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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_238/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. Mai 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Christe, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Vollstreckung aufgeschobener Freiheitsstrafen, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 3. Februar 2015. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 Das Bezirksgericht Pfäffikon verurteilte X.________ am 22. April 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten sowie einer Busse von Fr. 200.--. Am 27. Februar 2013 verurteilte es ihn zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 80.-- sowie einer Busse von Fr. 60.--. In beiden Urteilen schob es den Vollzug der Freiheitsstrafe zugunsten einer ambulanten Massnahme gemäss Art. 63 StGB auf. 
 
 Das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich (JuV) hob mit Verfügung vom 8. Januar 2014 die ambulante Massnahme wegen Aussichtslosigkeit auf. Die Direktion der Justiz und des Innern wies den Rekurs von X.________ gegen die Verfügung des JuV am 31. März 2014 ab. Dieser Entscheid blieb unangefochten. 
 
 Auf Antrag des JuV beschloss das Bezirksgericht Pfäffikon am 23. September 2014, die zugunsten der ambulanten Massnahme aufgeschobenen Freiheitsstrafen von 30 und 10 Monaten zu vollziehen. Die von X.________ hiergegen geführte Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 3. Februar 2015 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
2.  
 
 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der ober- und bezirksgerichtliche Beschluss seien aufzuheben, und auf die Anträge des Amts für Justizvollzug sei nicht einzutreten. Eventualiter seien die vorinstanzlichen Beschlüsse aufzuheben, und die Sache sei zwecks Prüfung der erneuten Anordnung einer ambulanten Massnahme an die Vorinstanzen zurückzuweisen. Subeventualiter seien die Vorinstanzen anzuweisen, über ihn ein neues psychiatrisches Gutachten in Auftrag zu geben, damit danach über die Frage des Aufschubs der offenen Freiheitsstrafen entschieden werden könne. 
 
 Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die ambulante Massnahme sei zu Unrecht aufgehoben worden. Nachdem es einige Probleme beim Massnahmenvollzug gegeben habe, habe er sich seit Juli 2013 auf die Therapie beim neuen Therapeuten eingelassen. Er macht geltend, es sei nicht sachgerecht, wenn die Vorinstanz aufgrund der Rechtskraft der Verfügung des JuV nicht auf seine Rüge eintrete. Er sei im Verwaltungsverfahren betreffend die Aufhebung der ambulanten Massnahme nicht anwaltlich vertreten gewesen, obwohl die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung gemäss Art. 130 lit. b StPO vorgelegen hätten. Da das Gericht nicht auf die im Verwaltungsverfahren verfügte Aufhebung der Massnahme zurückkommen könne, müsse es zumindest vorfrageweise überprüfen, ob der Verwaltungsentscheid rechtsstaatlich korrekt ergangen sei und keine schwerwiegenden Mängel aufweise. Deshalb müsse sich das Gericht zur Frage der notwendigen Verteidigung im vorangegangenen Verwaltungsverfahren äussern. Anders könne nur entschieden werden, wenn die Rechtsprechung in dem Sinne korrigiert würde, dass das Gericht nach Aufhebung der ambulanten Massnahme durch die Vollzugsbehörde erneut eine solche Behandlung anordnen kann. 
 
 Schliesslich beanstandet der Beschwerdeführer, dass für die Prüfung des Strafaufschubs kein neues psychiatrisches Gutachten eingeholt wurde. Da sich seine persönlichen Verhältnisse seit der ersten Begutachtung vor acht Jahren verändert hätten, müsse hinsichtlich der Frage der Legalprognose ein aktuelles Gutachten eingeholt werden. 
 
 In einem separaten und von ihm unterzeichneten Schreiben vom 28. April 2015 schildert der Beschwerdeführer seine Sichtweise. Damit ist er nicht zu hören, da die ergänzende Eingabe nach Ablauf der 30-tägigen Rechtsmittelfrist erfolgte und damit verspätet ist (vgl. Art. 100 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
 
 Gemäss Art. 63a Abs. 2 lit. b StGB hebt die zuständige Behörde die ambulante Behandlung auf, wenn deren Fortführung als aussichtslos erscheint. Gegen eine solche Verfügung steht nach Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs die Beschwerde in Strafsachen offen (Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG). Erwächst die Verfügung in Rechtskraft, hat das zuständige Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde über die Konsequenzen zu befinden. Dem Gericht obliegt es zu prüfen, ob die aufgeschobene Freiheitsstrafe zu vollziehen (Art. 63b Abs. 2 StGB) oder eine stationäre therapeutische Massnahme nach den Art. 59-61 StGB anzuordnen ist (Art. 63b Abs. 5 StGB). Ferner hat es zu entscheiden, inwieweit der mit der ambulanten Behandlung verbundene Freiheitsentzug auf die Strafe angerechnet wird. Liegen in Bezug auf die Reststrafe die Voraussetzungen der bedingten Entlassung oder der bedingten Freiheitsstrafe vor, so schiebt es den Vollzug auf (Art. 63b Abs. 4 StGB). 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, indem sie nicht auf die Rüge eintritt, die Verfügung der JuV sei mangels anwaltlicher Vertretung des Beschwerdeführers unbeachtlich. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz und des Beschwerdeführers blieb die Verfügung der JuV nicht unangefochten. Der Beschwerdeführer erhob Rekurs dagegen, der jedoch von der Direktion der Justiz und des Innern abgewiesen wurde. Mit dieser Verfügung wurde der Entscheid, die ambulante Massnahme aufzuheben, rechtskräftig, weshalb grundsätzlich - abgesehen von allfälligen ausserordentlichen Rechtsmitteln - nicht mehr darauf zurückgekommen werden kann.  
 
 Anders wäre es, wenn die fehlende anwaltliche Vertretung die Nichtigkeit der Verfügung des JuV zur Folge hätte (vgl. zur Nichtigkeit BGE 138 II 501 E. 3.1 S. 503; 137 I 273 E. 3.1 S. 275; Urteil 6B_339/2012 vom 11. Oktober 2012 E. 1.2.1; je mit Hinweisen). Ein Nichtigkeitsgrund oder eine besonders schwere Verletzung, die zur Nichtigkeit führen würde, ist vorliegend weder ersichtlich noch vom Beschwerdeführer geltend gemacht. Der Beschwerdeführer konnte sich an der Anhörung vom 19. Dezember 2013 zur Aufhebung der ambulanten Massnahme äussern. Daraus und aus seinen Vorbringen vor der Rekursinstanz ergibt sich, dass er sich der Tragweite des Entscheids bewusst war (kantonale Akten, act. 8/2 S. 4, act. 8/3/161 S. 2; vgl. zum Ganzen Urteil 6B_499/2011 vom 17. Januar 2012 E. 1.2 f.). Die Vorinstanz ist auf die Rüge gegen die rechtskräftige Verfügung des JuV beziehungsweise der Direktion der Justiz und des Innern zu Recht nicht eingetreten. 
 
4.2. Der vom Beschwerdeführer angestrebten Rechtsprechungsänderung steht der Wortlaut von Art. 63b Abs. 5 StGB entgegen. Danach ist die Anordnung einer gleichartigen oder anderen ambulanten Behandlung im Gegensatz zum früheren Recht nicht mehr möglich (BGE 134 IV 246 E. 3.4 f. S. 252 f. mit Hinweisen; Marianne Heer, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 25 zu Art. 63b StGB; vgl. zu Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 und 3 aStGB: BGE 123 IV 100 E. 3b S. 105).  
 
4.3. Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass Änderungsentscheide im Sinne von Art. 63b Abs. 2 und 5 StGB gestützt auf ein aktuelles Gutachten einer sachverständigen Person zu treffen sind (vgl. Art. 56 Abs. 3 StGB; BGE 134 IV 246 E. 4.3 S. 254 mit Hinweisen). Jedoch geht der Hinweis an der Sache vorbei, da die Vorinstanz keine stationäre therapeutische Massnahme, sondern den Vollzug der aufgeschobenen Freiheitsstrafen anordnet, und dem Beschwerdeführer den Strafaufschub verweigert (vgl. Art. 63b Abs. 4 Satz 2 StGB). Für die Prüfung, ob die Voraussetzungen der bedingten Entlassung (Art. 86 StGB) oder der bedingten Freiheitsstrafe (Art. 42 StGB) erfüllt sind, schreibt das Bundesrecht keine Begutachtung durch einen Sachverständigen vor. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die kantonalen Gerichte anhand der Vollzugsakten, insbesondere der Therapieberichte und des Gutachtens vom 31. Mai 2007 prüfen, ob das Rückfallrisiko während der Therapie gesenkt werden konnte. Mangels Rüge ist nicht zu überprüfen, ob sie Bundesrecht verletzen, indem sie dem Beschwerdeführer keine günstige Prognose stellen.  
 
5.  
 
 Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Mai 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres