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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_248/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 20. November 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Denys, Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber Moses. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Edelmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Fahren ohne Berechtigung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. November 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 A.________ wohnt in Deutschland und ist als Lastwagenchauffeur in der Schweiz angestellt. Am 13. Juli 2012 lenkte er einen in der Schweiz immatrikulierten Lastwagen. Anlässlich einer Polizeikontrolle wies er einen schweizerischen Führerausweis vor, auf welchem der Code 111 ("Der ausländische Führerausweis muss mitgeführt werden") vermerkt war. Der in Deutschland ausgestellte Führerausweis war für die Kategorie C am 5. Juni 2012 abgelaufen. 
 
B.  
 
 Das Obergericht des Kantons Thurgau erklärte A.________ am 18. November 2013 zweitinstanzlich des Fahrens ohne Berechtigung schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von fünf Tagessätzen zu Fr. 110.-- und einer Busse von Fr. 200.--. 
 
C.  
 
 A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. 
 
D.  
 
 Das Obergericht des Kantons Thurgau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Vorinstanz erwägt, der schweizerische Führerausweis habe bei Fahrzeuglenkern mit Wohnsitz im Ausland keine eigenständige Bedeutung und stelle nur eine "Berechtigung" für berufsmässige Fahrzeugführer in der Schweiz dar. Für die "grundsätzliche Fahrberechtigung" sei ausschliesslich der ausländische Führerausweis massgebend. Aus diesem Grunde sei im schweizerischen Führerausweis der Code 111 vermerkt. Der deutsche Führerausweis des Beschwerdeführers sei zum Zeitpunkt der Kontrolle abgelaufen gewesen, weshalb Letzterer sich des Fahrens ohne Berechtigung im Sinne von Art. 95 Abs. 1 lit. a SVG schuldig gemacht habe.  
 
 Der Beschwerdeführer rügt, der in der Schweiz ausgestellte Führerausweis habe eigenständige Gültigkeit. 
 
1.2. Nach Art. 42 Abs. 1 lit. a VZV dürfen Motorfahrzeugführer aus dem Ausland in der Schweiz Motorfahrzeuge führen, wenn sie einen gültigen nationalen Führerausweis besitzen. Einen schweizerischen Führerausweis benötigen - nebst Fahrzeugführern, die seit zwölf Monaten in der Schweiz wohnen (Art. 42 Abs. 3bis lit. a VZV) - Personen, die berufsmässig in der Schweiz immatrikulierte Motorfahrzeuge der Kategorien C oder D oder der Unterkategorien C1 oder D1 führen (Art. 42 Abs. 3bis lit. b VZV). Art. 44 VZV regelt die Voraussetzungen, unter welchen Inhaber eines gültigen ausländischen Ausweises einen schweizerischen Führerausweis erhalten können. Einen solchen können Personen erwerben, die in der Schweiz Wohnsitz haben, sich hier aufhalten oder berufsmässig in der Schweiz immatrikulierte Fahrzeuge führen wollen (Art. 5a Abs. 1 VZV). Den erwähnten Bestimmungen ist nicht zu entnehmen, dass der aufgrund von Art. 42 Abs. 3bis lit. b VZV von im Ausland wohnhaften Berufschauffeuren benötigte Führerausweis sich nach dessen Erteilung von einem gewöhnlichen, schweizerischen Führerausweis unterscheidet und von der Gültigkeit einer ausländischen Befähigung abhängen soll. Eine derartige Bindung würde zudem dem Zweck von Art. 42 Abs. 3bis lit. b VZV widersprechen. Dieser ist, dass Personen, welche berufsmässig in der Schweiz zugelassene Fahrzeuge bestimmter Kategorien fahren, unabhängig von ihrem Wohnsitz über einen Schweizer Führerausweis verfügen, und ein allfälliger ausländischer Ausweis in der Schweiz keine Gültigkeit hat.  
 
1.2.1. Die Vorinstanz erwägt, zur Erteilung des Führerausweises seien aufgrund des Wohnortes des Beschwerdeführers die Behörden der Bundesrepublik Deutschland zuständig. Dies ergebe sich aus Art. 41 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Strassenverkehr (SR 0.741.10). Zudem verweise der Code 111 als Nebenbestimmung auf den mitzuführenden ausländischen Führerausweis als Grundqualifikation. Der Code 111 sei eine Nebenbestimmung, ohne welche der Beschwerdeführer in der Schweiz keinen Führerausweis erhalten hätte, weshalb sie auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage zulässig sei. Gegen eine eigenständige Bedeutung des schweizerischen Führerausweises spreche auch, dass im ausländischen Ausweis nicht die Ungültigkeit in der Schweiz vermerkt und dieser nicht an die Ausstellungsbehörde zurückgesandt worden sei (Urteil, S. 7 f.).  
 
1.2.2. Die Erwägungen der Vorinstanz sind unzutreffend. Art. 41 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Strassenverkehr regelt, unter welchen Voraussetzungen ausländische Führerausweise zu anerkennen sind (vgl. Ziff. 2 und 6). Diese Bestimmung hindert die Vertragsstaaten nicht, Führerausweise an Personen mit Wohnsitz in einem anderen Vertragsstaat zu erteilen. Art. 5a Abs. 1 VZV ermöglicht dies ausdrücklich im Falle von Personen, die in der Schweiz immatrikulierte Fahrzeuge berufsmässig führen wollen. Aus welchem Grund der Beschwerdeführer ohne die Nebenbestimmung des Codes 111 den schweizerischen Führerausweis nicht hätte erhalten können, ist nicht ersichtlich. Ohne Belang ist der Umstand, dass der ausländische Ausweis nicht an die Ausstellungsbehörde zurückgesandt wurde und kein Vermerk erfolgte. Art. 44 Abs. 4 VZV schreibt vor, dass bei Erteilung eines schweizerischen Führerausweises die Behörden Ausweise, die von EU- oder EFTA-Staaten ausgestellt worden sind, einziehen und an die Ausstellungsbehörde zurücksenden. In Ausweisen anderer Staaten ist die Ungültigkeit in der Schweiz zu vermerken. Die Einziehung des ausländischen Ausweises ist eine Folge der Erteilung eines schweizerischen Führerausweises, nicht eine Voraussetzung dafür. Der Vermerk der Ungültigkeit in der Schweiz ist für Ausweise aus EU- und EFTA-Staaten nicht vorgesehen. Aus der Auflage "der ausländische Führerausweis muss mitgeführt werden" (Code 111) kann nicht gefolgert werden, dass der schweizerische Führerausweis nur in Kombination mit einer ausländischen Befähigung gültig ist.  
 
2.  
 
 Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Thurgau hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
 
 Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. November 2013 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
 
 Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
 
 Der Kanton Thurgau hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
 
 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. November 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Moses