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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_101/2021  
 
 
Urteil vom 21. Juni 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, 
Abteilung für schwere Gewaltkriminalität, 
Molkenstrasse 15/17, 8004 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; 
Verlängerung von Ersatzmassnahmen, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, 
vom 9. Februar 2021 (UB210014). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte und weiterer Delikte. Sie wirft ihr unter anderem vor, zwischen 2015 und 2019 gegenüber verschiedenen Beamten und Behördenmitgliedern per E-Mail, SMS und Telefonanrufen mehrfach Todes- und Amokdrohungen ausgestossen zu haben. Sie soll unter anderem geschrieben haben, "sie fühle sich zu einem Amoklauf herausgefordert"; sie habe Aussagen getätigt, in denen sie die Ermordung einer KESB-Mitarbeiterin, einer Staatsanwältin und diverser weiterer Personen in Aussicht gestellt habe. A.________ wurde am 25. November 2019 gestützt auf einen Vorführungsbefehl der Staatsanwaltschaft verhaftet und mangels Hafterstehungsfähigkeit in die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK) überwiesen. Am 27. November 2019 wurde sie vom Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Zürich in Untersuchungshaft versetzt und auf Anordnung der Staatsanwaltschaft vom 4. Dezember 2019 ins Gefängnis Dielsdorf verlegt. Am 20. Dezember 2019 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde von A.________ gegen den Haftentscheid des Zwangsmassnahmengerichts ab. 
 
B.  
Die dagegen von A.________ an das Bundesgericht erhobene Beschwerde hiess dieses am 23. Januar 2020 gut (Urteil 1B_617/2019). Es wies das Obergericht an, A.________ innert zehn Arbeitstagen ab Zustellung des Urteils aus der Untersuchungshaft zu entlassen mit der Auflage, mit der PUK zu kooperieren, deren Weisungen zu befolgen und insbesondere die verschriebenen Medikamente einzunehmen. Mit Beschluss vom 10. Februar 2020 entliess das Obergericht A.________ unter Anordnung der genannten Ersatzmassnahmen aus der Untersuchungshaft. Mit Eingabe vom 16. September 2020 ersuchte A.________ um Aufhebung der Ersatzmassnahmen. Das Zwangsmassnahmengericht wies das Gesuch am 30. September 2020 ab und verlängerte die Ersatzmassnahmen bis zum 30. Dezember 2020. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 28. Dezember 2020 verlängerte das Zwangsmassnahmengericht die Ersatzmassnahmen sodann bis zum 30. März 2021. Dagegen erhob A.________ am 18. Januar 2021 Beschwerde an das Obergericht. Dieses wies die Beschwerde am 9. Februar 2021 ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 26. Februar 2021 führt A.________ eigenhändig Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt sinngemäss, die angeordneten Ersatzmassnahmen aufzuheben. 
Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über die Verlängerung von Ersatzmassnahmen. Dagegen ist die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig (Art. 78 ff. BGG i.V.m. Art. 237 Abs. 4 und Art. 227 StPO). Die Beschwerdeführerin war am vorinstanzlichen Verfahren beteiligt und ist als Beschuldigte von den strittigen Ersatzmassnahmen nach wie vor direkt betroffen. Sie ist mithin zur Beschwerde an das Bundesgericht befugt (vgl. Art. 81 Abs. 1 BGG). Unter Vorbehalt einer hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) ist auf die Beschwerde deshalb grundsätzlich einzutreten. 
 
2.  
Gemäss Art. 237 StPO ordnet das zuständige Gericht an Stelle der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft eine oder mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Abs. 1). Anordnung und Anfechtung von Ersatzmassnahmen richten sich sinngemäss nach den Vorschriften über die Untersuchungs- und die Sicherheitshaft (Abs. 4). Ersatzmassnahmen sind nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft erfüllt sind, insbesondere ein dringender Tatverdacht und ein besonderer Haftgrund vorliegen (vgl. Art. 221 StPO; BGE 137 IV 122 E. 2 S. 125). Sodann müssen auch Ersatzmassnahmen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahren (Art. 5 Abs. 2, Art. 36 Abs. 3 BV; Art. 197 StPO). 
 
3.  
Die Vorinstanz hat sich vorliegend ausführlich und überzeugend mit dem Tatverdacht auseinandergesetzt. Sie hat festgehalten, die von der Beschwerdeführerin eingestandenen (schriftlichen) Äusserungen seien bei objektiver Betrachtung a priori als bedrohlich aufzufassen und angesichts ihrer Intensität auch grundsätzlich geeignet, den Adressaten im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB (Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte) zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nötigen. An dieser Einschätzung ändere nichts, dass die Äusserungen via E-Mail erfolgt seien. Mit dem Versenden der E-Mails sei die Tathandlung bereits vollendet, anders als im von der Beschwerdeführerin zitierten Bundesgerichtsurteil 6B_981/2019 vom 12. November 2020. Dort sei der Versuch einer Vergewaltigung bzw. sexuellen Nötigung durch das Versenden einer E-Mail zur Diskussion gestanden. Dieser sei jedoch aufgrund der fehlenden Nähe zur Tat verneint worden (vgl. Urteil 6B_981/2019 vom 12. November 2020 E. 3.2). Der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts nach Art. 221 Abs. 1 StPO sei nach wie vor erfüllt. 
Auf diese nachvollziehbaren vorinstanzlichen Ausführungen kann verwiesen werden (vgl. E. 2 des angefochtenen Entscheids). Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, gibt keinen Anlass, die Frage einer weitergehenden Prüfung zu unterziehen. Insbesondere ist ihr Einwand unbehelflich, wonach "Worte im juristischen Sinne keine Gewalttaten bzw. keine Gewalt" seien, da Gewalt die physische Verletzung von Körpern bedinge, was ihr nicht vorgeworfen werde, weshalb auch kein Tatverdacht vorliege. Der Beschwerdeführerin wird keine (physische) Gewalt vorgeworfen, sondern Drohungen, welche gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB ebenfalls strafbar sind. Die Rüge erweist sich als unbegründet. 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin ist sodann der Auffassung, es liege keine Wiederholungs- bzw. Rückfallgefahr vor. Insbesondere mangle es an einer Vortat, da sie einzig wegen versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte verurteilt worden sei, nicht aber wegen eines vollendeten Delikts. Weiter sei es unfair zu behauptet, es würden schwere Vergehen und Verbrechen drohen.  
 
4.2. Nach Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO liegt Wiederholungsgefahr vor, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat.  
Nach der Rechtsprechung ist die Aufrechterhaltung von Haft bzw. Ersatzmassnahmen wegen Wiederholungsgefahr zulässig, wenn einerseits die Rückfallprognose ungünstig und anderseits die zu befürchtenden Delikte von schwerer Natur sind. Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung weiterer Delikte sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige Straftaten verübt werden, reichen dagegen nicht aus, um eine Präventivhaft bzw. Ersatzmassnahmen zu begründen. Bei den Anforderungen an die Rückfallgefahr besteht eine umgekehrte Proportionalität. Je schwerer die drohenden Taten sind und je höher die Gefährdung der Sicherheit anderer ist, desto geringere Anforderungen sind an die Rückfallgefahr zu stellen. Liegen die Tatschwere und die Sicherheitsrelevanz am oberen Ende der Skala, ist die Messlatte zur Annahme einer rechtserheblichen Rückfallgefahr tiefer anzusetzen (BGE 143 IV 9 E. 2 S. 11 ff. mit Hinweisen). 
 
4.3. Das Bundesgericht hielt bereits im die Beschwerdeführerin betreffenden Urteil 1B_617/2020 vom 23. Januar 2020 E. 2.2.1 fest, sie sei einschlägig vorbestraft, da sie am 8. Februar 2017 wegen Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden sei. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, insbesondere, dass sie lediglich wegen eines Versuchs verurteilt worden sei, ändert an der Vorstrafe nichts. Unbehelflich ist ausserdem ihr unsubstanziierter Einwand, wonach es "unfair" sei, anzunehmen, es würden schwere Vergehen und Verbrechen drohen. Darauf ist nicht weiter einzugehen, zumal die von der Beschwerdeführerin ausgestossenen Todesdrohungen massive Eingriffe in die psychische Integrität der Opfer darstellen (vgl. so auch das die Beschwerdeführerin betreffende Urteil 1B_617/2019 vom 23. Januar 2020 E. 2.2.1).  
Ferner ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die kantonalen Behörden einstweilen von einem deutlichen Rückfallrisiko bzw. einer weiterbestehenden psychischen Problematik mit möglicherweise rückfallbegünstigendem Deliktskonnex ausgegangen sind. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin eine medikamentöse Behandlung strikt ablehnt, obschon seitens der PUK die Einnahme von Neuroleptika empfohlen wird, unter anderem zur "Angstlösung und zur besseren Distanzierbarkeit der traumatischen Erlebnisse sowie zur Lösung der formalgedanklichen Einengung, möglicherweise zum Wiedererlangen von Korrigierbarkeit überwertiger Ideen sowie allenfalls bestehender wahnhafter Inhalte" (zitiert im vorinstanzlichen Urteil, E. 3.8.2). Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was zu einer abweichenden Beurteilung führen könnte. Dass die Vorinstanz Wiederholungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO bejaht hat, hält folglich vor Bundesrecht stand. 
 
5.  
Schliesslich kann auch den Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, die Behandlung mit Neuroleptika sei als Therapie für eine durch einen Treppensturz erlittene Hirnverletzung zweckfremd. Es sei nicht verhältnismässig, die bereits reduzierte Hirnaktivität aufgrund der Hirnverletzung noch mehr zu verlangsamen. 
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist vielmehr festzuhalten, dass zum jetzigen Zeitpunkt kein eindeutiger Beweis vorliegt, dass das konfliktive Verhalten der Beschwerdeführerin, wie von ihr behauptet, ausschliesslich von einem mit einem Schädel-Hirn-Trauma vereinbaren somatischen Befund herrührt. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass parallel dazu eine psychische Erkrankung besteht, wie dies im psychiatrischen Gutachten vom 14. Juli 2016 festgehalten wurde. Gemäss diesem Gutachten leidet die Beschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung, welche zu Persönlichkeitsveränderungen mit querulatorischen, histrionischen und narzisstischen Anteilen geführt hat. In diesem Zusammenhang ist auch der Verweis der Vorinstanz auf das aktenkundige Schreiben von Dr. med. B.________ vom 12. März 2020 zu beachten. Demgemäss hänge lediglich "ein Teil" des konfliktiven Verhaltens der Beschwerdeführerin mit den Unfallfolgen zusammen. Nach dem Gesagten ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz von einer weiterbestehenden psychischen Problematik ausgegangen ist, die einer medikamentösen Behandlung bedarf. 
Im Übrigen ist der Vorinstanz auch insofern zuzustimmen, als sie festhält, selbst bei einer (rein) somatischen Ursache des konfliktiven Verhaltens der Beschwerdeführerin stünde der Bejahung der Wiederholungsgefahr grundsätzlich nichts entgegen, da die Beschwerdeführerin einschlägig vorbestraft sei und einer Vielzahl neu zu untersuchender Delikte beschuldigt werde. Auch aus diesem Grund sei von einer negativen Rückfallprognose auszugehen. Die Eignung der Ersatzmassnahmen entfiele mithin selbst bei einer ganz oder teilweise somatischen Verhaltensursache nicht ohne weiteres. 
Zusammenfassend erwog die Vorinstanz, die angeordneten Ersatzmassnahmen würden wesentlich zur Stabilisierung der Situation und Verhinderung erneuter Eskalationen beitragen. Die Ersatzmassnahmen dienten der Erreichung des verfolgten Ziels, nämlich der Verminderung der Rückfallgefahr, und seien hierfür auch erforderlich. Das ist nicht zu beanstanden. Der Eingriff erscheint für die Beschwerdeführerin zumutbar: Die angeordneten Massnahmen sind nicht besonders einschneidend und deren Befolgung liegt letztlich in ihrem Interesse. Sie sollen ihr helfen, in Krisen- oder Stresssituationen zuverlässig therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen zu können, um sie vor allenfalls wahnhaften Vorstellungen und erneuten Delikten zu schützen. Die Ersatzmassnahmen sind demzufolge verhältnismässig und verletzen kein Bundesrecht. 
 
6.  
Soweit die Beschwerdeführerin überdies geltend macht, die Prozesskosten von über Fr. 200'000.-- würden den Verhältnismässigkeitsgrundsatz krass verletzen, kann auf ihre Beschwerde nicht eingetreten werden. Die angeblichen Kosten des gesamten Verfahrens sind vorliegend nicht Streitge genstand. Dass die Beschwerdeführerin indes auch die ihr von der Vorinstanz auferlegten Gerichtsgebühren in der Höhe von Fr. 1'200.-- als unverhältnismässig erachten würde, kann der Beschwerde nicht entnommen werden. 
 
7.  
Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer und C.________ schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Juni 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier