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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1079/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 21. März 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Bessler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verletzung von Verkehrsregeln, Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 29. Juni 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ wird vorgeworfen, am 17. Januar 2015 gegen den Willen der Halterin (Tochter des Beschuldigten) einen Mercedes-Lieferwagen entwendet zu haben und mit diesem von Spreitenbach nach Baden und wieder zurück gefahren zu sein, obwohl er nicht über den erforderlichen Führerausweis verfügt habe. 
 
B.  
Der Präsident des Bezirksgerichts Baden verurteilte X.________ am 21. Oktober 2015 wegen Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch und Fahrens ohne Berechtigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten. 
Die Staatsanwaltschaft Baden erhob Berufung, X.________ Anschlussberufung. Das Obergericht des Kantons Aargau trat am 29. Juni 2016 auf den Anschlussberufungsantrag nicht ein, sprach den Beschuldigten des Fahrens ohne Berechtigung sowie der Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 1 Jahr. 
 
C.  
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 29. Juni 2016 sei teilweise aufzuheben und er sei mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten, eventualiter mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten (6 Monate unbedingt und 6 Monate bedingt) zu bestrafen. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht X.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Strafzumessung. 
 
1.1. Die Vorinstanz geht für das Fahren ohne Berechtigung gemäss Art. 95 Abs. 1 lit. a SVG mit dem Präsidenten des Bezirksgerichts von einem nicht mehr leichten Verschulden aus. Sie erachtet die von ihm ausgesprochene Einsatzstrafe von 3 ½ Monaten mit Blick auf den Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe jedoch als zu niedrig und erhöht diese auf 6 Monate. Zur Begründung weist das kantonale Gericht darauf hin, dass aufgrund der Fahrstrecke, der Uhrzeit und der Lichtverhältnisse nicht von einer geradezu gefahrlosen Strecke gesprochen werden könne. Mit seinem Verhalten habe der Beschwerdeführer sodann eine ausserordentlich grosse Gleichgültigkeit gegenüber dem aus Gründen der Sicherheit im öffentlichen Strassenverkehr erforderlichen Führerausweis manifestiert, zumal er ohne wirkliche Notwendigkeit erneut ein Motorfahrzeug geführt habe. Aufgrund des hinzutretenden Schuldspruchs wegen Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch gemäss Art. 94 Abs. 1 lit. a SVG erhöht die Vorinstanz die Einsatzstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips um 3 Monate auf 9 Monate. Entgegen der Auffassung des Präsidenten des Bezirksgerichts sei die Entwendung des Lieferwagens zum Gebrauch im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen, zumal es sich nicht um einen konsumierten Tatbestand handle. Wohl schütze der Tatbestand ebenfalls die Verkehrssicherheit, doch richte er sich auch gegen die Verfügungsmacht über Motorfahrzeuge und stelle insofern ein Eigentumsdelikt dar. In Anbetracht des klaren Bewusstseins um die erneute Begehung einer Straftat und des grossen Masses an Entscheidungsfreiheit sei diesbezüglich von einem mittelschweren Tatverschulden auszugehen. In Bezug auf die Täterkomponenten gewichtet die Vorinstanz - wie zuvor der Präsident des Bezirksgerichts - insbesondere die acht teilweise einschlägigen Vorstrafen des Beschuldigten, der nebst anderen Taten fünf Mal wegen Fahrens ohne Berechtigung und ein Mal wegen Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch verurteilt worden war, als erheblich straferhöhend. Insgesamt sei die tatangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten aufgrund der negativen Täterkomponenten um 3 Monate auf 12 Monate zu erhöhen.  
 
1.2. Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst geltend, die Vorinstanz habe bei der Strafzumessung ihr Ermessen verletzt und sei von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen. Sie habe wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen und in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet.  
 
1.3. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB und die an sie gestellten Begründungsanforderungen wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. S. 59 ff.; 134 IV 17 E. 2.1 S. 19; je mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. Es liegt im Ermessen des Sachgerichts, in welchem Umfang es die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61 mit Hinweis).  
Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen und ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Bei der Bildung der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB ist vorab der Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und alsdann die Einsatzstrafe für die schwerste Tat innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. Die Einsatzstrafe ist unter Einbezug der anderen Straftaten in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen. Das Gericht hat mithin in einem ersten Schritt gedanklich die Einsatzstrafe für das schwerste Delikt festzulegen, indem es alle diesbezüglichen straferhöhenden und strafmindernden Umstände berücksichtigt. In einem zweiten Schritt hat es die Strafe zu erhöhen, um die weiteren Delikte zu sanktionieren. Auch insoweit muss es den jeweiligen Umständen Rechnung tragen (BGE 127 IV 101 E. 2b S. 104 mit Hinweis; Urteil 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E. 3.3.4 mit Hinweis, nicht publiziert in: BGE 137 IV 57). 
 
1.4.  
 
1.4.1. Aus den Erwägungen im angefochtenen Urteil wird deutlich, dass die Vorinstanz die relevanten Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt und plausibel würdigt. Dass sie sich dabei von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche Gesichtspunkte nicht beachtet respektive falsch gewichtet hätte, ist nicht ersichtlich.  
 
1.4.2. Soweit der Beschwerdeführer eine unzulässig hohe Einsatzstrafe für das Fahren ohne Berechtigung geltend macht, kann ihm nicht gefolgt werden. Eine doppelte Berücksichtigung der Vorstrafen liegt nicht vor. Die Vorinstanz hat die Vorstrafen lediglich erwähnt um aufzuzeigen, dass dem Beschwerdeführer durchaus bewusst war, dass er nicht fahren durfte und sich strafbar machen würde. Ob das kantonale Gericht die Motivation zum Fahren als "rein egoistisch" oder aber als "leichtfertig und verantwortungslos" qualifiziert, vermag sich sodann auf die Strafzumessung nicht entscheidend auszuwirken. Die Gewichtung des Verschuldens als "nicht mehr leicht" sowie die sich im unteren Drittel des Strafrahmens bewegende Einsatzstrafe von 6 Monaten Freiheitsstrafe sind nicht zu beanstanden.  
 
1.4.3. Die Argumentation des Beschwerdeführers betreffend Erhöhung der Einsatzstrafe um 50 % wegen Entwendung des Motorfahrzeugs zum Gebrauch schlägt fehl. Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, dass zwischen der Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch und dem Fahren ohne Berechtigung echte Konkurrenz besteht und demzufolge die Einsatzstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen ist. Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer diesbezüglich auch aus der Behauptung, er habe einen Schlüssel zum Fahrzeug gehabt und ohne Weiteres darüber verfügen können. Der Schuldspruch der Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch i.S. Art. 94 Abs. 1 lit. a SVG bildet Grundlage der Strafzumessung.  
 
1.4.4. Nicht zu beanstanden ist die erheblich straferhöhende Berücksichtigung der acht teilweise einschlägigen Vorstrafen bei den Täterkomponenten, wurde doch der Beschwerdeführer - neben anderen Taten - fünf Mal wegen Fahrens ohne Berechtigung und ein Mal wegen Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch verurteilt. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer von den bisher ausgesprochenen Strafen offensichtlich nicht beeindrucken und nicht von erneuter Delinquenz abhalten liess, was auf eine beachtliche Renitenz und Gleichgültigkeit gegenüber der schweizerischen Rechtsordnung schliessen lässt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verletzt das kantonale Gericht daher auch kein Bundesrecht, indem es erwägt, das Geständnis und kooperative Verhalten wirkten sich angesichts der Tatumstände nicht erheblich strafmindernd aus. Mit der Vorinstanz ist das Geständnis namentlich nicht als Ausdruck von Einsicht und Reue zu qualifizieren. Wohl bestreitet der Beschwerdeführer die Taten nicht, doch verharmlost er sein Verhalten nach wie vor.  
 
1.4.5. Hinsichtlich seiner Strafempfindlichkeit macht der Beschwerdeführer geltend, er leide an einer mikrovaskulären Angina pectoris, was bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sei. Die Vorinstanz hält fest, dass der Beschwerdeführer gesundheitlich angeschlagen ist, stuft die Strafempfindlichkeit des Beschwerdeführers jedoch als neutral ein.  
Die Rechtsprechung betonte wiederholt, dass eine erhöhte Strafempfindlichkeit nur bei aussergewöhnlichen Umständen zu bejahen ist (vgl. Urteile 6B_249/2016 vom 19. Januar 2017 E. 1.4.4; 6B_243/2016 vom 8. September 2016 E. 3.4.2; 6B_748/2015 vom 29. Oktober 2015 E. 1.3; je mit Hinweisen). Bei medizinischen Gründen ist der Strafempfindlichkeit daher lediglich Rechnung zu tragen, wenn der Betroffene besonders empfindlich ist. Dies wurde namentlich etwa bejaht bei Gehirnverletzten, Schwerkranken, unter Haftpsychose Leidenden oder Taubstummen (Urteile 6B_25/2016 vom 28. Juni 2016 E. 5.1.2; 6B_476/2015 vom 26. November 2015 E. 5.4 mit Hinweis). Das kantonale Gericht verletzt das ihm zustehende Ermessen im Ergebnis nicht, wenn es dem Beschwerdeführer keine besondere Strafempfindlichkeit zuerkennt. 
 
1.5. Zusammenfassend hält die vorinstanzliche Strafzumessung insgesamt vor Bundesrecht stand. Die ausgefällte Freiheitsstrafe von 1 Jahr ist zwar hoch, aber nicht unhaltbar hart. Sie hält sich bei einer Gesamtbetrachtung noch innerhalb des weiten sachrichterlichen Ermessens.  
 
2.  
Der Beschwerdeführer wendet sich eventualiter gegen die Verweigerung des teilbedingten Strafvollzugs. 
 
2.1.  
 
2.1.1. Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren nur teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen (Art. 43 Abs. 1 StGB). Der teilbedingte Vollzug gemäss Art. 43 StGB setzt das Fehlen einer ungünstigen Prognose voraus. Wenn und soweit die Legalprognose nicht schlecht ausfällt, muss zumindest ein Teil der Strafe auf Bewährung ausgesetzt werden. Umgekehrt ist bei einer Schlechtprognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe ausgeschlossen (BGE 134 IV 1 E. 5.3.1 S. 10 mit Hinweisen).  
 
2.1.2. Dem Sachrichter steht bei der Prognose des künftigen Legalverhaltens ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn dieser sein Ermessen über- bzw. unterschreitet oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt (BGE 134 IV 140 E. 4.2 S. 143 mit Hinweis).  
 
2.2. Die Vorinstanz stellt dem Beschwerdeführer eine eigentliche Schlechtprognose. Als ungünstige Elemente gewichtet sie namentlich die einschlägigen Vorstrafen und das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers, welches nicht auf eine ernsthafte Besserung der Einstellung schliessen lasse. Sie verneint nachvollziehbar eine begründete Aussicht auf Bewährung. Damit über- bzw. unterschreitet oder missbraucht sie ihr Ermessen nicht. Ein teilbedingter Strafvollzug fällt ausser Betracht.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. März 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch