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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 276/03 
 
Urteil vom 22. Januar 2004 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Frésard; Gerichtsschreiber Schmutz 
 
Parteien 
G.________, 1967, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi, Picassoplatz 8, 4010 Basel, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel 
 
(Entscheid vom 12. Februar 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1967 geborene G.________ besuchte in Italien die Primarschule. Einen Beruf erlernte sie nicht. Seit 1996 arbeitete sie vollzeitlich als Hausangestellte im Spital X.________. Ab Dezember 1999 war sie unfallbedingt zu 50 % bis 100 % arbeitsunfähig. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als obligatorischer Unfallversicherer und die CSS Versicherung als Krankentaggeldversicherung des Spitals erbrachten die gesetzlichen Leistungen. Auf Grund einer Änderungskündigung des Spitals arbeitet G.________ seit dem 1. August 2002 noch halbtags als Mitarbeiterin im Hausdienst. Seitdem richtet ihr die Pensionskasse eine halbe Invalidenrente aus. Am 5. Januar 2001 meldete sich G.________ bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle Basel-Stadt zog die Akten der SUVA und den Bericht des behandelnden Arztes Dr. med. H.________, Spezialarzt für Neurologie FMH, vom 9. Januar 2002 bei. Gestützt auf diese Unterlagen wies sie das Rentenbegehren mit Verfügung vom 24. April 2002 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass es der Versicherten aus medizinischer Sicht zumutbar wäre, ganztags einer vorwiegend sitzenden Tätigkeit nachzugehen, bei der sie eine einen Rentenanspruch ausschliessende Erwerbseinbusse von 27 % erleiden würde. 
B. 
Die von G.________ hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer halben Invalidenrente und dem Eventualantrag auf Rückweisung zur Neubeurteilung des Anspruchs wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 12. Februar 2003 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die Versicherte beantragen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen. 
 
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 24. April 2002) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar. 
2. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen (Art. 8 Abs. 1 und 3 lit. b sowie Art. 10 Abs. 1 IVG), insbesondere auf Berufsberatung (Art. 15 IVG; BGE 114 V 29 Erw 1a; ZAK 1988 S. 179 Erw. 4a, je mit Hinweisen), erstmalige berufliche Ausbildung (Art. 16 IVG, Art. 5 IVV; BGE 114 V 30 Erw. 1b und 2; ZAK 1989 S. 598 Erw. 2, 1988 S. 177 Erw. 2 und 3, 1982 S. 493, je mit Hinweisen) und Umschulung (Art. 17 IVG, Art. 6 IVV; BGE 122 V 79 Erw. 3b/bb, AHI 2000 S. 26 Erw. 2a, 62 Erw. 1, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 124 V 110 Erw. 2a), sowie über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung) und die Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben hat die Vorinstanz auch die Grundsätze über das Prinzip der freien Beweiswürdigung (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweisen), die Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) sowie den Beweiswert eines Arztberichts (BGE 125 V 352 Erw. 3a; RKUV 2000 Nr. KV 124 S. 214). Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
Streitig ist der Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen, insbesondere auf Umschulung, sowie die Bemessung des Invaliditätsgrades. 
Die IV-Stelle hat lediglich über den Rentenanspruch verfügt. Die Verwaltung hat indessen in der vorinstanzlichen Vernehmlassung zur Frage der beruflichen Massnahmen Stellung genommen, und die Vorinstanz hat das Verfahren auch auf diesen Punkt ausgedehnt. Da diese Frage spruchreif ist und mit der Rentenfrage derart eng zusammenhängt, dass von einer Tatbestandsgesamtheit gesprochen werden kann, ist sie vorliegend zu beurteilen (BGE 125 V 414 Erw. 1a, 122 V 36 Erw. 2a, je mit Hinweisen). 
4. 
Zur Klärung der Frage, welche Betätigungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin noch bleiben, holte die IV-Stelle lediglich bei Dr. med. H.________ den Arztbericht vom 9. Januar 2002 ein. Dieser äusserte sich dahingehend, dass "eine sitzende Tätigkeit im Büro oder eine ähnliche Tätigkeit" voll zumutbar wäre, wobei er dies allerdings in Anbetracht der Möglichkeiten der Versicherten und ihrer bisherigen Ausbildung nicht für möglich hielt. Der Arzt grenzte den der Beschwerdeführerin auf Grund ihrer vererbten sensomotorischen Polyneuropathie noch als körperlich zumutbar erachteten Tätigkeitbereich möglicherweise bewusst relativ eng auf eine sitzende Büro- oder ähnliche Tätigkeit ein. Die Verwaltung interpretierte diese Aussage dagegen so, dass es der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht zumutbar sei, einer lediglich vorwiegend sitzend auszuübenden Beschäftigung nachzugehen. Auch sei dies nicht auf einen Büro- oder büroähnlichen Arbeitsplatz eingeschränkt. Es finden sich in den Akten für den vorliegend massgebenden Zeitraum keine weiteren medizinischen oder erwerblichen Abklärungen. Das Fehlen solcher Berichte ist schwerwiegend. Wenn wie hier erheblich von der Stellungnahme des behandelnden Arztes abgewichen wird, ohne dass andere ärztliche Stellungnahmen vorliegen, ist eine zuverlässige Ermittlung des Invaliditätsgrades nicht gewährleistet. Es liegt eine Verletzung der Untersuchungsmaxime und der Beweisvorschriften durch die IV-Stelle vor. Die Sache wird an die IV-Stelle zurückgewiesen, damit sie bei Dr. med. H.________ einen zusätzlichen Bericht dazu einholt, ob bei der Beschwerdeführerin allenfalls für jede vorwiegend sitzende Tätigkeit eine 100-prozentige Arbeitsfähigkeit besteht, und nicht lediglich für eine ausschliesslich sitzende Büro- oder büroähnliche Tätigkeit. Die IV-Stelle wird gegebenenfalls weitere medizinische sowie erwerbliche und bei Bedarf auch berufsberaterische Abklärungen tätigen und der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen. Anschliessend wird sie über den Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen resp. eine Invalidenrente neu verfügen. 
5. 
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die vorinstanzliche Berechnung des Invaliditätsgrades im Hinblick auf den Anspruch auf berufliche Umschulung unstatthaft ist (vgl. Erw. 3d des kantonalen Entscheides). Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer angestammten Tätigkeit als Hausangestellte zu 50 % arbeitsfähig ist und in einer sitzenden Büro- oder ähnlichen Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig, dann darf daraus nicht abgeleitet werden, sie sei bei einem Halbtagspensum als Hausangestellte voll arbeitsfähig und deshalb halbiere sich der für eine Verweisungstätigkeit errechnete Invaliditätsgrad (hier vorerst 27 %) um die Hälfte (auf vorerst 13,5 %). Wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, hätte ein solches Vorgehen zur Folge, dass die in der angestammten Tätigkeit noch teilzeitlich beschäftigten Invaliden im Verhältnis zu den stellenlosen Invaliden ungleich behandelt würden. Zudem ist die Annahme nicht realistisch, dass die Beschwerdeführerin, die nach den Angaben von Dr. med. H.________ "gerade ein 50-Prozent-Pensum als Hausangestellte erträgt" (Beiblatt zum IV-Arztbericht S. 1 oben), dann jeweils am anderen Halbtag noch eine quasi vollwertige Leistung in einer Verweisungstätigkeit erbringen könnte. Hinzu käme sogar noch der bei der Besetzung zweier Stellen aufwändigere Arbeitsweg und der notwendige zweimalige Wechsel der Arbeitskleidung. Diese Einwände gelten auch für die vorinstanzliche Berechnung des Invaliditätsgrades für den Rentenanspruch, wo allerdings die Möglichkeit einer solchen "gemischten" Berechnung nur als Frage aufgeworfen wurde (vgl. a.a.O. Erw. 4c in fine). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 12. Februar 2003 und die Verfügung der IV-Stelle Basel-Stadt vom 24. April 2002 aufgehoben, und es wird die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen, damit sie über den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Leistungen der Invalidenversicherung neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle Basel-Stadt hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wird über die Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 22. Januar 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: