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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_254/2019  
 
 
Urteil vom 21. Juni 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, 
Bundesrichter Karlen, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Emanuel Suter, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach. 
 
Gegenstand 
Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, 
vom 29. April 2019 (SBK.2019.79). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Handlungen mit Abhängigen und Pornografie. Anlässlich der am 19. März 2019 am Wohn- und Arbeitsort von A.________ durchgeführten Hausdurchsuchung wurde dieser vorläufig festgenommen. Am 20. März 2019 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau die Anordnung von Untersuchungshaft, vorläufig für die Dauer von drei Monaten. Mit Entscheid vom 21. März 2019 versetzte das Zwangsmassnahmengericht A.________ einstweilen bis am 19. Juni 2019 in Untersuchungshaft. 
Dagegen erhob A.________ am 4. April 2019 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau, welches die Beschwerde am 29. April 2019 abwies. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 26. Mai 2019 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben, der Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft sei abzuweisen und er sei unverzüglich freizulassen. Eventualiter seien ihm unter Androhung der Versetzung in Untersuchungshaft folgende Ersatzmassnahmen aufzuerlegen: Verbot der Kontaktnahme mit aktuellen und ehemaligen Schülerinnen und Schülern; Verbot der Kontaktaufnahme mit ehemaligen Chatpartnern des Messengerdienstes KIK; Verbot der Nutzung von allfälligen Cloud- und Onlinekonten sowie die Wahrnehmung einer ambulanten psychiatrischen Behandlung in Abständen von zwei Wochen, wobei er sich über die absolvierte Therapiesitzung gegenüber der Staatsanwaltschaft innert 2 Tagen auf dem Postweg auszuweisen habe. 
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht verzichtet unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid auf eine Vernehmlassung. 
 
C.  
Mit Schreiben vom 13. Juni 2019 teilte die Staatsanwaltschaft dem Bundesgericht mit, der Beschwerdeführer sei per 13. Juni 2019 aus der Haft entlassen worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Haftentscheid des Obergerichts. Dagegen ist grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Beschwerdeführer befindet sich unterdessen nicht mehr in Haft. Insofern ist fraglich, inwiefern er überhaupt noch ein aktuelles rechtlich geschütztes Interesse an der Überprüfung der angeordneten Untersuchungshaft hat. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da sich die Beschwerde ohnehin als unbegründet erweist. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt in formeller Hinsicht, die Begründung des angefochtenen Entscheids verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Diese Kritik ist unbegründet. Die Vorinstanz legte ausführlich dar, weshalb sie den besonderen Haftgrund der Kollusionsgefahr bejahte (vgl. E. 3.1 hiernach). Lediglich der Umstand, dass die Vorinstanz seiner Argumentation materiell nicht gefolgt ist, verletzt sein rechtliches Gehör nicht. Der Beschwerdeführer war dann auch ohne Weiteres in der Lage, den vorinstanzlichen Haftentscheid sachgerecht anzufechten.  
 
2.2. Vor Bundesgericht unbestritten ist das Vorliegen des dringenden Tatverdachts. Der Beschwerdeführer ist aber der Auffassung, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie die Kollusionsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO zu Unrecht bejaht habe.  
 
2.3. Der Haftgrund der Kollusionsgefahr liegt vor, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass der Beschuldigte Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO). Verdunkelung kann nach der bundesgerichtlichen Praxis insbesondere in der Weise erfolgen, dass sich der Beschuldigte mit Zeugen, Auskunftspersonen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten ins Einvernehmen setzt oder sie zu wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst, oder dass er Spuren und Beweismittel beseitigt. Strafprozessuale Haft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass der Beschuldigte die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhaltes vereitelt oder gefährdet. Die theoretische Möglichkeit, dass der Beschuldigte kolludieren könnte, genügt indessen nicht, um Haft unter diesem Titel zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für die Annahme von Verdunkelungsgefahr sprechen. Das Vorliegen des Haftgrundes ist nach Massgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen (BGE 137 IV 122 E. 4.2 S. 127 f.; Urteil 1B_50/2019 vom 19. Februar 2019 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
 
2.4. Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des Beschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhaltes sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen (BGE 132 I 21 E. 3.2.1 S. 23 f. mit Hinweisen). Je weiter das Strafverfahren vorangeschritten ist und je präziser der Sachverhalt bereits abgeklärt werden konnte, desto höhere Anforderungen sind an den Nachweis von Verdunkelungsgefahr zu stellen (BGE 137 IV 122 E. 4.2 S. 127 f. mit Hinweisen). Der Haftrichter hat auch zu prüfen, ob einem gewissen Kollusionsrisiko schon mit geeigneten Ersatzmassnahmen für strafprozessuale Haft ausreichend begegnet werden könnte (Art. 212 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 237 f. StPO; vgl. BGE 140 IV 74 E. 2.2 S. 78 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. In Bezug auf die Kollusionsgefahr führte die Vorinstanz aus, die Strafuntersuchung befinde sich noch im Anfangsstadium und es seien diverse Untersuchungshandlungen ausstehend. Der gegen den früher als Lehrer tätige Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der sexuellen Handlungen mit Kindern wiege schwer. Aus diesem Grund habe er ein erhebliches Interesse daran, als unschuldig zu gelten oder sein Verschulden zumindest als möglich gering erscheinen zu lassen. Es sei ernsthaft zu befürchten, der Beschwerdeführer werde versuchen, mit den mutmasslichen Opfern Kontakt aufzunehmen, um sie zu veranlassen, ein für ihn möglichst günstiges Aussageverhalten an den Tag zu legen. Angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer der Lehrer der mutmasslichen Opfer gewesen sei und diese zur Zeit der mutmasslichen Taten noch im jugendlichen Alter gewesen seien, sei damit zu rechnen, sie fühlten sich immer noch zur Loyalität ihm gegenüber verpflichtet oder befänden sich - soweit er in letzter Zeit noch Kontakt mit ihnen pflegte - in einer gewissen (emotionalen) Abhängigkeit von ihm. Aus den aktenkundigen Chatnachrichten werde zudem deutlich, dass es der Beschwerdeführer sehr gut verstehe, die Gefühle seiner früheren Partnerinnen zu beeinflussen. Der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr sei folglich zu bejahen.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, es möge aufgrund der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten zwar zutreffen, dass er in Freiheit mit mutmasslichen Geschädigten bzw. Opfern Kontakt aufnehmen könnte und theoretisch eine Beeinflussung möglich sei. Es bestünden aber gerade keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er bei seiner Haftentlassung tatsächlich die mutmasslichen Opfer bzw. Zeugen zu beeinflussen versuchen werde. Solche konkreten Hinweise seien aber gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Voraussetzung für die Bejahung der Kollusionsgefahr.  
 
3.3. Dem Beschwerdeführer wird mit dem Vorwurf der sexuellen Handlungen mit Kindern eine schwere Straftat vorgeworfen, nämlich ein Verbrechen, welches gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft wird. Entsprechend besteht an einer von Verdunkelungshandlungen freien Sachverhaltsermittlung ein erhebliches öffentliches Interesse. Ihm wird insbesondere angelastet, mit der zum Tatzeitpunkt noch nicht 16-jährigen B.________ Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben. Kinder sind besonders schutzbedürftig und das Rechtsgut der Gefährdung der sexuellen Entwicklung Unmündiger, welches durch Art. 187 StGB geschützt wird, wiegt sehr hoch (vgl. BGE 143 IV 9 E. 3.1 f. S. 18; Urteil 1B_246/2018 vom 12. Juni 2018 E. 4.8; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hat folglich mit einer einschneidenden Strafe zu rechnen. Entgegen seiner Auffassung ist sodann gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Schwere der untersuchten Straftat bei der Beurteilung der Frage, ob eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, durchaus Rechnung zu tragen (vgl. E. 2.3 hiervor). Der Vorinstanz ist daher zuzustimmen, wenn sie ausführt, der Beschwerdeführer habe aufgrund der ihm drohenden empfindlichen Strafe ein erhebliches Interesse daran als unschuldig zu gelten oder sein Verschulden zumindest als möglichst gering erscheinen zu lassen.  
 
3.4. Das vorliegende Verfahren stand zum Zeitpunkt der Anordnung der Untersuchungshaft noch im Anfangsstadium und diverse Untersuchungshandlungen mussten vorgenommen werden. So wurden anlässlich der Hausdurchsuchung etliche EDV-Geräte sichergestellt, welche auszuwerten waren. Dies insbesondere im Hinblick auf die Zugeständnisse des Beschwerdeführers, eine Bilddatei mit kinderpornografischem Inhalt verbreitet und anderen Internetnutzern zur Verfügung gestellt und auf seinen Geräten kinderpornografische Bilder und Videos gespeichert zu haben. Es ist folglich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz erwog, es bestehe eine erhebliche Verdunkelungsgefahr, da die Auswertung der sichergestellten EDV-Geräte noch nicht abgeschlossen sei und alleine der Chatverlauf mit B.________ 958 Seiten umfasse.  
Wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht ausführte, wurden die Inhalte der EDV-Geräte des Beschwerdeführers unterdessen weiter forensisch ausgewertet und zwischenzeitlich sowohl B.________ als auch weitere mutmassliche Opfer befragt. Diese Umstände ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass die Vorinstanz die Anordnung der Haft zu Recht geschützt hat. Denn zum einen standen diese Untersuchungshandlungen zum Zeitpunkt der Haftanordnung noch aus und zum anderen waren gemäss den Ausführungen der Staatsanwaltschaft bis zur Haftentlassung am 19. Juni 2019 noch weitere Einvernahmen geplant. Unbehelflich ist folglich der Einwand des Beschwerdeführers, wichtige Aussagen seien bereits aufgenommen und die noch ausstehenden Befragungen seien nicht von massgeblicher Bedeutung, weshalb seiner Haftentlassung nichts mehr entgegenstehe. Wie die Vorinstanz ausgeführt hat, ist aus dem Chatverlauf mit den mutmasslichen Opfern ersichtlich, dass es der Beschwerdeführer versteht, die Gefühle seiner früheren Partnerinnen zu beeinflussen. Es bestand daher nach wie vor die konkrete Gefahr, der Beschwerdeführer könnte seine persönlichen Beziehungen zu den mutmasslichen Opfern ausnützen und versuchen, sie zu beeinflussen, zumal er kurz vor seiner Verhaftung wieder in Kontakt mit B.________ stand, auch wenn dieser von ihr ausging. Schliesslich ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf das von der Vorinstanz erwähnte mögliche Abhängigkeits- bzw. Loyalitätsverhältnis der mutmasslichen Opfer gegenüber dem Beschwerdeführer und ehemaligen Lehrer bzw. Liebhaber zu verweisen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers lassen sich sodann in der diesbezüglichen Erwägung der Vorinstanz weder unhaltbare Tatsachenfeststellungen erkennen noch sind solche ersichtlich. Diese Rüge erweist sich als unbegründet. 
 
3.5. Da die Aussagen der mutmasslichen Opfer bei den vorliegenden dem Beschwerdeführer vorgeworfenen sexuellen Handlungen mit Kindern, bei welchen es sich um sog. "Vier-Augen-Delikte" handelt, ein bedeutendes Beweismittel darstellen, waren sie vor einer Beeinflussung durch den Beschwerdeführer zu schützen.  
Zusammenfassend war es daher im gegenwärtigen Verfahrensstadium und im Hinblick auf die grosse Bedeutung der von der Beeinflussung bedrohten Aussagen der mutmasslichen Opfer und die Schwere der untersuchten Straftaten nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz Kollusionsgefahr bejahte. 
 
3.6. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Kollusionsgefahr durch Ersatzmassnahmen nach Art. 237 StPO, insbesondere dem vom Beschwerdeführer beantragten Kontaktverbot, hinreichend hätte reduzieren lassen. Es liegt auf der Hand, dass weder ein persönliches Kontaktverbot noch ein solches via Messengerdienste den Beschwerdeführer wirksam davon hätte abhalten können, mit den mutmasslichen Opfern in Verbindung zu treten. Dasselbe gilt auch für ein Verbot der Nutzung von Cloud- und Onlinekonten. Ein solches wäre, wie die Vorinstanz zu Recht vorgebracht hat, aufgrund der Möglichkeit über Dritte diese Dienste zu nutzen, ohnehin nicht überprüfbar und somit nicht praktikabel gewesen. Die bis am 19. Juni 2019 angeordnete Untersuchungshaft erwies sich sodann angesichts der Schwere der Tatvorwürfe auch in zeitlicher Hinsicht als verhältnismässig. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt drohte noch keine Überhaft. Daran ändert auch der Einwand des Beschwerdeführers nichts, "insgesamt würde vorliegend höchst wahrscheinlich jeder Freiheitsentzug eine Überhaft darstellen". Dies trifft nicht zu.  
 
4.  
Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Juni 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier