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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_387/2022  
 
 
Urteil vom 22. Februar 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Merz, Kölz, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Patricia Zumsteg, 
 
gegen  
 
Philipp Klaus, c/o Bezirksgericht Horgen, Burghaldenstrasse 3, 8810 Horgen. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 20. Juni 2022 (UA220021-O/U/HEI). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 16. Februar 2022 erhob die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis gegen A.________ Anklage beim Bezirksgericht Horgen wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte und weiteren Delikten. Mit Verfügung vom 16. März 2022 setzte das Bezirksgericht (Einzelgericht) die Hauptverhandlung auf den 27. April 2022 fest und gab die Besetzung bekannt mit Bezirksrichter Dr. iur. Philipp Klaus als Einzelrichter. Gleichzeitig setzte das Bezirksgericht den Parteien eine Frist von 10 Tagen an, um Beweisanträge zu stellen. Diese Verfügung ging der Verteidigerin am 23. März 2022 zu. Mit Eingabe vom 25. März 2022 stellte die Beschuldigte mehrere Beweisanträge, welche der Einzelrichter mit Verfügung vom 28. März 2022 abwies. Diese prozessleitende Verfügung wurde der Verteidigerin am 30. März 2022 eröffnet. Am 4. April 2022 stellte die Beschuldigte beim Obergericht des Kantons Zürich ein Ausstandsbegehren gegen den Einzelrichter des Bezirksgerichtes. Mit Beschluss vom 20. Juni 2022 wies das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, das Ausstandsgesuch ab. 
 
B.  
Gegen den Beschluss des Obergerichtes gelangte die Beschuldigte mit Beschwerde vom 21. Juli 2022 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Gutheissung ihres Ausstandsbegehrens. 
Der vom Ausstandsgesuch betroffene Richter und die Vorinstanz haben am 27. bzw. 29. Juli 2022 je ausdrücklich auf Stellungnahmen verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in Strafsachen (Art. 92 i.V.m. Art. 78 ff. BGG) sind grundsätzlich erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
 
2.  
Im angefochtenen Entscheid wird Folgendes erwogen: 
Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Ausstandsbegehren geltend gemacht, der betroffene Bezirksrichter habe bereits an einem sie verurteilenden erstinstanzlichen Urteil vom 6. November 2021 (recte: 2020) des Bezirksgerichts Horgen mitgewirkt, und dieses Urteil sei vom kantonalen Obergericht (im Berufungsverfahren SU210003) "gekehrt" worden. Schon am 23. März 2022 habe sie erfahren, dass der fragliche Richter in der vorliegenden neuen Strafsache wieder als Einzelrichter amten werde. Seinen Ausstand habe sie am 4. April 2022 verlangt, kurz nachdem der Einzelrichter mit Verfügung vom 28. März 2022 ihre Beweisanträge vom 25. März 2022 abgewiesen habe. Ausstandsgesuche seien umgehend nach Kenntnis der Ausstandsgründe zu stellen, wobei ein innert sechs bis sieben Tagen gestelltes Begehren nach der Praxis des Bundesgerichtes in der Regel noch als rechtzeitig gelte. Ob die Beschwerdeführerin den Ausstandsgrund der Vorbefassung sinngemäss und rechtzeitig (zwölf Kalendertage nach Kenntnisnahme der Richterbesetzung) angerufen habe, könne offen bleiben, da auch materiell keine Vorbefassung des Einzelrichters (im neuen bezirksgerichtlichen Verfahren GG220005-F) vorliege. Die beiden Verfahren beträfen nicht die gleiche Sache. Es komme vor, dass dieselbe Gerichtsperson bei verschiedenen Verfahren mit derselben Partei mitwirke; dies allein begründe keinen Ausstandsgrund. 
Zusätzlich habe die Beschwerdeführerin noch eine Befangenheit des designierten Einzelrichters "aus anderen Gründen" beanstandet. Diese habe sich ihrer Ansicht nach darin gezeigt, dass er in seiner Verfügung vom 28. März 2022 ihre Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt habe, der Sachverhalt erscheine ihm hinreichend geklärt. Daraus folgere sie, dass er an der Wahrheitsfindung offensichtlich nicht interessiert sei und stattdessen eine (ihrer Ansicht nach) unzulässige antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen habe. Allfällige fehlerhafte Verfügungen und Verfahrenshandlungen eines Richters oder einer Richterin begründeten für sich allein aber noch keinen Anschein der Voreingenommenheit. Anders verhalte es sich nur, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorlägen, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen könnten. Dass dies hier der Fall wäre, habe die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Im Ausstandsverfahren gehe es nicht darum, fehlerhafte Entscheide zu korrigieren. Eine umstrittene antizipierte Beweiswürdigung führe für sich alleine nicht zum Anschein der Befangenheit. Selbst wenn sich die Abweisung der Beweisanträge im weiteren Verfahren als "unzutreffend" erweisen würde, wäre darin nicht ohne Weiteres ein Ausstandsgrund zu erkennen. Vielmehr hätte sich die Beschwerdeführerin mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln dagegen zu wehren. Ein besonders krasser oder wiederholter Verfahrensfehler des vom Ausstandsbegehren betroffenen Richters sei nicht dargetan. 
 
3.  
 
3.1. Nach Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Dies soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens beitragen und ein gerechtes Urteil ermöglichen (BGE 147 III 379 E. 2.3.1, 140 I 240 E. 2.2; 271 E. 8.4; 326 E. 5.1; 140 III 221 E. 4.1; 137 I 227 E. 2.1; je mit Hinweisen). Die grundrechtliche Garantie wird für das Strafverfahren in Art. 56 StPO konkretisiert (BGE 138 I 425 E. 4.2.1 mit Hinweisen).  
 
3.2. Eine in einer Strafbehörde, etwa beim erstinstanzlichen Gericht (Art. 13 lit. b StPO), tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, in der gleichen Sache tätig war (Art. 56 lit. b StPO) oder wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte (Art. 56 lit. f StPO). Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Wird ein Ausstandsgesuch nach Art. 56 lit. f StPO geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Art. 56 lit. b StPO abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig die Beschwerdeinstanz, wenn die erstinstanzlichen Gerichte betroffen sind (Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO).  
 
3.3. Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in das Gericht kann bei den Parteien immer dann entstehen, wenn Gerichtspersonen in einem früheren Verfahren mit der konkreten Streitsache schon einmal befasst waren. In einem solchen Fall sogenannter Vorbefassung in der gleichen Sache (Art. 56 lit. b StPO) stellt sich die Frage, ob sich eine Gerichtsperson durch ihre Mitwirkung an früheren Entscheidungen in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hat, die sie nicht mehr als unvoreingenommen und dementsprechend das Verfahren nicht mehr offen erscheinen lassen (BGE 140 I 326 E. 5.1; 131 I 24 E. 1.2; 113 E. 3.4 mit Hinweisen).  
Der Anschein von Befangenheit "aus anderen Gründen" (im Sinne von Art. 56 lit. f StPO) kann vorliegen, wenn nach objektiver Betrachtung besonders krasse oder ungewöhnlich häufige Fehlleistungen einer verantwortlichen Gerichtsperson vorliegen, welche bei gesamthafter Würdigung eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken (BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.3; 138 IV 142 E. 2.3; Urteile 1B_98/2021 vom 3. März 2022 E. 3.2-3.3; 1B_457/2018 vom 28. Dezember 2018 E. 2-4; 1B_322/2018 vom 7. November 2018 E. 2). Diesbezüglich sind primär die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen beanstandete Verfahrenshandlungen auszuschöpfen (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.2; 114 Ia 153 E. 3b/bb; je mit Hinweisen). 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin rügt insbesondere eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 56 lit. f StPO.  
Wie sich aus den Akten ergibt, hat sie ihr Ausstandsgesuch vom 4. April 2022 wie folgt begründet: Aus der ihr am 23. März 2022 zugegangenen Verfügung vom 16. März 2022 habe sie erfahren, dass der designierte Einzelrichter (im bezirksgerichtlichen Strafverfahren GG220005-F) schon am bezirksgerichtlichen Urteil vom 6. November 2020 im Verfahren GC200013 als Einzelrichter mitgewirkt habe. Dieses Urteil sei vom Zürcher Obergericht mit Berufungsentscheid vom 3. Januar 2022 teilweise aufgehoben und sie sei vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (im Verfahren SU210003) freigesprochen worden. Die Befangenheit des Bezirksrichters manifestiere sich darin, dass er "mit Verfügung vom 28. März 2022 (eingegangen am 30. März 2022) die Beweisanträge" der Verteidigung "allesamt abgelehnt" habe, mit der Begründung, der Sachverhalt sei "als hinreichend geklärt zu erachten". Dies zeige, dass der designierte Richter "offensichtlich nicht an einer Wahrheitsfindung interessiert" sei. Die von ihm vorgenommene antizipierte Beweiswürdigung sei "unzulässig". Eine solche sei "restriktiv zu handhaben", da sie "die Ergebnisoffenheit der Sachverhaltsermittlungen" beschränke. 
 
4.2. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, hat die Beschwerdeführerin keine Vorbefassung des designierten Einzelrichters im Sinne von Art. 56 lit. b StPO dargetan. Das erste Strafverfahren, das mit einem Freispruch im Berufungsverfahren endete, betraf einen anderen Anklagesachverhalt in einem separaten Verfahren, nämlich den Vorwurf einer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der damalige Fall war von den neu zu beurteilenden Vorwürfen (Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte usw.) materiellrechtlich, prozessual und tatsächlich verschieden. Eine gesetzlich unzulässige richterliche Vorbefassung in der gleichen Sache liegt nicht vor. Eine solche wurde im Ausstandsbegehren denn auch nicht behauptet.  
Ebenso wenig legt die Beschwerdeführerin objektive Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Einzelrichters im Sinne von Art. 56 lit. f StPO hinreichend dar. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt und sich aus der oben (E. 3.3) dargelegten Rechtsprechung ergibt, dient das Ausstandsverfahren nicht dazu, irgendwelche prozessuale Rügen gegen verfahrensleitende Verfügungen bereits vorab prüfen zu lassen, welche die Parteien auch noch ohne Weiteres im Rahmen der gerichtlichen Hauptverhandlung (oder nötigenfalls im Rechtsmittelverfahren) erheben können. Die Abweisung der Beweisanträge erfolgte hier prozessleitend vor der angesetzten Hauptverhandlung. Der anwaltlich verbeiständeten Beschwerdeführerin stand es frei, ihre Beweisanträge anlässlich der Hauptverhandlung nochmals zu stellen, sie ausreichend zu begründen und nötigenfalls zu ergänzen (Art. 331 Abs. 3, Art. 339 Abs. 2 lit. d und Abs. 3, Art. 343 Abs. 1 und Art. 345 StPO). 
Die prozessleitende Abweisung von Beweisanträgen lässt hier auch keinen besonders krassen Verfahrensfehler erkennen; dies umso weniger, als die Beschwerdeführerin im Ausstandsverfahren zwar pauschal geltend machte, es liege eine "unzulässige" antizipierte Beweiswürdigung vor, diese Rechtsbehauptung aber nicht nachvollziehbar begründete. Dass eine antizipierte Beweiswürdigung zum Vornherein unzulässig wäre, findet weder im Gesetz noch in der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes eine Stütze (Art. 139 Abs. 2 StPO; s.a. und Art. 318 Abs. 2 StPO). Im Ausstandsbegehren wurde im Übrigen weder dargelegt, welchen Beweisanträgen aus welchem Grund zwingend Folge zu leisten gewesen wäre, noch, weshalb eine allfällige Korrektur schon vor der erstinstanzlichen Hauptverhandlung hätte erfolgen müssen. 
 
4.3. Die restlichen noch erhobenen Rügen (etwa der Verletzung der strafprozessualen Unschuldsvermutung oder des Fairnessgrundsatzes) haben im vorliegenden Zusammenhang keine über das bereits Dargelegte hinausgehende selbstständige Bedeutung. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet.  
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. 
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Februar 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Müller 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster