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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_485/2019  
 
 
Urteil vom 22. Juli 2020  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Peter Schnyder, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Harry F. Nötzli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kantonsgericht von Graubünden, 
Poststrasse 14, 7002 Chur, 
Beschwerdegegner 
 
1. A.________, 
vertreten durch Advokat Gabriel Nigon, 
2. B.________, 
3. C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rudolf Kunz, 
 
Gegenstand 
Ausstandsverfahren (Revision Erbteilungsverfahren), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, Gesamtgericht, vom 8. Mai 2019 (GEG 19 4). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Mit Entscheid vom 27. August 2015 befand das Bezirksgericht (inzwischen Regionalgericht) Maloja über die Klage auf Realteilung des Nachlasses von D.________, die A.________ gegen seine Miterben B.________ und C.________ dort eingereicht hatte. Gegen diesen Entscheid gelangte A.________ mit Berufung an das Kantonsgericht Graubünden (ZK1 16 35).  
 
A.b. Am 15. Mai 2018 fand die Beratung unter dem Vorsitz des Kantonsgerichtspräsidenten Brunner statt; an der Sitzung nahmen die Kantonsrichter Schnyder und Pedrotti sowie Aktuar Guetg teil.  
 
A.c. Am 20. August 2018 wurde den Parteien das Urteil in der Sache zugestellt. Das Dispositiv lautete auf Gutheissung der Berufung und Anordnung der Realteilung, womit die Auszahlung der neu berechneten Geldbeträge an jeden Erben und die Zuteilung der E.________-Inhaberaktien angeordnet wurde. Der A.________ zustehende Anteil von neu Fr. 537'539.75 wurde gestützt auf eine Abtretungserklärung vom 1. Juli 2013 den Erben F.________ aus dem beim Regionalgericht Maloja hinterlegten Betrag ausbezahlt. Gegen dieses Urteil wurde keine Beschwerde beim Bundesgericht erhoben.  
 
B.  
 
B.a. A.________ reichte am 14. Januar 2019 beim Kantonsgericht ein Revisionsgesuch ein (ZK1 19 6). Er stellte das Begehren auf Abänderung des kantonsgerichtlichen Urteils, womit sein Erbanteil ihm und nicht den Erben F.________ ausbezahlt werde.  
 
B.b. Mit Entscheid des Kantonsgerichts vom 18. April 2019 (ZK1 19 6) in der Besetzung mit Kantonsrichter Hubert, Pedrotti und Pritzi sowie Aktuar  ad hoc Bernasconi wurde das Ausstandsgesuch von Kantonsrichter Schnyder gegen Kantonsgerichtspräsident Brunner abgewiesen.  
 
B.c. Mit Beschluss vom 8. Mai 2019 (GEG 19 4) stellte das Gesamtgericht, bestehend aus dem Kantonsgerichtspräsidenten Brunner, den Kantonsrichtern Michael Dürst, Hubert, Pedrotti und Pritzi fest, dass Kantonsrichter Schnyder im Revisionsverfahren (ZK1 19 6) keinerlei Funktion als prozessleitender Richter/Instruktionsrichter zukomme. Jegliche Kontaktnahme mit den Prozessparteien sowie den Erben F.________ werde ihm untersagt. Eine Missachtung dieser Anordnung werde als Amtsgeheimnisverletzung im Sinne von Art. 320 StGB qualifiziert (Ziff. 1). Kantonsrichter Schnyder werde im Revisionsverfahren (ZK1 19 6) durch Kantonsrichterin Michael Dürst ersetzt (Ziff. 2). In einer separaten Eingabe werde bei der Kommission für Justiz und Sicherheit des Grossen Rates der Antrag auf Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Kantonsrichter Schnyder gestellt (Ziff. 3).  
 
B.d. Am 29. Mai 2019 trat das Kantonsgericht auf das Revisionsgesuch von A.________ nicht ein. An diesem Entscheid wirkten Kantonsgerichtspräsident Brunner, die Kantonsrichter Pedrotti und Michael Dürst sowie Aktuar Guetg mit. Er blieb unangefochten.  
 
