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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.264/2004 /lma 
 
Urteil vom 20. Oktober 2004 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Parteien 
A.________ & B.________, 
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch 
Rechtsanwalt Dr. Max Walter, 
 
gegen 
 
C.________, 
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch 
Rechtsanwalt Dr. Franz Breitenmoser. 
 
Gegenstand 
Kaufzusage; Honorar, 
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 28. Mai 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
C.________ (Kläger) war als Architekt tätig. Die Kollektivgesellschaft A.________ & B.________ (Beklagte) betätigt sich als Generalunternehmerin. Gesellschafter sind A.________ und B.________. Der Kläger hatte ursprünglich die Absicht, von der Erbengemeinschaft D.________ eine Liegenschaft in X.________ zu kaufen, darauf ein Mehrfamilienhaus zu erstellen und die einzelnen Wohneinheiten als Eigentumswohnungen zu verkaufen. Die baurechtliche Bewilligung wurde ihm aufgrund des von ihm ausgearbeiteten Projekts am 11. Juli 1995 erteilt. Als die Finanzierung des Projekts scheiterte, bot sich die Beklagte als Partnerin an. 
 
Am 20. Dezember 1995 hielt die Beklagte ihre Position gegenüber dem Kläger in einem von A.________ unterzeichneten Schreiben fest, das der Kläger unter dem gleichen Datum gegenzeichnete. Diese Vereinbarung sollte alle gegenseitigen Ansprüche definitiv regeln (vgl. Ziffer 11 der Vereinbarung). Beigelegt war dem Schreiben eine von A.________ sowie vom Kläger unterzeichnete "Kaufzusage". Danach kaufte der Kläger von A.________ die Stockwerkeigentümereinheit H des zu erstellenden Wohnhauses. Ebenfalls am 20. Dezember 1995 erwarben A.________, B.________ und drei weitere Käufer die besagte Liegenschaft von der Erbengemeinschaft D.________, und es wurde Stockwerkeigentum begründet. In der Folge erstellte die Beklagte das Mehrfamilienhaus. Die Eigentumswohnungen wurden mit Ausnahme der Wohnung H bis Juni 1997 verkauft. Die Verhandlungen des Klägers mit A.________ über den Verkauf der Wohnung H scheiterten. Sie steht noch immer im Eigentum von A.________ und wird vom Mitgesellschafter B.________ bewohnt. 
B. 
Mit Eingabe vom 4. November 1997 beantragte der Kläger dem Bezirksgericht Meilen, die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger den Betrag von Fr. 333'942.-- nebst Zins zu 5 % seit 1. Mai 1997 zu bezahlen. Er machte damit verschiedene Ansprüche aus der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 geltend. Mit Urteil vom 24. Dezember 2002 wies das Bezirksgericht Meilen die Klage ab. 
 
Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung, die das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, am 28. Mai 2004 teilweise guthiess. Es verpflichtete die Beklagte, dem Kläger Fr. 133'372.-- nebst Zins zu 5 % ab 2. Mai 1997 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wies es die Klage ab. 
C. 
Die Beklagte führt gegen das Urteil des Obergerichts eidgenössische Berufung mit dem Antrag, dieses sei aufzuheben, und die Klage sei vollumfänglich abzuweisen. 
 
Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung und ersucht um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz sprach dem Kläger gestützt auf die Vereinbarung der Parteien vom 20. Dezember 1995 in teilweiser Gutheissung der Klage einen Honoraranteil von Fr. 65'772.-- sowie einen Provisionsanteil von Fr. 74'000.-- zu. Davon zog sie unter dem Titel Minderung Fr. 6'400.-- ab. Die Beklagte bestreitet ihre Leistungspflicht, weil der Kauf der Wohnung H durch den Kläger nicht zustande kam. 
2. 
Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1 OR). Wenn dieser unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (BGE 130 III 66 E. 3.2; 129 III 118 E. 2.5; 128 III 265 E. 3a; 127 III 444 E. 1b). Dabei hat der Richter zu berücksichtigen, was sachgerecht ist, weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine unangemessene Lösung gewollt haben (BGE 122 III 420 E. 3a S. 424). 
 
Die Vertragsauslegung nach dem Vertrauensprinzip stellt eine Rechtsfrage dar, die das Bundesgericht im Berufungsverfahren überprüfen kann, wobei es an die Feststellungen der Vorinstanz über die äusseren Umstände gebunden ist (vgl. BGE 129 III 702 E. 2.4 S. 707). 
3. 
3.1 Was die Honoraransprüche anbelangt, betrug das Honorar des Klägers für die Phase 1 nach Ziffer 3 Absatz 1 der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 Fr. 116'000.--. Davon sollten dem Kläger gemäss Ziffer 5 der Vereinbarung Fr. 37'120.-- (entsprechend dem Eigentumsanteil von A.________) und Fr. 28'652.-- (entsprechend dem Eigentumsanteil von B.________), total Fr. 65'772.--, gutgeschrieben werden. Die restlichen Fr. 50'228.-- wurden dem Kläger von den anderen drei Wohnungskäufern anlässlich der Beurkundung am 20. Dezember 1995 bezahlt. Die Fr. 65'772.-- sollten gemäss der "Kaufzusage" als Teil der Anzahlung für die Wohnung H dienen. Nach Ziffer 3 Absatz 2 der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 sollte das Honorar "bei der Eigentumsübertragung bezahlt resp. gegenseitig verrechnet" werden. Die Beklagte verweigert die Zahlung der Fr. 65'772.-- mit der Begründung, dass die Eigentumsübertragung an der Wohnung H nicht erfolgt sei, sodass der Kläger sein Honorar verloren bzw. verwirkt habe. 
3.2 Die Vorinstanz verwarf diesen Einwand. Sie erwog, die Kaufzusage sei nicht öffentlich beurkundet worden und somit zufolge Formungültigkeit nichtig. Damit und nach dem Scheitern der Verhandlungen über den Kauf der Wohnung H im April 1997 sei die Grundlage für die Verknüpfung der Ansprüche des Klägers aus der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 mit dem Wohnungskauf dahingefallen. Die unveränderte Erfüllung der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 sei damit beiden Parteien verwehrt gewesen, ohne dass die eine oder andere Partei dafür verantwortlich gemacht werden könne. Es könne offen bleiben, ob die Realisierung des Kaufvertrages unabdingbare Grundlage der Vereinbarung gewesen oder ob darin lediglich eine Zahlungsmodalität zu sehen sei. Die Vereinbarung lasse sich als Ganzes jedenfalls nur so verstehen, dass die Beklagte das vom Kläger ausgearbeitete Bauprojekt gegen Entschädigung der Arbeit des Klägers habe übernehmen sollen. Da die Beklagte ungeachtet der Nichtrealisierung der "Kaufzusage" selber an der Vereinbarung festgehalten habe, indem sie das Projekt in die Tat umgesetzt habe, könne sie die versprochene Honorarleistung nicht verweigern. Dies widerspreche Treu und Glauben. 
3.3 Die Beklagte wendet ein, aus der Formungültigkeit der Kaufzusage als Grunderwerbstitel werde zu Unrecht auf Unbeachtlichkeit der gesamten Kaufzusage geschlossen. Die Vorinstanz habe verkannt, dass der Abschluss des Kaufvertrages über die Wohnung H eine aufschiebende Bedingung für die Entstehung von Forderungen des Klägers gegenüber der Beklagten gewesen sei. Die Beklagte verweigere die Bezahlung des Architektenhonoraranteils nicht wider Treu und Glauben, sondern mangels Eintritts der aufschiebenden Bedingung. 
3.4 Ein Vertrag ist als bedingt anzusehen, wenn seine Verbindlichkeit vom Eintritt einer (zukünftigen) ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird (Art. 151 Abs. 1 OR; BGE 122 III 10 E. 4b). Bedingungen sind als rechtshindernde oder rechtsaufhebende Tatsachen vom Beklagten zu beweisen, der seine Leistungspflicht unter Berufung darauf bestreitet (Kummer, Berner Kommentar, N. 263a zu Art. 8 ZGB; Ehrat, Basler Kommentar, N. 14 zu Art. 151 OR; Merz, Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Schweizerisches Privatrecht, Band VI/1, S. 162; Gauch/ Schluep/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II., 8. Aufl., Zürich 2003, N. 4184; für Suspensivbedingungen a.M. von Tuhr/Escher, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Band II, Zürich 1974, S. 263 mit Hinweisen). 
3.5 Dies ist der Beklagten im vorliegenden Fall nicht gelungen. Es trifft zwar zu, dass die Formungültigkeit der Kaufzusage nicht zwingend auch bedeuten muss, dass die Parteien die Verbindlichkeit der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 nicht vom Abschluss des betreffenden Kaufvertrages über die Wohnung H als Suspensivbedingung hätten abhängig machen können. Allein, dass dies der Fall war und dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien entsprach, hat die hierfür beweispflichtige Beklagte nicht dargetan. Entsprechende Feststellungen fehlen im angefochtenen Urteil und die Beklagte erhebt insoweit keine substanziierte Sachverhaltsrüge nach Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG die dem Bundesgericht eine Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen des Sachgerichts erlauben würde (vgl. BGE 130 III 102 E. 2.2; 127 III 248 E. 2c; 125 III 193 E. 1e S. 205). Soweit die Beklagte sinngemäss geltend machen will, die Vorinstanz hätte bei objektivierter Vertragsauslegung auf die Stipulation einer solchen Suspensivbedingung schliessen müssen, vermag ihre Argumentation nicht zu überzeugen. Ihre Ausführungen erschöpfen sich insoweit im Wesentlichen in der Wiedergabe einzelner Bestimmungen der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 und der eigenen Interpretation derselben, ohne dass sie konkret dartut, inwiefern die Vorinstanz gegen bundesrechtliche Auslegungsregeln (vgl. Erwägung 2 vorne) verstossen hat. Eine Bundesrechtsverletzung ist nicht ersichtlich. 
3.6 Ist demnach davon auszugehen, dass die Parteien die Verbindlichkeit der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 nicht vom Abschluss eines Kaufvertrages über die Wohnung H als Suspensivbedingung abhängig gemacht haben, entbehrt die Argumentation der Beklagten, die auf der gegenteiligen Annahme basiert, der Grundlage. 
 
Auszugehen ist von der Feststellung der Vorinstanz, dass die Verhandlungen des Klägers mit A.________ über den Kauf der Wohnung H scheiterten. Die unveränderte Erfüllung der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 sei damit nicht mehr möglich gewesen, ohne dass eine der Parteien dafür verantwortlich wäre. Trotzdem haben die Parteien aber an der Verbindlichkeit der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 festgehalten, die nach unbestrittener und zutreffender Auslegung der Vorinstanz nur so verstanden werden kann, dass die Beklagte das vom Kläger ausgearbeitete Bauprojekt gegen Entschädigung übernehmen sollte. Die Beklagte hat das vom Kläger ausgearbeitete Bauprojekt realisiert, mithin ihre Ansprüche bezogen. Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz zu Recht geschlossen, dass die Beklagte auch die Gegenleistung, mithin das Honorar für die Architektenleistung des Klägers, bezahlen müsse. 
 
Da der Kaufvertrag über die Wohnung H nicht zustande kam, war zwar eine Verrechnung des Honorars bei der Eigentumsübertragung im Sinne von Ziffer 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 bzw. eine Gutschreibung im Sinne von Ziffer 5 derselben nicht möglich. Das konnte aber nicht zur Folge haben, dass der Kläger seinen Honoraranspruch verloren, diesen - wie die Beklagte meint - "verwirkt" hätte. Eine solche Folgerung findet in der Vereinbarung der Parteien keine Stütze. Sachgerecht ist vielmehr die Auslegung der Vorinstanz, dass die Beklagte die versprochene Honorarleistung nicht verweigern kann, nachdem sie ungeachtet der Nichtrealisierung der "Kaufzusage" selber an der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 festgehalten hat. 
4. 
Der zweite strittige Punkt betrifft die Provisionsansprüche des Klägers. Die Vorinstanz erwog, mit den Provisionen sollte der Kläger am Gewinn des Projekts partizipieren. Sie sprach ihm die Provision für den Teil 1 von Fr. 74'000.-- gemäss Ziffer 4 der Vereinbarung vom 20. Dezember 1995 zu, die dem Kläger für die bereits verkauften Wohnungen fest zugesagt worden sei. 
 
Die Beklagte wehrt sich auch dagegen einzig mit dem Einwand, dass der Erwerb der Wohnung H durch den Kläger für die Entstehung der Provisionsansprüche Bedingung gewesen sei. Dieser Standpunkt hat sich schon im Zusammenhang mit den Honoraransprüchen des Klägers als unbegründet erwiesen (Erwägung 3.5) und die Beklagte vermag damit auch im Zusammenhang mit den Provisionsansprüchen nicht durchzudringen. Soweit sich die Beklagte auf die Argumentation der Erstinstanz beruft, die eine Bedingung angenommen habe, erheischt dies bundesrechtlich keine andere Beurteilung. 
5. 
Die Berufung erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Beklagten aufzuerlegen, die zudem den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen hat (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Das Gesuch des Klägers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist angesichts des Verfahrensausgangs in Bezug auf die Prozesschancen begründet. Die Bedürftigkeit des Klägers ist aufgrund der eingereichten Unterlagen zu bejahen und die Komplexität des Verfahrens lässt den Beizug eines Rechtsanwalts als gerechtfertigt erscheinen. Dem Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ist daher nach Art. 152 Abs. 1 und 2 OG zu entsprechen. Angesichts des Verfahrensausgangs hat dies zur Folge, dass dem Rechtsvertreter des Klägers das Honorar für den Fall der Uneinbringlichkeit zu garantieren ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Beklagten auferlegt. 
3. 
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen. Für den Fall der Uneinbringlichkeit wird dieses Honorar dem Rechtsvertreter des Klägers zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege aus der Bundesgerichtskasse bezahlt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 20. Oktober 2004 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: