Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_884/2011 
 
Urteil vom 21. Dezember 2011 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Errass. 
 
Verfahrensbeteiligte 
XY.________, 
vertreten durch Fürsprecher Sararard Arquint, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, 
Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 
4. Kammer, vom 21. September 2011. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
XY.________, türkischer Staatsangehöriger (geb. 14.9.1980), reiste Ende 1998 illegal in die Schweiz ein und stellte erfolglos ein Asylgesuch. Das bei der Asylrekurskommission am 25. Juni 1999 gestellte Revisionsbegehren zog er am 20. Januar 2004 zurück. 
Am 8. Oktober 2002 heiratete er die schweizerisch-österreichische Doppelbürgerin XZ.________ (geb. 1957); der Familienname war fortan X.________. XY.________ erhielt seiner Frau wegen eine Aufenthaltsbewilligung. Ende 2006 verlegte die Ehefrau den Wohnsitz nach Österreich, während der Ehemann in der Schweiz blieb. 
Am 28. Juli 2010 verlängerte das Migrationsamt des Kantons Zürich dessen Aufenthaltsbewilligung nicht mehr, da er am 3. Oktober 2008 wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war. Ausländerrechtlich war er bereits 2007 aufgrund einer Verurteilung wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln verwarnt worden. Gegen die Nichtverlängerung erhob er erfolglos Beschwerde. 
Vor Bundesgericht beantragt er, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. September 2011 aufzuheben, ihm den weiteren Aufenthalt in der Schweiz zu gestatten und eventuell die Streitsache zu weiterer Sachverhaltsabklärung zurückzuweisen. 
Mit Verfügung vom 2. November 2011 gewährte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung. 
 
2. 
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung abgewiesen wird, soweit mangels rechtsgenüglicher Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) überhaupt darauf eingetreten werden kann. 
 
2.1 Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend: Er habe Einsicht in die amtlichen Akten verlangt; dabei seien ihm die Asylakten nicht geöffnet worden. Sodann sei die Ehefrau nicht befragt worden. 
2.1.1 Der Beschwerdeführer stellte im Rekurs an die Rekursabteilung der Sicherheitsdirektion folgenden Antrag: "Der unterzeichnende Anwalt wurde kurzfristig beigezogen. Die Einsicht in die amtlichen Akten insbesondere den Akten des früheren Asylgesuches war nicht mehr möglich. Die Akten sind dem Unterzeichnenden raschmöglichst zuzustellen." Am 16. Februar 2011 wurde Akteneinsicht gewährt, allerdings ohne die Akten des Asylverfahrens, welche versehentlich nicht mitgesendet wurden. Die Dauer der Einsicht wurde zudem auf Antrag vom 28. Februar 2011 bis 10. März 2011 verlängert. Der Beschwerdeführer hatte erst vor dem Verwaltungsgericht und nicht bereits im noch hängigen Verfahren bei der Sicherheitsdirektion moniert, dass er keine Einsicht in die Akten des Asylverfahrens erhalten habe. Die Vorinstanz hat deshalb zu Recht (siehe dazu auch BERNHARD WALDMANN/JÜRG BICKEL, in: Waldmann/Weissenberger (Hrsg.), VwVG Praxiskommentar, N 68 ff. ad Art. 29 VwVG) entschieden, dass das Vorgehen des Beschwerdeführers gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach Art. 5 Abs. 3 BV verstossen habe, weshalb dieser sein Recht verwirkt habe. Diesbezüglich kann auf die umfassenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
2.1.2 Das Gericht kann insbesondere dann auf die Abnahme von Beweisen verzichten, wenn es aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür annehmen kann, seine Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert (BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 131 I 153 E. 3 S. 157). Dies trifft im vorliegenden Fall zu: So hat die Ehefrau am 14. Mai 2011 zwar angeführt, dass die Ehe weiterhin bestehe, sie ihren Ehemann zweimal im Monat sehen würde und sie viel telephonieren würden. Doch konnten die Vorinstanzen aufgrund der diametral abweichenden Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen einer polizeilichen Befragung vom 9. Juni 2010 ohne Willkür davon ausgehen, dass die Ehe seit Ende 2006 nicht mehr gelebt wurde. 
2.2 
2.2.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihrem Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA, SR 0.142.112.681) nicht anwendbar. Wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, leitet sich das Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen vom demjenigen des Staatsangehörigen einer Vertragspartei ab (vgl. Art. 3 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 4 Anh. I FZA). 
Die Ehefrau des Bescherdeführers lebt seit rund fünf Jahren nicht mehr in der Schweiz, sondern in Österreich. Der Beschwerdeführer verfügt deshalb über kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht mehr und kann sich nicht auf das FZA berufen. 
2.2.2 Steht somit (E. 2.1.2) fest, dass die eheliche Gemeinschaft Ende 2006 aufgegeben wurde, bestehen keine Ansprüche nach Art. 42 und 49 AuG (SR 142.20). Allenfalls wären solche nach Art. 50 AuG gegeben, wonach nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 42 weiter besteht, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die Ansprüche nach Art. 50 AuG erlöschen indes, wenn u.a. Widerrufsgründe nach Art. 62 vorliegen (Art. 51 Abs. 2 lit. b AuG). Solche sind insbesondere dann gegeben, wenn der Ausländer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer solchen von mehr als einem Jahr (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 381; 137 II 297 E. 2 S. 299 ff.), verurteilt wurde (Art. 62 lit. b AuG). Dabei spielt keine Rolle, ob die Strafe bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde (Urteil 2C_515/2009 vom 27. Januar 2010 E. 2.1). Der Widerruf muss sich jedoch als verhältnismässig erweisen (vgl. dazu BGE 135 II 377 E. 4.3 u. 4.5 S. 381 ff. m.w.H. auch auf Art. 8 Abs. 2 EMRK). Bei der entsprechenden Beurteilung sind namentlich die Schwere des Delikts und des Verschuldens des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des Ausländers während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 ff.; vgl. auch das Urteil des EGMR i.S. Trabelsi gegen Deutschland vom 13. Oktober 2011 [41548/06], Ziff. 53 ff. betreffend die Ausweisung eines in Deutschland geborenen, wiederholt straffällig gewordenen Tunesiers). 
2.2.3 Der Beschwerdeführer ist zu drei Jahren verurteilt worden. Insofern liegt eine langfristige Freiheitsstrafe im Sinne von Art. 62 lit. b AuG vor. Strittig kann somit nur noch sein, ob die Nichtverlängerung gestützt auf den Widerrufsgrund nach Art. 62 AuG (Art. 51 Abs. 2 lit. b AuG) verhältnismässig ist. 
Die Vorinstanz hat die zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen und diejenigen des Beschwerdeführers sorgsam aufgelistet, gewichtet und gegeneinander abgewogen. In Bezug auf das öffentliche Interesse ging die Vorinstanz zu Recht von einem gewichtigen öffentlichen Interesse aus: Der Beschwerdeführer hat einen massgeblichen Tatbeitrag geleistet und die Tat ist aus rein finanziellen Motiven erfolgt. Das Tatverschulden ist erheblich, was sich auch in der hohen Strafe von drei Jahren ausdrückt (siehe dazu auch BGE 135 II 377 E. 4.4 S. 382 f.). Bereits früher wurde er zudem wegen eines groben Verkehrsdelikts verurteilt, wofür er ausländerrechtlich verwarnt worden war. Während der ausländerrechtlichen Probezeit hat er das Betäubungsmitteldelikt verübt. Dass er sich seit der Verurteilung nichts Weiteres hat zuschulden kommen lassen, ändert hieran nichts: Strafrecht und Ausländerrecht verfolgen unterschiedliche Ziele; dieses verlangt gegenüber jenem einen strengeren Beurteilungsmassstab (vgl. BGE 137 II 233 E. 5.2.2 S. 237). 
In Bezug auf die privaten Interessen ist hervorzuheben: Der Beschwerdeführer reiste erst im 19. Lebensjahr in die Schweiz ein, nachdem er in der Türkei seine Berufsausbildung abgeschlossen hatte. Massgebend ist - entgegen seiner Auffassung - lediglich der rechtmässige, d.h. der fremdenpolizeilich bewilligte, Aufenthalt (BGE 137 II 10 E. 4.4 S. 13). Anrechenbar ist somit erst der Zeitraum ab der Hochzeit (8.10.2002). Gewisse Integrationsbemühungen sind erkennbar: Der Beschwerdeführer hat eine Stelle, welche er auch nach der Haftverbüssung wieder antreten konnte, spricht Deutsch, engagiert sich offensichtlich in der Freikirche ICF und nimmt somit in diesem Rahmen am gesellschaftlichen Leben teil. Entgegen seiner Auffassung lebt die Kernfamilie nicht in der Schweiz: Er hat keine Kinder in der Schweiz, seine Ehefrau lebt in Österreich, seine Eltern und drei seiner Geschwister leben in der Türkei, weshalb er entgegen seinen Ausführungen über wesentliche Bindungen in der Türkei verfügt; nur eine Schwester lebt in der Schweiz. Insofern wiegen die privaten Interessen nicht schwer. 
Nicht zu beachten ist sodann, dass der Beschwerdeführer zum christlichen Glauben gewechselt hat und in der Türkei angeblich seinen Glauben nicht mehr leben könnte: Nach Art. 2 der türkischen Verfassung vom 7. November 1982 ist der türkische Staat eine laizistischer Staat. Keine Religion wird insoweit bevorzugt, und es gibt auch in der Türkei Christen. Die Türkei ist Vertragsstaat der EMRK, gemäss welcher in Art. 9 die Religionsfreiheit geschützt wird. Inwiefern trotz dieser rechtlichen Vorgaben die Rechtsrealität geradezu entgegengesetzt sein sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb nicht näher darauf eingegangen wird (Art. 42 Abs. 2 BGG). 
Die Vorinstanz hat die entgegenstehenden Interessen korrekt gegeneinander abgewogen: angesichts des geringen Gewichts der privaten Interessen konnten diese die gewichtigen öffentlichen Interessen nicht überwiegen. Es kann hierzu auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Im Übrigen ergibt sich aus Art. 8 EMRK - wie die Vorinstanz richtig ausgeführt hat - ebenfalls nichts anderes. 
 
3. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 21. Dezember 2011 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Errass