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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_667/2008 /hum 
 
Urteil vom 22. Januar 2009 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Mathys, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Parteien 
S.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel U. Walder, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einziehung, 
 
Beschwerde gegen den Nachtragsbeschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 18. Juni 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland stellte am 12. März 2007 das Untersuchungsverfahren gegen S.________ wegen Vergehens gegen das Waffengesetz ein. Gleichzeitig verfügte sie die Einziehung diverser Waffen und -bestandteile (ca. 70 Gegenstände). 
 
In der Folge verlangte S.________ die gerichtliche Beurteilung der Einziehung eines Dolches, dreier Klappmesser und einer Reisetasche. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Meilen gab am 10. Oktober 2007 die Reisetasche frei, bestätigte aber die Einziehung des Dolchs und der drei Klappmesser. 
Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 19. Dezember 2007 einen Rekurs von S.________ ab, leitete aber die drei Klappmesser, deren Einziehung angefochten war, an das Statthalteramt des Bezirks Meilen weiter, weil dieses und nicht die Staatsanwaltschaft über die Einziehung der Messer zu befinden habe. 
 
B. 
Am 9. Juni 2008 ersuchte S.________ das Obergericht um Erläuterung und Berichtigung des Entscheids vom 19. Dezember 2007: Nicht nur die drei Klappmesser, sondern alle beschlagnahmten Gegenstände seien dem Statthalteramt zu überweisen, damit es über Herausgabe bzw. Einziehung entscheide. 
 
Das Obergericht wies das Gesuch am 18. Juni 2008 ab. 
 
C. 
S.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben, die Nichtigkeit der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 12. März 2007 festzustellen und das Statthalteramt als zuständige Behörde anzuweisen, betreffend Beschlagnahme der fraglichen Gegenstände zu verfügen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Reisetasche wurde dem Beschwerdeführer wieder ausgehändigt, und die drei Klappmesser wurden dem Statthalteramt zum Einziehungsentscheid überwiesen. Alle übrigen Gegenstände, die der Beschwerdeführer durch das Statthalteramt beurteilt haben möchte, sind durch rechtskräftigen Entscheid eingezogen, weil er die Verfügung der Staatsanwaltschaft betreffend die übrigen Gegenstände bzw. diejenige des Einzelrichters in Bezug auf den Dolch nicht angefochten hat (siehe Sachverhalt: A). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt, gemäss einschlägiger Lehre und Rechtsprechung gehe nichtigen Verfügungen jegliche Verbindlichkeit und Rechtswirksamkeit ab. Als Nichtigkeitsgrund komme namentlich die Unzuständigkeit der verfügenden Behörde in Betracht. Die Nichtigkeit sei jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu berücksichtigen und könne - müsse aber nicht - im Rechtsmittelverfahren festgestellt werden. Weil das Statthalteramt und nicht die Staatsanwaltschaft zuständig gewesen sei, die Einziehung der fraglichen Gegenstände zu beurteilen, sei die Verfügung der Staatsanwaltschaft absolut nichtig. 
 
2.1 Im Strafrecht sind - sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind - prozessleitende sowie Rechtshilfeentscheide abänderbar, weil sie dem Verwaltungsrecht angehören. Sach- und Prozessurteile sowie nachträgliche Strafentscheide erwachsen dagegen in Rechtskraft und sind grundsätzlich unabänderlich (HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, S. 421 N. 1). 
 
Der Beschwerdeführer verweist auf BGE 132 II 342, E. 2.1 und 117 Ia 202, E. 8a. Diese Entscheide und die gesamte dort zitierte Rechtsprechung handeln ausschliesslich von Verwaltungsrecht. Ebenso nennt der Beschwerdeführer nur Lehrbücher bzw. einen Festschriftbeitrag aus dem Verwaltungsrecht. Diese Rechtsprechung und Lehre kann somit nicht unbesehen auf Strafrechtsentscheide übertragen werden. 
 
2.2 Im Urteil 6S.4/2006 vom 26. Juni 2006 führte das Bundesgericht zur Nichtigkeit eines Strafurteils in einem Bundesstrafverfahren unter anderem aus: 
"Die nicht gesetzlich bestimmte Durchbrechung der Rechtsmittelordnung sowie der Rechtskraft von Urteilen durch die Annahme absoluter Nichtigkeit eines Entscheids kommt (...) nur bei besonders schweren Rechtsverletzungen (Kriterium der Gravität) und damit nur in krassen Ausnahmefällen in Betracht. In aller Regel werden fehlerhafte Urteile nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfristen ebenso rechtskräftig wie völlig fehlerfreie Entscheide. Mit dem Rechtsmittelsystem steht nach dem Willen des Gesetzgebers ein hinreichender Rechtsschutz bereit. Damit ist auch die Rechtssicherheit gewährleistet. Sollte sich tatsächlich der Fall eines absolut nichtigen Urteils ergeben, müsste dieser Mangel aus rechtsstaatlichen Erwägungen gegebenenfalls im Rahmen einer erweiterten Auslegung der Revision behoben werden können. (...) Es besteht um so weniger Anlass, praeter legem ein Verfahren auf Feststellung der absoluten Nichtigkeit zu schaffen, als dieses kaum anders denn in analoger Anwendung der Revisionsbestimmungen praktikabel wäre" (E. 3). 
 
Überträgt man diese Ausführungen auf das Verfahren des Beschwerdeführers, muss die Voraussetzung einer besonders schweren Rechtsverletzung bzw. eines krassen Ausnahmefalls verneint werden. Weil die Staatsanwaltschaft zuständig ist, ein Strafverfahren einzustellen, wäre es sachlich nicht abwegig, ihr gleichzeitig auch den Einziehungsentscheid über beschlagnahmte Vermögenswerte zu übertragen. Diese sachliche Nähe rechtfertigt es bei weitem nicht, von Bundesrechts wegen die absolute Nichtigkeit der Verfügung der Staatsanwaltschaft festzustellen. Im Übrigen legt der Beschwerdeführer nicht dar, dass von der zuständigen Instanz - dem Statthalteramt - in der Sache ein abweichender Entscheid zu erwarten gewesen wäre. Von daher kann auch von einem rechtsstaatlich unerträglichen Ergebnis keine Rede sein. 
 
Dass die Vorinstanz kantonalrechtliche Bestimmungen betreffend die Nichtigkeit von Verfügungen willkürlich angewandt haben sollte, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. 
 
2.3 Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet. 
 
3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 22. Januar 2009 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Borner