenfeld sowie der Staatsanwaltschaft und der Anklagekammer des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 20. August 2001 
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: