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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_396/2022  
 
 
Urteil vom 22. Februar 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Haag, Kölz, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________ GmbH, 
Beschwerdeführende, 
beide vertreten durch Fürsprecher Paolo Arnoldo Losinger, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, II. Abteilung, An der Aa 4, Postfach, 6301 Zug. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Wiederherstellung der Frist zur Leistung des Kostenvorschusses, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, 
vom 27. Juni 2022 (BS 2022 8). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 3. Juni 2021 erstattete A.________ sowohl im eigenen Namen wie auch als Vertreter der B.________ GmbH Strafanzeige gegen deren Geschäftsführer wegen des Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung, eventualiter der Veruntreuung. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 11. Januar 2022 nahm die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung betreffend die angezeigten Delikte nicht an die Hand. Auf die dagegen von A.________ (erneut) im eigenen Namen wie auch im Namen der B.________ GmbH erhobene Beschwerde ist das Obergericht des Kantons Zug mit Beschluss vom 27. Juni 2022 wegen nicht fristgerechter Leistung des Kostenvorschusses nicht eingetreten und hat zugleich sein Gesuch um Wiederherstellung dieser Frist abgewiesen. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 28. Juli 2022 liess A.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) über seinen Rechtsanwalt im eigenen Namen wie auch im Namen der B.________ GmbH beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen erheben. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Frist zur Zahlung des Kostenvorschusses sei wiederherzustellen. Folglich sei auf seine Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung einzutreten und eine Strafuntersuchung aufgrund der angezeigten Delikte zu eröffnen. Sodann sei festzustellen, dass er und/oder die B.________ GmbH als Geschädigte am Strafverfahren beteiligt seien und sich vorbehalten würden, adhäsionsweise Schadenersatzansprüche geltend zu machen. 
Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Mit Eingabe vom 7. September 2022 hat die B.________ GmbH über einen von ihr mandatierten Rechtsanwalt verlauten lassen, A.________ sei nicht mehr für sie zeichnungsberechtigt, womit der von ihm beauftragte Anwalt auch nicht in ihrem Namen habe Beschwerde an das Bundesgericht einreichen können. Die B.________ GmbH sei daher nicht als Verfahrenspartei zu betrachten. A.________ hat sich nicht mehr zur Sache geäussert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist die von der Vorinstanz abgelehnte Wiederherstellung der Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses duch den Beschwerdeführer sowie der damit einhergehende Nichteintretensentscheid hinsichtlich seiner Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft. Streitgegenstand des vorliegenden bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens kann daher nur die Frage sein, ob dieser Nichteintretensentscheid der Vorinstanz zu Recht erfolgt ist. Soweit eine materielle Beurteilung der Streitsache verlangt wird, kann darauf von vornherein nicht eingetreten werden (BGE 144 II 184 E. 1.1; 139 II 233 E. 3.2; 135 II 38 E. 1.2). 
 
2.  
Die Vorinstanz hat ihren Entscheid damit begründet, dass der verlangte Kostenvorschuss nicht fristgerecht geleistet worden sei und die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der Frist nach Art. 94 StPO vorliegend nicht erfüllt seien. Weiter hat sie festgehalten, mangels Legitimation des Beschwerdeführers hätte auf die Beschwerde ohnehin nicht eingetreten werden können. Zum einen sei der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung nicht (mehr) für die B.________ GmbH zeichnungsberechtigt gewesen und habe daher nicht über die Befugnis verfügt, in ihrem Namen ein Rechtsmittel zu ergreifen. Zum anderen sei der Beschwerdeführer als (blosser) Gesellschafter der B.________ GmbH durch die behauptete ungetreue Geschäftsbesorgung oder Veruntreuung in seinen Vermögensrechten nicht unmittelbar verletzt worden, weshalb ihm auch die Legitimation zur Anfechtung der Nichtanhandnahmeverfügung im eigenen Namen abzusprechen sei. 
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die vorinstanzlichen Feststellungen betreffend seine Legitimation. Er sei mittels eines offensichtlich ungültigen Gesellschaftsbeschlusses als zeichnungsberechtigter Geschäftsführer abgewählt worden, um die Einreichung einer Strafanzeige im Namen der Gesellschaft zu verhindern. Ein solches Vorgehen dürfe nicht geschützt werden und seine (unzulässige) Abberufung sei auch Gegenstand eines zivilrechtlichen Verfahrens. Sodann sei er auch im eigenen Namen legitimiert, Beschwerde zu führen, da er durch die zur Anzeige gebrachten Straftaten in seinen Vermögenswerten sowohl mittelbar als auch unmittelbar geschädigt worden sei. Schliesslich wendet sich der Beschwerdeführer gegen die durch die Vorinstanz verweigerte Wiederherstellung der Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses. 
 
3.  
Ob der Beschwerdeführer vor der Vorinstanz wie auch vor Bundesgericht - sei es im eigenen Namen oder im Namen der Gesellschaft - überhaupt zur Verfahrensführung berechtigt war respektive ist, kann dahingestellt bleiben. Seine Rügen betreffend die Verweigerung der Wiederherstellung der Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses sind offensichtlich unbegründet, womit die Beschwerde ohnehin abzuweisen ist: 
 
3.1. Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie gemäss Art. 94 Abs. 1 StPO die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die Wiederherstellung nur bei klarer Schuldlosigkeit gewährt werden. Unverschuldet ist die Säumnis nur, wenn sie durch einen Umstand eingetreten ist, der nach den Regeln vernünftiger Interessenwahrung auch von einer sorgsamen Person nicht befürchtet werden muss oder dessen Abwendung übermässige Anforderungen gestellt hätte. Allgemein wird vorausgesetzt, dass es in der konkreten Situation unmöglich war, die Frist zu wahren oder jemanden damit zu betrauen (statt vieler Urteil 6B_799/2022 vom 3. Oktober 2022 E. 2.2 mit zahlreichen Hinweisen).  
 
3.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der geschuldete Gerichtskostenvorschuss erst einen Tag nach Ablauf der Frist überwiesen worden sei. Dies sei, entgegen der Ansicht der Vorinstanz, jedoch keiner eigentlichen Computerpanne, die grundsätzlich nicht zur Wiederherstellung der Frist berechtige, geschuldet. Der Computer habe einwandfrei funktioniert, das Problem habe vielmehr darin gelegen, dass die E-Mail, mit welcher sein Rechtsvertreter die Bank angewiesen habe, eine Expresszahlung auszuführen, aufgrund einer Fehlfunktion des Cloud-Servers nie versandt worden und entsprechend auch nie angekommen sei. Dies stelle ein unvorhersehbares technisches Problem dar, welches nur im Nachhinein von fachlich geschultem Personal identifiziert und behoben werden könne und für ihn nicht erkennbar gewesen sei.  
 
3.3. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach Art. 91 Abs. 5 StPO gilt die Frist für eine Zahlung an eine Strafbehörde als gewahrt, wenn der Betrag spätestens am letzten Tag der Frist zugunsten der Strafbehörde der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in der Schweiz belastet worden ist. Demnach kommt der blossen Zahlungsanweisung an die Bank keine fristwahrende Wirkung zu; der Beschwerdeführer durfte sich somit nicht damit begnügen, seine Bank per E-Mail zu instruieren, sondern hätte sich vergewissern müssen, dass sie diese Instruktion erhalten und ausgeführt hat (vgl. Urteil 1B_497/2016 vom 8. März 2017 E. 2.3). Demnach erweist sich die Säumnis des Beschwerdeführers als verschuldet, weshalb eine Wiederherstellung der Frist zur Leistung des Kostenvorschusses ausser Betracht fällt und der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz in der Hauptsache vor Bundesrecht standhält.  
 
4. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen und keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 66 und 68 BGG).  
Da die Gerichtskosten durch den geleisteten Kostenvorschuss gedeckt sind, kann offenbleiben, ob die B.________ GmbH Verfahrenspartei ist und entsprechend dem Bundesgericht solidarisch für die geschuldeten Gerichtskosten haftet. Ob im internen Verhältnis zwischen ihr und dem Beschwerdeführer eine Ersatzpflicht besteht, wird von den Zivilgerichten zu klären sein. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden A.________ auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführenden, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, II. Abteilung, dem Obergericht des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, C.________ und D.________ schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Februar 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Müller 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger