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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.351/2002 /sch 
 
Urteil vom 22. Oktober 2002 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Pfisterer. 
 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Niklaus Ruckstuhl, Postfach 924, 4123 Allschwil 1, 
 
gegen 
 
Haftrichterin Basel-Stadt, 
Schützenmattstrasse 20, 4003 Basel, 
Präsident des Appellationsgerichtes des Kantons Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel. 
 
Art. 29 Abs. 2 BV (unentgeltliche Prozessführung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Präsidenten des Appellationsgerichtes des Kantons Basel-Stadt vom 23. Mai 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ wurde am 29. April 2002 verhaftet und am 30. April 2002 wegen Kollusionsgefahr in Untersuchungshaft versetzt, vorerst bis am 28. Mai 2002. Ihm werden verschiedene Drogendelikte vorgeworfen. 
B. 
X.________ erhob gegen die Haftverfügung am 1. Mai 2002 Beschwerde an das Appellationsgericht Basel-Stadt. Er beantragte, die Haftverfügung sei aufzuheben, und er sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Für die ungesetzliche respektive rechtswidrige Haft sei ihm sodann eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Für den Fall der Abweisung der Beschwerde beantragte er die unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Der Appellationsgerichtspräsident des Kantons Basel-Stadt wies die Beschwerde betreffend Haftentlassung und Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege am 23. Mai 2002 ab. Auf das Gesuch um Entschädigung wegen ungerechtfertigter Haft trat er nicht ein. 
 
X.________ wurde am 27. Mai 2002 aus der Untersuchungshaft entlassen. 
C. 
X.________ führt mit Eingabe vom 26. Juni 2002 staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil vom 23. Mai 2002 und beantragt, dieses sei aufzuheben. Zudem stellte er ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor Bundesgericht. 
 
Der Präsident des Appellationsgerichtes Basel-Stadt schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Haftrichterin Basel-Stadt verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der mittlerweile aus der Untersuchungshaft entlassene Beschwerdeführer hat seine staatsrechtliche Beschwerde inhaltlich beschränkt. Er beantragt einzig zu prüfen, ob die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege durch den Appellationsgerichtspräsidenten des Kantons Basel-Stadt verfassungsrechtlich zulässig gewesen sei. Für diese Prüfung sind alle Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt. 
2. 
Der Beschwerdeführer beansprucht die unentgeltliche Rechtspflege sowohl für das Verfahren vor Bundesgericht als auch für das Verfahren vor dem Appellationsgerichtspräsidenten. 
2.1 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ergibt sich als Minimalgarantie direkt aus Art. 29 Abs. 3 BV, soweit das kantonale Recht keine weitergehenden Ansprüche gewährt (BGE 124 I 304 E. 2a mit Hinweisen). Da der Beschwerdeführer nicht behauptet, der im kantonalen Recht verankerte Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege sei verletzt worden (§ 15 der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt vom 8. Januar 1997), kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob der direkt aus Art. 29 Abs. 3 BV hergeleitete Armenrechtsanspruch verletzt worden ist. 
2.2 Gestützt auf Art. 29 Abs. 3 BV hat der mittellose Angeschuldigte einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in einem für ihn nicht aussichtslosen Verfahren, sofern dies zur Wahrung seiner Interessen notwendig ist. 
 
Die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers und die Notwendigkeit der Verbeiständung stehen hier nicht in Frage. Die unentgeltliche Rechtspflege wurde im angefochtenen Entscheid allein deshalb verweigert, weil das Haftentlassungsbegehren aussichtslos gewesen sei. 
2.3 Ein Rechtsmittel ist dann als aussichtslos anzusehen, wenn die Gewinnaussichten erheblich geringer sind als die Verlustgefahren und daher kaum mehr als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Rechtsmittel entschliessen oder davon absehen würde; denn eine Partei soll ein Rechtsmittel, das sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht einreichen würde, nicht deshalb erheben können, weil es sie nichts kostet. Die Rüge einer bedürftigen Partei, ihr verfassungsmässiger Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege sei verletzt, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht frei, in tatsächlicher dagegen nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich nach den Verhältnissen zur Zeit, in der das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt wird, namentlich aufgrund der bis dann vorliegenden Akten (BGE 127 I 202 E. 3b; 124 I 304 E. 2c; 122 I 5 E. 4a, 267 E. 2b; 105 Ia 113 E. 2b, je mit Hinweisen). 
2.4 Der Beschwerdeführer hält dafür, über Haftbeschwerden und damit auch über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege sei nach der Sachlage zu befinden, wie sie sich im Zeitpunkt des Entscheides über die Beschwerde stelle. Die Tatsache, dass er bereits vier Tage nach dem Entscheid des Appellationsgerichtspräsidenten aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei, beweise, dass seine Haftbeschwerde nicht aussichtslos gewesen sei. 
 
Wie eben ausgeführt, ist für die Beurteilung der vorliegend strittigen Aussichtslosigkeit nicht die Sachlage im Zeitpunkt des Entscheides über die Haftbeschwerde am 23. Mai 2002 massgebend, sondern jene bei Einreichung des Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege. Relevant sind somit die Verhältnisse am 1. Mai 2002. 
2.5 Der Beschwerdeführer wurde am 30. April 2002 wegen Kollusionsgefahr in Untersuchungshaft gesetzt. Bereits am 1. Mai 2002, also am nächsten Tag, reichte er die Haftbeschwerde ein und beantragte gleichzeitig die unentgeltliche Rechtspflege. Er konnte jedoch unter den vorliegenden Umständen - inbesondere mit Blick auf den speziellen Haftgrund der Kollusion und die tags zuvor selber dagegen erhobenen Einwände - nicht davon ausgehen, dass die Strafuntersuchung in der kurzen Zeit zwischen Inhaftierung und Beschwerdeeinreichung soweit fortgeschritten war, als dass die Untersuchungshaft sofort erkennbar nicht mehr gerechtfertigt und seine Beschwerde gutzuheissen gewesen wären. Die Gewinnaussichten der Haftbeschwerde zur Zeit ihrer Einreichung waren daher erheblich geringer als die Verlustgefahren. Der Appellationsgerichtspräsident hat deshalb Art. 29 Abs. 3 BV nicht verletzt, indem er die Beschwerde als aussichtslos bezeichnet und das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abgewiesen hat. 
3. 
Sodann soll der Appellationsgerichtspräsident ungenügend begründet haben, weshalb die Haftbeschwerde aussichtslos gewesen sei. 
3.1 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Der Bürger soll wissen, warum die Behörde entgegen seinem Antrag entschieden hat. Die Begründung eines Entscheids muss deshalb so abgefasst sein, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. Die Behörde hat demnach wenigstens kurz die Überlegungen zu nennen, von denen sie sich leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Das bedeutet indessen nicht, dass sie sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand im Detail auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken und hat demnach in der Begründung ihres Entscheids diejenigen Argumente aufzuführen, die tatsächlich ihrem Entscheid zugrunde liegen (BGE 126 I 7 E. 2b, 97 E. 2b, je mit Hinweisen). 
 
Haftentscheide haben wegen des Beschleunigungsgebots notwendigerweise summarischen Charakter. Trotzdem gilt die Begründungspflicht auch für sie, wobei es genügt, wenn die Begründung aus einem früheren oder vorinstanzlichen Urteil oder aus einer Vernehmlassung hervorgeht, auf welche verwiesen wird (BGE 123 I 31 E. 2c). 
3.2 Der Appellationsgerichtspräsident erwog, der Beschwerdeführer wisse erst seit seiner Verhaftung, dass er in die Ermittlungen gegen die erwähnte Drogenbande mit einbezogen sei. Bisher habe er keinen Anlass gehabt, zu kolludieren. Er habe vor seiner Inhaftierung gar nicht gewusst, was ihm genau vorgeworfen werde. Auch seien die Ermittlungen gegen ihn noch nicht abgeschlossen. Da die Drogenbande offenbar gut organisiert sei, mit grösseren Mengen Drogen handle und sich noch immer weitere Verdächtige auf freiem Fuss befänden, rechtfertige sich die Annahme der Kollusionsgefahr. Schliesslich sei die Untersuchungshaft "aufgrund der gesamten dargelegten Umstände ohne Weiteres" angemessen. Gestützt auf diese Erwägungen wies der Appellationsgerichtspräsident die Beschwerde ab und auferlegte dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten. Zudem erachtete er die Haftbeschwerde als aussichtslos, weshalb er dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ebenfalls nicht statt gab. 
3.3 Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer war aufgrund der Ausführungen im angefochtenen Urteil durchaus in der Lage zu erkennen, warum der Appellationsgerichtspräsident entgegen seinem Antrag entschieden und die Beschwerde als aussichtslos bezeichnet hat. Dies bedeutet denn nichts anderes, als dass dieser die Gewinnaussichten als erheblich geringer als die Verlustgefahren einstufte. Wohl wurde nicht explizit ausgeführt, weshalb die Beschwerde aussichtslos gewesen sei. Dies ging hingegen mit genügender Deutlichkeit aus den Erwägungen betreffend die Kollusionsgefahr und die Angemessenheit der Untersuchungshaft hervor. Das Urteil vom 23. Mai 2002 war diesbezüglich genügend begründet; Art. 29 Abs. 2 BV wurde nicht verletzt. 
4. 
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. 
 
Sie ist aufgrund des Gesagten als von vornherein aussichtslos im Sinne von Art. 152 OG zu erachten, so dass das vom Beschwerdeführer gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen ist. 
 
 
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen werden keine ausgerichtet (Art. 159 Abs. 2 OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Es werden keine Parteikosten zugesprochen. 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Haftrichterin Basel-Stadt und dem Präsidenten des Appellationsgerichtes des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 22. Oktober 2002 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: