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[AZA 0/2] 
5A.18/2001/GIO/bnm 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
Sitzung vom 21. Dezember 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichter Raselli und Bundesrichter Meyer 
sowie Gerichtsschreiberin Giovannone. 
 
--------- 
 
in Sachen 
A.B.________ und B.B.________, Beschwerdeführende, beide vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Bachmann, Stapfer-strasse 2, Postfach 286, 5201 Brugg, 
 
gegen 
Grundbuchamt Z.________, Obergericht des Kantons Luzern, Justizkommission, 
 
betreffend 
Abweisung einer Anmeldung zur Vormerkung 
einer Pacht im Grundbuch, hat sich ergeben: 
 
A.-C.D.________ ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes. Am 20. August 2000 schloss er als Verpächter über dieses mit A.B.________ und B.B.________ als Pächter einen Pachtvertrag. Gemäss diesem Vertrag beginnt die Pacht am 1. Oktober 2005, dauert zwanzig Jahre und kann frühestens auf den 30. September 2025 gekündigt werden. Im Vertrag räumt der Verpächter den Pächtern das Recht ein, die Pacht sofort nach Vertragsunterzeichnung im Grundbuch vormerken zu lassen. 
 
B.-A.B.________ und B.B.________ meldeten den Vertrag am 22. August 2000 beim Grundbuchamt Z.________ zur Vormerkung an. Das Grundbuchamt wies die Anmeldung mit Verfügung vom 8. November 2000 ab. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wurde von der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern (nachfolgend: Justizkommission) mit Entscheid vom 31. Mai 2001 abgewiesen. 
 
C.-Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht beantragen A.B.________ und B.B.________, der Entscheid der Justizkommission sei aufzuheben und das Grundbuchamt Z.________ sei anzuweisen, auf dem Hauptbuchblatt GB Z.________ Nr. ..., ..., ... und ... die Eintragung "Vormerkung Pachtvertrag" vorzunehmen. Mit Eingaben vom 17. August, 3. September und 5. Oktober 2001 haben sich die Justizkommission des Obergerichts Luzern, das Grundbuchamt Z.________ und das Bundesamt für Justiz vernehmen lassen. 
 
 
Am 30. August 2001 hat der Präsident der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts der Verwaltungsgerichtsbeschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
Erwägungen: 
 
1.-Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob es auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde eintreten kann (BGE 126 III 274 E. 1 mit Hinweisen). 
 
Letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Amtsführung des Grundbuchverwalters können mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 102 Abs. 1 der Verordnung betreffend das Grundbuch [GBV, SR 211. 432.1]). Die Beschwerdeführenden sind als Anmeldende zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt (BGE 104 Ib 378 E. 1), und sie haben die Beschwerde fristgerecht eingereicht. Die Beschwerde ist demnach im Hinblick auf Art. 103 lit. a und Art. 106 OG zulässig. 
 
2.-Die Beschwerdeführenden beanstanden zunächst die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Grundbuchamt habe seine Verfügung ungenügend begründet und seine Vernehmlassung verspätet eingereicht. Die Justizkommission habe die Vernehmlassung zu Unrecht entgegengenommen. Sie habe es zudem trotz des Antrags der Beschwerdeführenden unterlassen, ihnen diese und die weiteren vom Grundbuch eingereichten Akten zur Einsicht und Stellungnahme zukommen zu lassen. Dies obwohl sie in ihrem Entscheid die Argumentation und die Behauptungen des Grundbuchverwalters auf weite Strecken unbesehen übernommen habe. Dadurch habe die Justizkommission das Recht der Beschwerdeführenden verletzt, sich zu den ihrem Entscheid zugrunde liegenden Tatsachen und zu den Fragen, die sich bei deren rechtlichen Würdigung stellen, zu äussern. 
 
Die Justizkommission bringt sinngemäss vor, sie habe ihren Entscheid nicht auf die vom Grundbuchverwalter behaupteten Tatsachen gestützt. Da sie die Rechtsauffassung des Grundbuchverwalters grundsätzlich teile, weise die Begründung im angefochtenen Entscheid naturgemäss Übereinstimmungen mit den rechtlichen Erörterungen des Grundbuchverwalters auf. Mit dieser Begründung hätten die Beschwerdeführenden aber rechnen müssen. Sie habe deshalb darauf verzichtet, die Beschwerdeführenden zur Antwort des Grundbuchverwalters Stellung nehmen zu lassen. 
 
a) aa) Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht werden (Art. 104 lit. a OG; BGE 115 Ib 152 E. 2a, 166 E. 1, 206 E. 3, 338 E. 2). Die verfahrensrechtliche Garantie nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörden ihren Entscheid zumindest so weit begründen, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 126 I 97 E. 2b mit Hinweisen). 
 
bb) Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst grundsätzlich kein Recht auf Replik. Gemäss ständiger Rechtsprechung macht das Bundesgericht aber dann eine Ausnahme, wenn in der Beschwerdeantwort neue und erhebliche Gesichtspunkte enthalten sind, zu denen die Beschwerdeführenden noch keine Stellung nehmen konnten (BGE 111 Ia 2 E. 3; 114 Ia 307 E. 4b S. 314). Mit dieser Praxis wird das Recht auf Kenntnis und Stellungnahme aus prozessökonomischen Gründen auf Rechtsschriften beschränkt, die Neues und für den Prozess Erhebliches enthalten. Insbesondere das Erfordernis der Erheblichkeit belässt der befassten Instanz in der Frage, ob das rechtliche Gehör zu gewähren ist, einen relativ grossen Entscheidungsspielraum. Dabei darf das Vertrauen der Rechtsunterworfenen in den rechtmässigen Ablauf des Verfahrens nicht strapaziert werden (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte i.S. R. gegen die Schweiz vom 28. Juni 2001 Nr. 37292/97, Ziff. 39, publiziert in: VPB 65/2001 Nr. 129 S. 1347 ff.). Nimmt eine Vorinstanz zu Anträgen Stellung, welche sich gegen ihren Entscheid richten, und wird dieser Entscheid in der Folge bestätigt, so spricht angesichts ihrer besonderen Kenntnisse in der Sache jedenfalls dann eine tatsächliche Vermutung für die Erheblichkeit ihrer Vorbringen - und damit für die Gewährung des rechtlichen Gehörs -, wenn diese inhaltlich wesentlich über die in ihrem Entscheid enthaltene Begründung hinausgehen. 
 
 
b) aa) Vorliegend hat der Grundbuchverwalter seine Abweisungsverfügung in zwei knappen Sätzen begründet, wovon der erste das auch im Entscheid der Justizkommission zentrale Argument enthält, ein Pachtvertrag mit Beginn im Jahr 2005 könne nicht schon heute eingetragen werden. An sich erscheint die Begründung nicht als unzulänglich. Ihre Kürze steht allerdings in eigenartigem Kontrast zum Umfang der Beschwerdeantwort, in welcher sich die Begründung über dreizehn Seiten erstreckt. 
 
bb) Dass die Justizkommission die Stellungnahme des Grundbuchamtes trotz ihrer verspäteten Einreichung berücksichtigt hat, ist an sich ebenfalls nicht zu beanstanden. 
Zwar gelten die Säumnisfolgen in der Tat auch für Behörden. 
Im Verwaltungsprozess relativiert die Untersuchungsmaxime die Folgen der Säumnis jedoch stark, indem wichtige Parteivorbringen von Amtes wegen mit einbezogen werden können (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage 1983, S. 62). 
 
cc) Die Ausführungen des Grundbuchverwalters in der Beschwerdeantwort gehen nicht nur in ihrem Umfang, sondern auch inhaltlich wesentlich über die in der Abweisungsverfügung enthaltene Begründung hinaus. Sie waren denn auch entgegen der Darstellung der Justizkommission für deren Entscheid durchaus erheblich: 
Die Beschwerdeantwort enthielt zahlreiche neue Tatsachenbehauptungen, welche der Grundbuchverwalter anführte, um nachzuweisen, dass die Beschwerdeführenden mit der beantragten Vormerkung eine dem Rechtsinstitut nicht entsprechende Verfügungsbeschränkung bezweckten. Die vom Grundbuchverwalter behaupteten Fakten finden im Entscheid der Justizkommission zwar keine Erwähnung. Wie der Grundbuchverwalter ist aber auch die Justizkommission davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführenden eine Verfügungsbeschränkung bezweckten. 
Formal hat sie diese Annahme einzig darauf gestützt, dass die frühzeitige Vormerkung tatsächlich die Wirkung einer Verfügungsbeschränkung habe. Es ist indessen unwahrscheinlich, dass sich die Justizkommission bei dieser Annahme nicht auch durch die zahlreichen, zum Beweis eben dieser Tatsache eindringlich vorgebrachten Behauptungen des Grundbuchverwalters hat beeinflussen lassen. Sie hätte den Beschwerdeführenden demnach die Gelegenheit geben müssen, zu den Tatsachenbehauptungen des Grundbuchverwalters Stellung zu nehmen. 
 
dd) Angesichts der Knappheit der Begründung der Abweisungsverfügung hätte den Beschwerdeführenden das rechtliche Gehör auch in Bezug auf die äusserst detaillierten rechtlichen Erörterungen in der Stellungnahme gewährt werden müssen, zumal die Justizkommission diese sehr weitgehend und teilweise wörtlich in ihren Entscheid übernommen hat. Andernfalls entsteht der Eindruck, der Grundbuchverwalter habe die Begründung in der Abweisungsverfügung bewusst kurz gehalten, um weitere Ausführungen zur alleinigen Kenntnis der Justizkommission später nachzuschieben, und die Justizkommission habe die Gelegenheit zur Stellungnahme gerade im Hinblick auf die fast vollständige Übernahme der nachgeschobenen Begründung bewusst verweigert. 
 
c) aa) Aufgrund der formellen Natur der Verfahrensgarantie führt die Verletzung des rechtlichen Gehörs ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 126 V 130 E. 2b S. 132 mit Hinweisen). Die Verletzung kann jedoch dadurch geheilt werden, dass die Anhörung vor der oberen Instanz nachgeholt wird. Eine solche Heilung ist dann möglich, wenn die Beschwerdeinstanz mit der gleichen Überprüfungsbefugnis ausgestattet ist wie die vorhergehende Instanz und sich die Beschwerdeführenden vor ihr in Kenntnis aller wesentlichen Tatsachen umfassend äussern können. Die nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs setzt allerdings voraus, dass die Beschwerdeführenden ein Rechtsmittel ergreifen. 
Überdies geht ihnen dadurch eine Instanz verloren. Auch birgt dieses durch die Rechtsprechung geschaffene Institut die Gefahr, dass sich Verwaltungsbehörden oder untere Gerichtsinstanzen über den elementaren Grundsatz des rechtlichen Gehörs hinwegsetzen und darauf vertrauen, dass Verfahrensmängel in einem allfälligen Rechtsmittelverfahren behoben werden (BGE 116 V 182 E. 3c). Die Heilung muss deshalb die Ausnahme bleiben und kann nur in Bezug auf nicht besonders schwerwiegende Mängel angenommen werden (BGE 126 I 68 E. 2 S. 72 mit Hinweisen). 
 
bb) Die Beschwerdeführenden konnten zu zwei Sätzen des Grundbuchverwalters Stellung nehmen, zu weiteren dreizehn Seiten, welche zahlreiche neue und erhebliche Vorbringen enthielten, war ihnen die Stellungnahme verwehrt. Der Entscheid der Justizkommission ist demnach unter praktisch vollständiger Verweigerung des rechtlichen Gehörs ergangen. Dies stellt einen schwerwiegenden Verstoss gegen das Gebot des fairen Prozesses dar; eine Heilung dieses Mangels ist deshalb ausgeschlossen. 
 
3.-Nach dem Gesagten ist die Sache in Anwendung von Art. 114 Abs. 2 OG an die Justizkommission zurückzuweisen, damit diese den Beschwerdeführenden Gelegenheit gebe, zur Beschwerdeantwort Stellung zu nehmen, und in der Folge neu entscheide. Unter diesen Umständen erübrigt sich die Prüfung der weiteren Vorbringen der Beschwerdeführenden. 
 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Kanton Luzern die Beschwerdeführenden für ihre Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG). Verfahrenskosten sind nicht zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen. 
Der Entscheid der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern vom 31. Mai 2001 wird aufgehoben, und die Sache wird zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Justizkommission zurückgewiesen. 
 
2.- Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
 
3.- Der Kanton Luzern hat die Beschwerdeführenden für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführenden, dem Grundbuchamt Z.________, der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, Bundesamt für Justiz, schriftlich mitgeteilt. 
_______________ 
Lausanne, 21. Dezember 2001 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung des 
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: