Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_622/2010 
 
Urteil vom 21. Februar 2011 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichter Corboz, 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Kolly, 
Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Stalder, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ausweisung; Kündigungsschutz, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 7. Oktober 2010. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Vertrag vom 8. Juli 2007 mietete Y.________ (Beschwerdegegnerin) von der X.________ AG (Beschwerdeführerin) eine 3- Zimmerwohnung. Der monatliche Mietzins betrug Fr. 1'340.--, per 1. Oktober 2008 erhöht auf Fr. 1'450.--. Der Mietvertrag war mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten je auf Ende März und Ende September kündbar. Am 30. Mai 2009 und am 1. Juni 2009 schlossen die Parteien zudem je einen Mietvertrag über die gegenüber dem Wohnhaus gelegenen Parkplätze Nr. 19 und Nr. 18 zu einem monatlichen Mietzins von je Fr. 50.--. Die Parkplätze waren mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist auf Ende März, Ende Juni und Ende September kündbar. 
 
B. 
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 mahnte die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin und deren Ehemann je separat unter Ansetzung einer 30-tägigen Zahlungsfrist gemäss Art. 257d OR zur Zahlung der ausstehenden Mietzinse für die Monate Juli bis Dezember 2009 von monatlich Fr. 100.--. Nachdem Zahlungen ausgeblieben waren, kündigte die Beschwerdeführerin sowohl die Wohnung als auch die beiden Parkplätze am 28. Januar 2010 auf den 28. Februar 2010, wobei sie für jedes der drei Mietobjekte ein Formular gemäss Art. 266l Abs. 2 OR / Art. 298 OR verwendete. 
 
C. 
Beide Parteien gelangten an das Bezirksgericht Dielsdorf, die Beschwerdegegnerin, um die Kündigung anzufechten, die Beschwerdeführerin, um die Ausweisung zu erwirken. Mit Verfügung vom 18. August 2010 befahl der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Dielsdorf der Beschwerdegegnerin unter Androhung von Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall, die Parkplätze Nr. 18 und Nr. 19 unverzüglich zu räumen und der Beschwerdeführerin ordnungsgemäss zu übergeben. Das Begehren um Ausweisung der Beschwerdegegnerin aus der 3-Zimmerwohnung wies der Einzelrichter ab, und den Antrag der Beschwerdegegnerin um Kündigungsschutz schrieb er als gegenstandslos geworden ab. Gegen die Abweisung des Ausweisungsbegehrens und die Abschreibung der Kündigungsanfechtung rekurrierte die Beschwerdeführerin an das Obergericht des Kantons Zürich, welches den Rekurs am 7. Oktober 2010 abwies und die Verfügung des Einzelrichters vom 18. August 2010 bestätigte. 
 
D. 
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der Beschwerdegegnerin unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall zu befehlen, die Wohnung samt dazugehörendem Kellerabteil umgehend zu räumen und ordnungsgemäss gereinigt an die Beschwerdeführerin zu übergeben. Die Beschwerdegegnerin hat sich nicht vernehmen lassen, während die Vorinstanz auf Vernehmlassung verzichtet hat. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Vorinstanz hielt fest, ein Mietzinsrückstand habe einzig bezüglich der Parkplätze, nicht aber bezüglich der Wohnung bestanden, was die Beschwerdeführerin nicht beanstandet. Sie vertritt jedoch wie bereits im kantonalen Verfahren den Standpunkt, dieser Rückstand habe sie berechtigt, nach unbenütztem Ablauf einer angesetzten Zahlungsfrist gestützt auf Art. 257d OR auch die Wohnung zu kündigen. 
 
1.1 Die Vorinstanz erwog, dies wäre dann der Fall, wenn über die Wohnung und die Parkplätze ein einheitliches Mietverhältnis zustande gekommen wäre, dessen einzelne Teile, die Wohnung und die beiden Parkplätze, nicht isoliert hätten gekündigt werden können. Ob von einem einheitlichen Mietverhältnis auszugehen sei, bestimme sich in Auslegung der Verträge, primär also nach dem Willen der Vertragsparteien (Art. 18 Abs. 1 OR). Diese hätten diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung getroffen. Die Vorinstanz legte daher die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen normativ aus und berücksichtigte dabei, dass die Parteien die Überlassung zum Gebrauch dreier Objekte zu drei verschiedenen Zeitpunkten vereinbart hätten, wobei jede Vertragsurkunde für jedes einzelne Objekt einen umfassenden Mietvertrag enthalte, ohne dass für einzelne Punkte auf einen anderen Vertrag verwiesen würde. Die Beschwerdeführerin habe denn auch jedes Objekt mittels eines eigenen amtlichen Formulars gekündigt. Die für die Parkplätze vereinbarten Kündigungsfristen entsprächen den Mustermietverträgen diverser Hauseigentümerverbände, offenbar auch des zürcherischen. Im Unterschied zum Mietvertrag über die Wohnung sähen die Parkplatzmietverträge einen dritten Kündigungstermin Ende Juni vor, was eine flexiblere Kündbarkeit bedeute. Auch wenn zwischen der gemieteten Wohnung und den gemieteten Parkplätzen ein funktioneller Zusammenhang bestehe, weil die Beschwerdegegnerin die Parkplätze wohl im Hinblick auf ihren Wohnort gemietet habe, verbiete sich unter den gegebenen Umständen die Annahme eines einheitlichen Mietverhältnisses, sei doch denkbar, dass beide Parteien an einer separaten Kündigung der Parkplätze interessiert gewesen sein könnten. 
 
1.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie erhebe keine Sachverhaltsrügen. Dennoch rügt sie, die Vorinstanz habe ihre Behauptung ausser Acht gelassen, die Beschwerdegegnerin sei selbst von einer gegenseitigen Abhängigkeit des Mietvertrages über die Wohnung und derjenigen über die Parkplätze ausgegangen. Damit thematisiert sie richtig besehen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Diese Rüge hätte sie mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde dem Kassationsgericht unterbreiten können, weshalb vor Bundesgericht mangels Ausschöpfung des Instanzenzuges nicht darauf einzutreten ist (BGE 134 III 524 E. 1.3 S. 527 mit Hinweisen). Eine Ergänzung des Sachverhalts durch das Bundesgericht setzt zudem voraus, dass derjenige, der die Ergänzung nach Art. 97 BGG beantragt, mit Aktenhinweisen darlegt, dass er entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen genannt hat (Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4339 Ziff. 4.1.4.3 zu Art. 93 E-BGG; vgl. auch BGE 115 II 484 E. 2a S. 485 f.) oder inwiefern erst der angefochtene Entscheid zu deren Vorbringen Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 134 V 223 E. 2.2.1 S. 226; 133 III 393 E. 3 S. 395). Dies zeigt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht auf. 
 
2. 
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, die Bedeutung des funktionellen Zusammenhangs zwischen Haupt- und Nebensache (der Wohnung und den Parkplätzen) verkannt und dadurch sowohl gegen Art. 253a OR als auch gegen die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 125 III 231) verstossen zu haben. Auf das zeitliche Auseinanderfallen der Abschlüsse der Verträge über Haupt- und Nebensache komme es nicht an, weshalb im Rahmen der Vertragsauslegung nicht darauf zurückgegriffen werden dürfe. 
 
2.1 In BGE 125 III 231 hatte das Bundesgericht die Gültigkeit der Kündigung von Autoeinstellplätzen zu beurteilen, die sich in unmittelbarer Nähe der Wohnräume befanden, welche die Parkplatzmieter vom gleichen Vermieter ebenfalls gemietet hatten. Der funktionelle Zusammenhang zwischen den Mietsachen war demnach gegeben. Dass die Verträge über die Einstellplätze später als jene über die Mietwohnungen abgeschlossen worden waren, erachtete das Bundesgericht für unerheblich. Es hielt dafür, die Autoabstellplätze seien dem Beklagten im Sinne von Art. 253a Abs. 1 OR mitvermietet (BGE 125 III 231 E. 2b S. 233 f.). Dennoch liess das Bundesgericht im Hinblick darauf, dass für die Haupt- und die Nebensache formell selbständige Verträge abgeschlossen worden waren, für die separat vermieteten Nebensachen die Kündigung mit amtlich genehmigtem Formular genügen, ohne dass es einer Mietvertragsänderung gemäss Art. 269d OR bedürfte. Dies wurde damit begründet, dass der Mieter, wenn die Vertragsänderung im Entzug einer Nebensache besteht, im Regelfall keiner weiteren Grundlagen für die Neuberechnung über die Aufteilung des bisherigen Entgelts auf die verbleibende Mietsache bedürfe. Der Mieter verfüge bereits aufgrund des Vertrages über die nötigen Informationen, welche ihm im Verfahren nach Art. 269d OR Abs. 2 bekannt gegeben werden müssten. Eine sachgerechte Anfechtung sei ihm daher möglich (BGE 125 III 231 E. 3e S. 237 f.). Das Bundesgericht mass mithin trotz funktional zusammengehöriger Mietobjekte dem Umstand, dass separate Verträge darüber abgeschlossen worden waren, Bedeutung bei und erkannte, dass dem bei einheitlicher Betrachtungsweise mit der Änderungskündigung verfolgten Schutzzweck im Ergebnis bereits Genüge getan war. Eine schematische Berücksichtigung des funktionalen Zusammenhangs ungeachtet des Schutzzwecks der einschlägigen Norm erschien als unangebracht. Insoweit kommt dem genannten Präjudiz allgemeine Tragweite zu. 
 
2.2 Zur Debatte steht die Gültigkeit einer ausserordentlichen Kündigung zufolge Zahlungsverzugs nach Art. 257d OR. Umstritten ist, ob die ausserordentliche Kündigung einer Wohnung wegen Zahlungsrückstandes hinsichtlich funktional zugehöriger, aber separat zugemieteter Parkplätze zulässig ist. Im Lichte dieser Konstellation ist die Frage zu beantworten, ob sämtliche separat abgeschlossenen Verträge über funktional zusammengehörende Mietobjekte einheitlicher Behandlung bedürfen oder ob sie sinnvollerweise einem isolierten Schicksal unterstellt werden müssen. Dies kann nicht losgelöst von der Interessenlage der Parteien geschehen. Haben die Parteien für Haupt- und Nebensachen je eigene, voneinander unabhängige Verträge abgeschlossen und wird der Mieter lediglich mit der Bezahlung des Mietzinses für eine Nebensache säumig, ist zu prüfen, ob die einzelnen Teile sinnvollerweise auch für sich selbst Bestand haben können, d. h. ob unter den gegebenen Umständen die betreffenden Mietobjekte auch unabhängig voneinander genutzt bzw. vermietet werden können. Handelt es sich beim Hauptmietvertrag um eine Wohn- oder Geschäftsmiete, darf nicht ausser Acht bleiben, dass der Mieter erhöhten Schutzes bedarf. Eine isolierte Betrachtung ist umso eher gerechtfertigt, wenn der Vermieter seinerseits grundsätzlich in der Lage ist, die Nebensache selbständig anderweitig zu vermieten, nachdem er das Mietverhältnis zufolge diesbezüglichen Zahlungsverzugs aufgelöst hat. Unter derartigen Umständen erscheint nicht sinnvoll, von der Interessenlage der Parteien abzusehen und einzig auf die funktionelle Beziehung zwischen den einzelnen Vertragsgegenständen abzustellen. Richtig ist zwar, dass gemäss bundesrätlicher Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts vom 27. März 1985 (BBl 1985 I 1421 f. Ziff. 421.101 zu Art. 253a OR), auf welche sich die Beschwerdeführerin stützt, die Bestimmungen über die Wohn- und Geschäftsräume auch für diejenigen Sachen gelten, die zusammen mit solchen Räumen vermietet werden (z. B. Zugehör, Garagen, Einstellplätze, Parkplätze im Freien, Möbel, Estrich- oder Kellerabteile, Mansarden, Bastelräume und Schaukasten) und dass nach der Botschaft nicht massgebend sein soll, ob ein besonderer Vertrag abgeschlossen wird oder nicht und ob dies gegebenenfalls gleichzeitig oder zu verschiedenen Zeitpunkten geschehen ist, sondern vielmehr, dass die Sachen vom Vermieter demselben Mieter überlassen werden und dass ihr Gebrauch mit dem des Hauptmietobjektes zusammenhängt. Begründet wird diese Auffassung aber damit, dass es in solchen Fällen wenig sinnvoll wäre, wenn für die hinzugemietete Mansarde oder Garage andere Auflösungsbestimmungen gälten als für die Wohnung oder die Geschäftslokalität. Auch nach der Botschaft ist mithin entscheidend, ob eine die diversen Mietobjekte zusammenfassende rechtliche Beurteilung sinnvoll ist oder nicht. Dies wiederum kann einzig mit Blick auf die Interessen der beteiligten Parteien entschieden werden, in welchem Lichte die formalen Kriterien zu prüfen sind. 
 
2.3 Gemäss den getroffenen Vereinbarungen können die Parkplätze auf einen Zeitpunkt gekündigt werden, auf welchen eine Wohnungskündigung nicht zulässig ist. Daraus leitet die Vorinstanz zutreffend ab, die Parteien hätten insoweit ein unterschiedliches Schicksal der beiden Verträge in Kauf genommen. Ebenso indiziert der Umstand, dass die Parkplätze von der Beschwerdegegnerin erst etwa zwei Jahre nach Mietantritt der Wohnung hinzugemietet wurden, dass für beide Parteien eine Gesamtmiete nicht unerlässlich ist. Die Beschwerdeführerin zeigt denn auch nicht auf, weshalb für sie unzumutbar sein soll, die Wohnung und die Parkplätze getrennt zu vermieten. Dass es hingegen die Beschwerdegegnerin besonderes hart treffen würde, wenn sie aufgrund des lediglich die Abstellplätze betreffenden Mietzinsausstandes nicht nur das Recht verlieren würde, die vom Zahlungsrückstand betroffenen Mietobjekte, sondern auch die Wohnung weiter zu benutzen, bedarf keiner weiteren Erörterung. Die Vorinstanz erarbeitete somit eine sinnvolle und damit Art. 253a Abs. 1 OR entsprechende Lösung, indem sie der formellen Selbständigkeit der Verträge Rechnung trug. Wie zu entscheiden wäre, wenn sich der Ausstand nicht klar einem Mietobjekt zuordnen liesse, für das ein gesonderter Vertrag besteht, ist nicht zu prüfen. 
 
3. 
Die Vorinstanz hat bundesrechtskonform erkannt, es fehle an einer Gültigkeitsvoraussetzung (Zahlungsverzug) für die ausserordentliche Kündigung der von der Beschwerdegegnerin gemieteten Wohnung (vgl. BGE 121 III 156 E. 1c/aa S. 160 f.). Dies führt zur Abweisung der Beschwerde. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig. Da sich die Beschwerdegegnerin nicht hat vernehmen lassen, ist ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 21. Februar 2011 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Klett Luczak