C.   
Kantonsrichter Schnyder ist am 11. Juni 2019 mit einer als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde bezeichneten Eingabe an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt die Feststellung, dass Ziff. 1 und 2 des Beschlusses des Kantonsgerichts vom 8. Mai 2019 (GEG 19 4) nichtig seien. Eventualiter seien Ziff. 1 und 2 des Beschlusses des Kantonsgerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, den Beschwerdeführer wieder im Zivilverfahren ZK1 19 6 einzusetzen. 
Das Kantonsgericht und der Kantonsgerichtspräsident beantragen, die Beschwerde gegen den Beschluss vom 8. Mai 2019 abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
Die Erben von D.________, nämlich C.________, B.________ und A.________, wurden als Verfahrensbeteiligte zur Stellungnahme eingeladen. C.________ verzichtet auf eine Stellungnahme. B.________ hat sich vernehmen lassen, ohne einen Antrag zu stellen. A.________ beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils vom 15. Mai 2018 (ZK1 16 35) und die Feststellung der Nichtigkeit dieses Urteils. Sodann sei Ziff. 1 lit. a dieses Urteils dahingehend zu ändern, dass sein Anteil von Fr. 537'539.75 an ihn und nicht an die Erben F.________ ausgezahlt werde. Eventualiter sei der Entscheid des Kantonsgerichts vom 29. Mai 2019 (ZK1 19 6) aufzuheben und dessen Nichtigkeit festzustellen. Sodann sei auf das Revisionsgesuch (ZK1 16 35) einzutreten. Zudem sei festzustellen, dass Ziff. 1 und 2 des kantonsgerichtlichen Beschlusses vom 8. Mai 2019 nichtig seien. 
Der Beschwerdeführer hat sich zu den Stellungnahmen des Kantonsgerichts und des Kantonsgerichtspräsidenten geäussert, ohne von seinem Replikrecht formellen Gebrauch zu machen. 
Der Beschwerdeführer richtet seine Beschwerde auch gegen den Entscheid des Kantonsgerichts vom 18. April 2019 (ZK1 19 6). Über diese Beschwerde wird im separaten Verfahren entschieden (5A_484/2019). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide über ein Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig (Art. 92 Abs. 1 BGG). In der Sache geht es um ein Revisionsverfahren gegen ein Urteil in einer erbrechtlichen Streitigkeit. Die Eingabe wird daher unabhängig ihrer Bezeichnung als Beschwerde in Zivilsachen entgegengenommen (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 BGG). Damit entfällt die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid ist dem Beschwerdeführer am 9. Mai 2019 ausgehändigt worden, womit sich die Beschwerde vom 11. Juni 2019 als fristgerecht erweist (Art. 100 Abs. 1 BGG).  
 
1.3. Von den weiteren Verfahrensbeteiligten stellt einzig A.________ im Verfahren vor Bundesgericht Anträge. Er konnte am kantonalen Verfahren (Ausstandsfragen) nicht teilnehmen, steht aber zum rechtshängigen Verfahren in einem besonders engen Beziehung, welche die prozessuale Beiladung grundsätzlich rechtfertigt (vgl. VON WERDT, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Auf. 2015, N. 13 zu Art. 102).  
 
2.   
Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, müssen einer Reihe von inhaltlichen Minimalanforderungen genügen. 
 
2.1. Es sind die Vorbringen der Parteien zu nennen, nämlich ihre Begehren, Begründungen, Beweisvorbringen und Prozesserklärungen (Art. 112 Abs. 1 lit. a BGG). Alsdann hat die Vorinstanz klar festzuhalten, von welchem Sachverhalt sie ausgegangen ist und welche rechtlichen Überlegungen sie angestellt hat. Insbesondere sind die angewendeten Gesetzesbestimmungen zu nennen (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Genügt ein Entscheid diesen Anforderungen nicht, so kann das Bundesgericht ihn an die Vorinstanz zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben (Art. 112 Abs. 3 BGG). Hingegen steht es ihm nicht zu, sich an die Stelle der Vorinstanz zu setzen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist. Das Bundesgericht prüft die verfahrensrechtlichen Folgen von Art. 112 Abs. 3 BGG von Amtes wegen. Es wird somit unabhängig von einem Antrag einer Prozesspartei tätig, denn nur so kann es seine Aufgabe wahrnehmen (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1; 138 IV 81 E. 2.2).  
 
2.2. Die vorliegende Angelegenheit steht laut dem angefochtenen Beschluss in Bezug zu einem Erbteilungsverfahren und anschliessendem Revisionsverfahren. Der Bezug zum Prozess lässt sich dem angefochtenen Beschluss nicht entnehmen, kann aber in groben Zügen hergestellt werden. In tatsächlicher Hinsicht wird erklärt, dass die weitere Zusammenarbeit mit Kantonsrichter Schnyder als nicht mehr zumutbar erscheine. Darauf folgt der Beschluss des Gesamtgerichts, den Beschwerdeführer seiner Funktion als prozessleitender Richter/Instruktionsrichter im einem bestimmten Verfahren (ZK1 19 6) zu entheben und durch die Kantonsgerichts-Vizepräsidentin zu ersetzen. Gestützt wird der Beschluss auf Art. 20 Abs. 2 GOG/GR. Die genannte Bestimmung räumt dem Gesamtgericht die Kompetenz zur Regelung der Einzelheiten der Gerichtsorganisation und -verwaltung (lit. b) sowie zur Bestellung der Kammern (lit. c) ein. Dem angefochtenen Beschluss lässt sich nicht entnehmen, dass diese Bestimmung dem Gesamtgericht die Kompetenz gibt, den Spruchkörper in einem bestimmten, hängigen Verfahren zu ändern, wie es hier geschehen ist. Sodann wird nichts darüber gesagt, wie der Eingriff in die Spruchkörperbildung im konkreten Verfahren durch das Gesamtgericht, das aus sechs Richtern besteht, mit fünf Richtern getroffen werden kann, ohne den sechsten Richter betreffend Ergebnis einzubeziehen. Auch die Anwendung des Rechts von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG) durch das Bundesgericht erlaubt der Vorinstanz nicht, einen Entscheid zu fällen, dem es - wie hier - an einer schlüssigen Begründung für die fallbezogene Anwendung der zitierten Gesetzesbestimmung fehlt.  
 
2.3. Der angefochtenen Beschluss genügt den Erfordernissen des BGG nicht. Der Beschluss ist aufzuheben und die Angelegenheit ist zu neuer Entscheidung unter Berücksichtigung der Vorgaben von Art. 112 Abs. 1 BGG an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Rügen des Beschwerdeführers und Verfahrensbeteiligten 1 nicht zu behandeln; das gilt auch für die Frage der Beschwerdelegitimation.  
 
3.   
Die Kosten der Rückweisung nach Art. 112 Abs. 3 BGG werden in der Regel nicht nach dem Ausgang des Verfahrens, sondern dem Verursacherprinzip verlegt (Art. 66 Abs. 3 BGG; Urteil 5A_955/2019 vom 2. Juni 2020 E. 3). Es rechtfertigt sich jedoch, von der Kostenauferlegung an das Gemeinwesen abzusehen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Kanton Graubünden den Beschwerdeführer und den Verfahrensbeteiligten 1 für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Der Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, Gesamtgericht, vom 8. Mai 2019 (GEG 19 4) wird aufgehoben. Die Sache wird zur Behandlung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Graubünden hat den Beschwerdeführer und den Verfahrensbeteiligten 1 für das bundesgerichtliche Verfahren mit je Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht Graubünden schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Juli 2020 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante