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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.459/2005 /ggs 
 
Urteil vom 21. September 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Nay, Aeschlimann, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rolf Schmid, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau, 
Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; SVG; Beweiswürdigung, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, 
vom 9. Juni 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Strafbefehl vom 16. August 2004 verurteilte das Bezirksamt Baden X.________ wegen mangelnder Aufmerksamkeit beim Manövrieren mit Unfallfolge im Sinne von Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV i.V.m. Art. 90 Ziff. 1 SVG zu einer Busse von Fr. 150.--. Es hielt für erwiesen, dass er am 21. März 2004, um 16:25 Uhr, vor dem Bahnhofkiosk von Killwangen, beim Rückwärtsfahren mit dem hinter ihm parkierten Personenwagen von Y.________ kollidierte und diesen beschädigte. 
 
Auf Einsprache von X.________ hin bestätigte der Vizepräsident 1 des Bezirksgerichts Baden den Strafbefehl. 
 
Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Berufung von X.________ am 9. Juni 2005 ab. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" beantragt X.________, dieses obergerichtliche Urteil aufzuheben. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen. 
 
Obergericht und Staatsanwaltschaft verzichten auf Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Beim angefochtenen Entscheid des Obergerichts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist, die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten ist. 
2. 
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, ihn unter Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" in der Funktion als Beweiswürdigungsregel verurteilt zu haben. 
 
Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet (vgl. dazu BGE 127 I 38 E. 2a S. 41 f.; 124 IV 86 E. 2a S. 88; 120 Ia 31 E. 2c und d S. 36). Als Beweiswürdigungsregel besagt sie, dass sich der Strafrichter nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat (vgl. BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). Die Maxime ist verletzt, wenn der Strafrichter an der Schuld des Angeklagten hätte zweifeln müssen. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, weil solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Es muss sich um erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel handeln, d.h. um solche, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei der Frage, ob angesichts des willkürfreien Beweisergebnisses erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel hätten bejaht werden müssen und sich der Sachrichter vom für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt nicht hätte überzeugt erklären dürfen, greift das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung ein, da der Sachrichter diese in Anwendung des Unmittelbarkeitsprinzips zuverlässiger beantworten kann. 
3. 
3.1 Der Geschädigte Y.________ sagte gegenüber der Polizei und als Zeuge vor Gericht aus, er habe seinen Wagen zur Tatzeit vor dem Bahnhofkiosk Killwangen hinter einem "Opel Vectra" parkiert gehabt. Beim Wegfahren sei der Opel zunächst rückwärts gefahren worden und sei dabei mit seinem Personenwagen kollidiert, den Aufprall habe er gehört und gespürt. Er habe gedacht, der andere Fahrzeugführer steige nun aus; stattdessen sei er einfach weggefahren, ohne sich um die Kollision zu kümmern. Er habe sich sofort dessen Nummer aufgeschrieben und die Polizei gerufen. 
 
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, zur fraglichen Zeit mit seinem "Opel Vectra" am Bahnhof Killwangen gewesen zu sein. Er macht indessen geltend, nichts von einer Kollision bemerkt zu haben, es sei nicht erstellt, dass er eine solche verursacht habe. 
 
 
Der Polizeibeamte Z.________ sagte als Zeuge aus, er habe festgestellt, dass ein Plastikteil unterhalb der Stosstange am Fahrzeug von Y.________ ein wenig aus der Fassung gewesen sei. Er habe an der Kollisionsstelle weder Abrieb- noch Farbspuren festgestellt. Am Fahrzeug des Beschwerdeführers habe er keine Kollisionsspuren bemerkt. In Anbetracht der Höhe der Stossstange des Opels des Beschwerdeführers sei es möglich, dass der Schaden am Fahrzeug von Y.________ durch diesen Opel verursacht worden sei. Er halte es für möglich, dass der Beschwerdeführer die Kollision nicht bemerkt haben könnte, weil nicht die Stossstange am Fahrzeug von Y.________, sondern lediglich ein aufgesetztes Plastikteil in Mitleidenschaft gezogen worden sei; dieser Schaden hätte auch bei einer nur leichten Kollision entstehen können. 
3.2 Das Obergericht fand die Aussagen des Zeugen Y.________ glaubhaft. Es schloss aus, dass dieser einen ihm vorher unbekannten Mann ohne Anlass eines Delikts beschuldigt und wegen des eher geringen Schadens von 500 Franken die Risiken einer wissentlichen Falschaussage auf sich genommen haben könnte. Als Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussagen sah das Obergericht auch den Umstand, dass er die 250 Franken, die ihm der Beschwerdeführer für den Schaden angeboten hatte, ablehnte. Der Einwand des Beschwerdeführers, wenn wirklich eine Kollision stattgefunden hätte, hätte der Zeuge mit Sicherheit gehupt und wäre aus dem Wagen gesprungen, überzeugte es nicht. Es fand die Reaktion des Geschädigten, sich sofort die Autonummer des Unfallverursachers aufzuschreiben und mit dem Natel die Polizei zu rufen, für ebenso gut nachvollziehbar und teilte auch die Einschätzung des Polizeibeamten Z.________, dass der Beschwerdeführer die leichte Kollision - möglicherweise wegen des Lärms eines durchfahrenden Zugs - nicht bemerkt haben könnte. 
3.3 Diese Beweiswürdigung des Obergerichts ist ohne weiteres nachvollziehbar, und der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was geeignet wäre, sie ernsthaft zu erschüttern. Es hat insbesondere auch den Einwand geprüft und verworfen, der Zeuge könnte eine falsche Anschuldigung gemacht haben, um einen vorbestehenden Schaden an seinem Fahrzeug auf einen unbeteiligten Dritten abzuwälzen. Die Beurteilung des Obergerichts, die Aussagen des Zeugen Y.________ seien glaubhaft, ist offensichtlich haltbar. Damit steht die Unschuldsvermutung einer Verurteilung des Beschwerdeführers gestützt auf diese Aussagen als Hauptbeweismittel nicht entgegen, die Rüge ist unbegründet. 
4. 
Die Beschwerde ist damit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 OG). Mit dem Entscheid in der Sache wird sein Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 21. September 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: