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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8G.12/2003 /pai 
 
Urteil vom 22. April 2003 
Anklagekammer 
 
Besetzung 
Bundesrichter Karlen, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Marazzi, 
Gerichtsschreiber Monn. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Georg Friedli, Bahnhofplatz 5, Postfach 6233, 3001 Bern, 
 
gegen 
 
Schweizerische Bundesanwaltschaft, 
Taubenstrasse 16, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Beschlagnahme von Vermögenswerten, 
 
AK-Beschwerde gegen die Verfügung der Schweizerischen Bundesanwaltschaft vom 24. Januar 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Neue Zürcher Zeitung berichtete am 15. Januar 2003 über Ermittlungen gegen den deutschen Zigarettenkonzern Reemtsma. In einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde unter dem Titel "Reemtsma-Razzia: Bisher grösster Schlag gegen die Zigarettenmafia" ein Mitglied des Vorstands vom Reemtsma, X.________, der in Grossbritannien seinen Wohnsitz hat, namentlich als Beschuldigter genannt. 
 
Als X.________ bei der A.________ Bank AG in Zürich ein Konto eröffnen wollte, wurde dies durch die Bank abgelehnt. Dennoch ging auf deren Nostro-Konto am 15. Januar 2003 ein Betrag von ... Euro ein. 
 
Die A.________ Bank erstattete am 16. Januar 2003 der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) eine Verdachtsmeldung gemäss Art. 9 des Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor vom 10. Oktober 1997 (Geldwäschereigesetz, GwG, SR 955.0). Die Meldestelle leitete die Meldung der Schweizerischen Bundesanwaltschaft weiter. 
 
Diese eröffnete am 20. Januar 2003 gegen X.________ ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäscherei gemäss Art. 305bis StGB
B. 
Mit Verfügung vom 24. Januar 2003 beschlagnahmte die Schweizerische Bundesanwaltschaft bei der A.________ Bank die ... Euro sowie allfällige weitere Vermögenswerte, für die X.________ wirtschaftlich berechtigt bzw. aufgrund von Vollmachten zeichnungsberechtigt sei. Zudem verlangte sie die Edition sämtlicher Unterlagen. Die Verfügung wurde der A.________ Bank eröffnet. 
C. 
X.________ wendet sich mit Beschwerde vom 10. Februar 2003 an die Anklagekammer des Bundesgerichts und beantragt, die Beschlagnahme- und Editionsverfügung vom 24. Januar 2003 sei aufzuheben. Eventualiter sei die Bundesanwaltschaft anzuweisen, die angefochtene Verfügung zu begründen und dem Beschwerdeführer Akteneinsicht zu gewähren; anschliessend sei ihm Frist zur Ergänzung der Beschwerde anzusetzen (act. 1). 
 
Die Bundesanwaltschaft beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 20. Februar 2003, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei (act. 5). 
 
Die Parteien halten im zweiten Schriftenwechsel mit Eingaben vom 20. März und 4. April 2003 an ihren Anträgen fest (act. 10 und 13). 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
1. 
Nach der Darstellung des Beschwerdeführers hat er von der angefochtenen Verfügung am 5. Februar 2003 über die A.________ Bank und über seinen Vermögensverwalter Kenntnis erhalten (act. 1 S. 2/3). Er belegt dies zwar nicht, aber es kann davon ausgegangen werden, dass seine Behauptung zutrifft. Insbesondere stellt auch die Bundesanwaltschaft fest, dass die A.________ Bank dem Beschwerdeführer über die Verfügung Mitteilung gemacht habe (act. 5 S. 2). Folglich ist die Beschwerde vom 10. Februar 2003 fristgerecht eingereicht worden. 
2. 
Die angefochtene Verfügung ist an die A.________ Bank gerichtet. Der Beschwerdeführer erleidet durch sie jedoch einen Nachteil. Er ist folglich in Anwendung von Art. 105bis Abs. 2 in Verbindung mit Art. 214 Abs. 2 BStP zur Beschwerde legitimiert. 
3. 
In Bezug auf den Eventualantrag des Beschwerdeführers hält die Bundesanwaltschaft fest, inzwischen sei über das Begehren um Begründung der angefochtenen Verfügung und um Akteneinsicht entschieden worden, weshalb der Eventualantrag gegenstandslos geworden sei (act. 5 S. 2). Im zweiten Schriftenwechsel hält der Beschwerdeführer seinen Eventualantrag nicht aufrecht (act. 10 S. 2), so dass dieser gegenstandslos geworden ist und sich die Anklagekammer nicht mehr damit befassen muss. 
 
Soweit er eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht, weil die angefochtene Verfügung keine hinreichende Begründung enthalte (act. 1 S. 7, act. 10 S. 4), ist das Vorbringen jedenfalls im Ergebnis unbegründet. Zunächst muss eine Beschlagnahmeverfügung keine ausführliche Begründung enthalten (BGE 120 IV 164 E. 1c, 297 E. 3e). Zudem wurde ein allfälliger Mangel dadurch geheilt, dass sich der Beschwerdeführer im zweiten Schriftenwechsel vor der Anklagekammer zur Vernehmlassung und damit zu den Argumenten der Bundesanwaltschaft äussern konnte (BGE 126 V 130 E. 2b). 
4. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die bei der A.________ Bank hinterlegten finanziellen Mittel seien bis Dezember 2002 von der B.________ Bank in Hamburg verwaltet worden und der Transfer auf die schweizerische Niederlassung der englischen A.________ Bank sei im Zuge eines Wohnsitzwechsels des Beschwerdeführers von Deutschland nach Grossbritannien erfolgt (act. 1 S. 4). Die beschlagnahmten Vermögenswerte seien von ihm vor längerer Zeit rechtmässig erworben worden (act. 1 S. 5). 
 
Die Bundesanwaltschaft verweist demgegenüber auf die oben erwähnten Zeitungsberichte. Danach sei davon auszugehen, dass in Deutschland gegen den Beschwerdeführer eine Strafuntersuchung unter anderem wegen des Verdachts auf Unterstützung einer kriminellen Vereinigung geführt werde. Die Pressemitteilungen seien von den zuständigen Staatsanwaltschaften in Deutschland bestätigt worden. Die ... Euro seien mit dem Buchungstext "Übertrag wg. Kontolöschung" von der B.________ Bank in Hamburg auf die A.________ Bank in Zürich mit Hauptsitz in London übertragen worden. Damit sei ein hinreichender Anfangsverdacht gegeben, dass der Beschwerdeführer seine Vermögenswerte unter dem Druck der gegen ihn in Deutschland erhobenen Vorwürfe in der Schweiz habe in Sicherheit bringen wollen (act. 5 S. 3/4). 
 
Der Beschwerdeführer reicht verschiedene Beilagen ein, mit denen nachgewiesen sei, dass die beschlagnahmten Gelder aus Arbeitserwerb stammen (act. 10 S. 6 - 8). Der Vermögenstransfer sei für ihn in steuertechnischer Hinsicht geboten gewesen und habe nichts mit Geldwäscherei zu tun (act. 10 S. 11). Zudem betreibe die kriminelle Vereinigung, die er unterstützt haben soll, angeblich Zigarettenschmuggel, und dieser sei nach schweizerischem Recht "nicht ohne weiteres" ein Verbrechen (act. 10 S. 9/10). 
5. 
Voraussetzung für eine Beschlagnahme gemäss Art. 65 Abs. 1 BStP, bei der es sich um eine provisorische prozessuale Massnahme zur vorläufigen Sicherung der Beweismittel bzw. der allenfalls der Einziehung unterliegenden Gegenstände und Vermögenswerte handelt, ist ein hinreichender, objektiv begründeter Tatverdacht gegenüber dem Betroffenen. An die Bestimmtheit der Verdachtsgründe sind zu Beginn der Untersuchung keine hohen Anforderungen zu stellen. Im Gegensatz zum Strafrichter hat die Anklagekammer bei der Überprüfung des Tatverdachts deshalb keine abschliessende Abwägung der in Betracht fallenden Tat- und Rechtsfragen vorzunehmen (BGE 124 IV 313 E. 4, 120 IV 365 E. 1c). 
 
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass gegen ihn und gegen weitere Mitarbeiter des Zigarettenkonzerns Reemtsma in Deutschland ermittelt wird. Der Neuen Zürcher Zeitung vom 15. Januar 2003 ist zu entnehmen, dass es um den Verdacht der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäscherei und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Rückfuhrschmuggel zuvor exportierter unversteuerter Zigaretten geht. Das Bundesgericht hat erkannt, dass bei organisiertem Zigarettenschmuggel der Tatbestand des Abgabebetrugs erfüllt sein kann (Urteil 1A.247/2000 vom 27. November 2000 E. 4). Dies wird vom Beschwerdeführer denn auch anerkannt, aber er macht geltend, in seinem Fall seien keine Umstände aktenkundig, die den Schluss auf Abgabebetrug zuliessen (act. 10 S. 10). Es ist angesichts der Umstände jedoch eher unwahrscheinlich, dass ein einfacher Schmuggel im Sinne von Art. 74 des Zollgesetzes vorliegen könnte, und jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass es um Abgabebetrug gehen und die Beteiligten sich deshalb eines Verbrechens schuldig gemacht haben könnten. Ob der Schmuggel mit weiteren Verbrechen (z.B. der Fälschung von Frachtpapieren) einhergegangen ist, wie die Bundesanwaltschaft mutmasst (act. 13 S. 4), ist Gegenstand der gerichtspolizeilichen Ermittlungen und nicht des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. 
 
Unter Hinweis auf die Beilagen 3 bis 10 seiner Eingabe vom 20. März 2003 macht der Beschwerdeführer geltend, beim beschlagnahmten Geld handle es sich um rechtmässig erworbenes Vermögen (act. 10 S. 6 - 8). Den Auszügen ist jedoch nur zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Mai 2001 von Reemtsma rund ... DM und im Mai 2002 von der C.________ Holding AG (der früheren Eigentümerin von Reemtsma) eine hohe "Sonderzahlung" erhalten hat. Die von Reemtsma bezogenen Tantiemen könnten mit den durch die Deutschen Behörden zu untersuchenden Vorfällen im Zusammenhang stehen, zumal der Beschwerdeführer nicht ein untergeordneter Mitarbeiter von Reemtsma war, sondern in einer leitenden Funktion in dessen Vorstand sass. Wie es sich mit der "Sonderzahlung" der C.________ Holding AG verhält, kann letztlich offen bleiben. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund am 15. Januar 2003 ausgerechnet ein Betrag von ... Euro zur A.________ Bank überwiesen worden ist. Davon, dass der rechtmässige Erwerb dieses Geldes zweifelsfrei erwiesen wäre (act. 10 S. 6), kann nicht die Rede sein. 
 
Gesamthaft gesehen ist ein hinreichender Anfangsverdacht zu bejahen, weshalb die angefochtene Beschlagnahme- und Editionsverfügung nicht zu beanstanden ist. Sie ist auch verhältnismässig, da der Beschwerdeführer eine mildere Massnahme, die denselben Zweck erfüllt, nicht zur Diskussion stellt und eine solche denn auch nicht ersichtlich ist. 
6. 
Die Beschwerde ist aus den genannten Gründen abzuweisen. Gemäss Art. 105bis Abs. 2 in Verbindung mit Art. 219 Abs. 3 BStP können die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt werden, wenn er das Verfahren leichtfertig veranlasst hat. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Es ist deshalb keine Gerichtsgebühr zu erheben. 
 
Demnach erkennt die Kammer: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Schweizerischen Bundesanwaltschaft schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 22. April 2003 
Im Namen der Anklagekammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: