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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_541/2017  
 
 
Urteil vom 20. Dezember 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Bianchi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf W. Rempfler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (Verleumdung usw.), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 27. März 2017 (UE160305-O/U/HON). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ erhob am 23. Juni 2016 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat gegen namentlich nicht bekannte Journalisten der B.________ wegen Verleumdung, eventualiter wegen übler Nachrede. Im Rahmen der Strafanzeige machte A.________ eine Genugtuung von Fr. 1'000.-- geltend. A.________ wirft der unbekannten Täterschaft zusammengefasst vor, die am 20. Juni 2016 auf dem B.________-Onlineportal publizierte Meldung "Radiobeitrag verstösst gegen Gebot der Sachgerechtigkeit" unter dem Titel "Mehr zum Thema" mit einem Artikel vom 26. Januar 2001 ("Erneutes Strafverfahren gegen A.________") sowie einem Artikel vom 8. Dezember 2001 ("Neun Monate Gefängnis für Tierschützer A.________") verlinkt zu haben. Dadurch sei trotz der später erfolgten Aufhebung der Verurteilung der Eindruck entstanden, er habe die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen. 
 
B.  
Die Staatsanwaltschaft nahm die Untersuchung mit Verfügung vom 25. Oktober 2016 nicht an die Hand. Die dagegen gerichtete Beschwerde von A.________ wies das Obergericht des Kantons Zürich am 27. März 2017 ab. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache an die Staatsanwaltschaft zur Eröffnung einer Strafuntersuchung zurückzuweisen. 
 
D.  
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG hat die Privatklägerschaft ein rechtlich geschütztes Interesse, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. In erster Linie geht es um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen. Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden Zivilansprüche angemeldet. Selbst wenn sie bereits adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche angemeldet hat, werden in der Einstellungsverfügung keine Zivilklagen behandelt (Art. 320 Abs. 3 StPO). In jedem Fall muss die Privatklägerschaft im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderung es geht (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f. mit Hinweisen; Urteil 6B_43/2017 vom 23. Juni 2017 E.1.1).  
 
1.2. Geschütztes Rechtsgut von Art. 173 f. StGB ist die Ehre. Die widerrechtliche Verletzung der Persönlichkeit kann einen Anspruch auf Genugtuung und damit einen Zivilanspruch im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG begründen. Nach Art. 49 OR ist eine Genugtuung jedoch nur geschuldet, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt. Der Eingriff muss aussergewöhnlich schwer sein und in seinen Auswirkungen das Mass einer Aufregung oder einer alltäglichen Sorge klar übersteigen (Urteil 6B_94/2013 vom 3. Oktober 2013 E. 1.1 mit Hinweis). Leichte Persönlichkeitsverletzungen, wie beispielsweise unbedeutende Ehrverletzungen, rechtfertigen keine finanzielle Genugtuung. Inwiefern die Persönlichkeitsverletzung objektiv und subjektiv schwer wiegt, ist in der Beschwerde an das Bundesgericht darzulegen (vgl. BGE 129 III 715 E. 4.4 S. 725; Urteil 6B_43/2017 vom 23. Juni 2017 E.1.2).  
 
1.3. Der Beschwerdeführer hat sich im kantonalen Verfahren als Privatkläger konstituiert und adhäsionsweise eine Genugtuung von Fr. 1'000.-- gefordert. Aufgrund des auf dem B.________-Onlineportal platzierten Vorwurfs des strafbaren Verhaltens und gestützt auf die Vorbringen des Beschwerdeführers zur Schwere der vorgeworfenen Persönlichkeitsverletzung ist auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Anwendung von Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO und des Grundsatzes "in dubio pro duriore" sowie Art. 173 f. StGB.  
 
2.2. Die Staatsanwaltschaft verfügt nach Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt sind. Eine Nichtanhandnahme darf nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen. Es muss sicher feststehen, dass der Sachverhalt unter keinen Straftatbestand fällt. Im Zweifelsfall ist eine Untersuchung zu eröffnen (BGE 137 IV 285 E. 2.3 S. 287 f. mit Hinweisen; Urteil 6B_897/2015 vom 7. März 2016 E. 2.1).  
Nach der Rechtsprechung richtet sich der Entscheid über die Anhandnahme oder Einstellung eines Strafverfahrens nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore". Dieser fliesst aus dem Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; BGE 138 IV 86 E. 4.2 S. 91 f.). Er bedeutet, dass eine Einstellung - oder Nichtanhandnahme - durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden darf. Bei der Beurteilung dieser Frage verfügen die Staatsanwaltschaft und die bundesgerichtlichen Vorinstanzen über einen gewissen Spielraum, den das Bundesgericht mit Zurückhaltung überprüft. Hingegen ist (sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt) Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch (BGE 138 IV 86 E. 4.1.1 S. 90 f.; 137 IV 219 E. 7.1-7.2 S. 226 f.). 
 
2.3. Die Vorinstanz erwägt, es sei für den Durchschnittsleser der Meldung vom 20. Juni 2016 klar ersichtlich, dass es sich bei den verlinkten Artikeln um Meldungen aus dem Jahr 2001 und damit um nicht aktuelle und möglicherweise überholte Informationen handle. Selbst ohne Lektüre der verlinkten Artikel sei deutlich erkennbar, dass es in diesen Berichten um eine Eröffnung des Verfahrens bzw. eine erstinstanzliche Verurteilung gehe. Dass das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig sei, werde weder behauptet noch suggeriert. Beim Öffnen des Links zum Artikel vom 8. Dezember 2001 sei bereits aus dem Ingress des Artikels hervorgegangen, dass gegen die erstinstanzliche Verurteilung Berufung erhoben werde. Da es bei allen drei Artikeln um die Berichterstattung über Verfahren gehe, in denen der Beschwerdeführer in seiner Mission als Tier- und Konsumentenschützer Partei gewesen sei, bestehe ein Zusammenhang zwischen den verlinkten Artikeln und der Meldung vom 20. Juni 2016. Zusammenfassend ergebe sich, dass der zur Anzeige gebrachte Sachverhalt unter keinen Straftatbestand falle, womit sich Ausführungen zum Wahrheits- oder Gutglaubensbeweis erübrigten.  
 
2.4. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, dass die Verlinkung des Berichts vom 20. Juni 2016 mit den zwei genannten Artikeln zumindest einen Tatverdacht auf Vorliegen einer Ehrverletzung begründet. Der angezeigte Sachverhalt erwecke den Anschein, der Beschwerdeführer sei rechtskräftig für die ihm vorgeworfene Straftat verurteilt worden. Auf der Webseite der B.________ seien weitere 119 Meldungen ihn betreffend zur Verfügung gestanden, welche insbesondere aktueller seien. Der Durchschnittsleser habe davon ausgehen dürfen, dass das im Artikel vom 8. Dezember 2001 erwähnte Urteil ein "Schlussurteil" gewesen bzw. dieses Urteil in einem späteren Verfahren bestätigt worden sei.  
 
2.5. Der Vorwurf, eine strafbare Handlung begangen zu haben, ist geeignet im Sinne von Art. 173 und 174 StGB, den Ruf zu schädigen (BGE 132 IV 112 E. 2.2 S. 115).  
Die Strafbarkeit von Äusserungen beurteilt sich nach dem Sinn, den der unbefangene Durchschnittsadressat diesen unter den jeweiligen konkreten Umständen gibt. Handelt es sich um einen Text, so ist dieser nicht allein anhand der verwendeten Ausdrücke - je für sich allein genommen - zu würdigen, sondern auch nach dem Sinn, der sich aus dem Text als Ganzes ergibt (BGE 140 IV 67 E. 2.1.2 S. 69; 131 IV 23 E. 2.1 S. 26). Die Bestimmung des Inhalts einer Äusserung ist Tatfrage; die Ermittlung des Sinns, den ihr ein unbefangener Durchschnittsadressat beilegt, ist Rechtsfrage (BGE 131 IV 23 E. 2.1 S. 26). Das Bundesgericht prüft Tatfragen unter Willkürgesichtspunkten und Rechtsfragen frei, sofern bundesrechtskonform gerügt (Urteil 6B_318/2016 vom 13. Oktober 2016 E.3). 
 
2.6. Zu prüfen ist, welchen Sinn der unbefangene Durchschnittsadressat der angezeigten Berichterstattung als Ganzes entnimmt. Die Darstellung von Teilwahrheiten resp. der Verzicht auf im Kontext wesentliche Tatsachen kann geeignet sein, beim Durchschnittsleser bestimmte ehrverletzende Schlussfolgerungen hervorzurufen.  
Im Kontext eines Strafverfahrens ist die rechtskräftige Beurteilung der Straftat als wesentlicher Umstand zu qualifizieren. Wenn eine namentlich genannte beschuldigte Person am Ende freigesprochen wird, ist es im Sinne einer ausgewogenen und umfassenden Berichterstattung erforderlich, über einen ergangenen Freispruch zu informieren (Eliane Welte, Information der Öffentlichkeit über die Tätigkeit der Strafjustiz, 2016, S. 257 mit weiteren Hinweisen; Stellungnahme des Schweizer Presserates Nr. 25/2015, Feststellung 5). Die sich aus der Pressefreiheit mittelbar ergebende Wahrheitspflicht (vgl. BGE 107 Ia 304 E. 6b S. 315 f.) ist vorliegend zu berücksichtigen. 
Der Durchschnittsadressat entnimmt den Schlagzeilen der verlinkten Artikel, dass gegen den Beschwerdeführer ein Strafverfahren eröffnet und der Beschwerdeführer zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden ist. Der Umstand, dass die verlinkten Artikel aus dem Jahr 2001 stammen, vermag bei dem Durchschnittsadressaten die Annahme zu begründen, dass das Verfahren zwischenzeitlich abgeschlossen ist. 
Im Rahmen eines abgeschlossenen Verfahrens besteht bei dem Durchschnittsadressaten in der Regel die Erwartungshaltung, über die rechtskräftige Beurteilung der Tat informiert zu werden. Die Darstellung als Ganzes vermag angesichts dieser Erwartungshaltung fälschlicherweise den Eindruck zu erwecken, dass der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden sei. 
Sollte der Durchschnittsadressat auf den Link zum Artikel vom 8. Dezember 2001 klicken, liest er, dass der Beschwerdeführer angekündigt hatte, das Urteil anzufechten. Dieser Hinweis genügt nicht, um den fälschlicherweise erweckten Eindruck richtig zu stellen. Der Umstand, dass trotz angekündigter Anfechtung die über fünfzehn Jahre zurückliegende erstinstanzliche Verurteilung thematisiert wird, suggeriert dem Durchschnittsadressaten vielmehr, dass dieser Verurteilung noch Relevanz zukommt. Letztlich in Erinnerung bleibt die Verurteilung zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe und damit der Vorwurf des strafbaren Verhaltens. 
Eine Nichtanhandnahme darf auch erfolgen, wenn offenkundig ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (Urteil 1B_158/2012 vom 15. Oktober 2012 E. 2.6). Dies ist hier nicht der Fall. Ein allfälliger Entlastungsbeweis i.S. von Art. 173 Ziff. 2 StGB wird im Rahmen der Strafuntersuchung zu prüfen sein. 
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz sowie zur Eröffnung einer Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat zurückzuweisen (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG). Dem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens entsprechend sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 27. März 2017 wird aufgehoben und die Sache an das Obergericht zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen sowie an die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat zur Eröffnung einer Untersuchung zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, und der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. Dezember 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bianchi