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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_338/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. Oktober 2014  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Karlen, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Jucker, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Allgemeine Abteilung, Beckenstube 5, Postfach, 8201 Schaffhausen.  
 
Gegenstand 
Verlängerung der Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 26. September 2014 des Obergerichts des Kantons Schaffhausen. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 11. Juli 2014 hielt eine Patrouille des Grenzwachtkorps in Thayngen/SH einen Personenwagen an, der ihr wegen seiner verkehrswidrigen Fahrweise aufgefallen war. Die Fahrerin, B.________, und der Beifahrer, A.________, wurden einem Drogenschnelltest unterzogen; Beide ergaben ein positives Ergebnis in Bezug auf Amphetamin. Im Fahrzeug wurden gut 100 g Amphetamin sichergestellt. A.________ wurde vorläufig festgenommen und vom Kantonsgericht Schaffhausen am 14. Juli 2014 in Untersuchungshaft versetzt. 
Am 27. August 2014 verlängerte das Kantonsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Untersuchungshaft bis zum 24. November 2014. 
Am 26. September 2014 wies das Obergericht die Beschwerde von A.________ gegen die Haftverlängerung ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, diesen Obergerichtsentscheid aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung. 
 
C.   
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft beantragen unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid, die Beschwerde abzuweisen. 
A.________ hält an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Haftentscheid des Obergerichts. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Beschwerdeführer ist durch die Verweigerung der Haftentlassung in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Er macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt, das Zwangsmassnahmengericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, indem es seinen Antrag auf eine mündliche Anhörung abgewiesen habe.  
Das Verfahren zur Haftverlängerung ist in der Regel schriftlich, wobei das Zwangsmassnahmengericht eine nicht öffentliche Verhandlung anordnen kann (Art. 227 Abs. 6 StPO). Ob es dies ausnahmsweise tun will, liegt in seinem pflichtgemässen Ermessen; es ist nicht ersichtlich, inwiefern es das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt haben könnte, indem es den entsprechenden Antrag ablehnte. Vor allem aber ist nicht nachvollziehbar, inwiefern das Bundesgericht diese Rüge prüfen könnte, nachdem sie in der Beschwerde vom 3. September 2014 ans Obergericht nicht erhoben wurde (Art. 99 BGG). Darauf ist deshalb nicht einzutreten. 
 
2.2. Eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht der Beschwerdeführer auch im Umstand, dass das Obergericht im Beschwerdeverfahren seine Eingaben vom 24. und vom 25. September 2014 nicht berücksichtigt habe.  
Der Beschwerdeführer hat am 3. September 2014 durch seinen amtlichen Verteidiger Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Haftverlängerungsentscheid erhoben. Das Obergericht sandte ihm die Stellungnahmen von Kantonsgericht und Staatsanwaltschaft zur freigestellten Vernehmlassung bis zum 15. September 2014 zu. Am 10. September 2014 hielt der amtliche Verteidiger namens des Beschwerdeführers an der Beschwerde fest und verzichtete auf eine Stellungnahme. 
Am 24. und am 25. September 2014 reichte der Beschwerdeführer durch seinen erbetenen Vertreter eine Replik mit Beilagen ein. Diese Eingaben wurden vom Obergericht zu Recht wegen Verspätung nicht berücksichtigt, da der Beschwerdeführer die ihm angesetzte Replikfrist unbenützt ablaufen liess. Aus der Natur der Beschwerde als "ordentliches, vollkommenes Rechtsmittel mit eigenem freiem Novenrecht" ergibt sich kein Recht des Beschwerdeführers, Eingabefristen zu missachten bzw. eine Pflicht des Gerichts, Eingaben unabhängig von der Einhaltung der dafür angesetzten richterlichen Fristen zu beachten. Das Obergericht hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nicht verletzt, indem es die verspätete "Replik" des erbetenen Verteidigers unbeachtet liess. 
 
3.   
Untersuchungs- und Sicherheitshaft kann unter anderem angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen oder Vergehen sowie Fluchtgefahr besteht (Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO). 
 
3.1. Unbestritten ist, dass der weitgehend geständige Beschwerdeführer dringend verdächtig ist, rund 900 g Amphetamin zum Wiederverkauf in die Schweiz eingeführt zu haben. Da nach der Rechtsprechung die Menge von 36 g Amphetamin die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann (BGE 113 IV 32 E. 4; Urteil 1P.569/1995 vom 31. Oktober 1995 E. 3), bezieht sich dieser Tatverdacht auf eine qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und damit auf ein Verbrechen, das mit Freiheitsstrafe zwischen einem und 20 Jahren bedroht ist (Art. 19 Abs. 2 BetmG i.V.m. Art. 40 StGB). Der allgemeine Haftgrund ist damit ohne weiteres erfüllt.  
 
3.2. Für die Annahme von Fluchtgefahr genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe für sich allein nicht. Eine solche darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete Gründe dargetan werden, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe kann immer nur neben anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a; 117 Ia 69 E. 4a; 108 Ia 64 E. 3; 107 Ia 3 E. 6; Urteil 1B_353/2013 vom 4. November 2013 E. 4.1).  
 
3.3. Der Beschwerdeführer lebt seit rund vier Jahren in der Schweiz, wobei er seinen Lebensunterhalt durch temporäre Anstellungen im Baugewerbe bestreitet. Er verfügt über eine Kurzaufenthaltsbewilligung L und wohnt mit seiner Freundin zusammen in einer gemeinsamen Wohnung. Die Freundin und Mitbeschuldigte ist ebenfalls deutsche Staatsangehörige; sie ist im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung B und hat offenbar ab dem 1. Dezember 2014 eine Festanstellung. Der Beschwerdeführer verfügt somit durch seine Arbeit und seine hier lebende Lebenspartnerin zwar durchaus über eine gewisse Bindung an die Schweiz; es ist plausibel, dass er sein weiteres Fortkommen in der Schweiz plant. Allerdings erscheint diese Bindung wenig gefestigt, jedenfalls sind keine besonderen familiären oder freundschaftlichen Beziehungen zu Schweizern oder Verbundenheiten mit hiesigen Institutionen oder Vereinen bekannt. Vor allem aber steht keineswegs fest, das er im Fall einer Verurteilung sein Aufenthaltsrecht in der Schweiz behalten kann, sondern muss allenfalls mit dessen Verlust rechnen.  
Auf der anderen Seite droht dem Beschwerdeführer, auch wenn er ausser einem SVG-Delikt offenbar vorstrafenfrei ist, schon wegen der Menge des eingeführten Amphetamins eine längere Freiheitsstrafe. Er kann keineswegs sicher davon ausgehen, dass diese bedingt ausgesprochen wird und muss jedenfalls damit rechnen, dass sie ganz oder teilweise für vollziehbar erklärt wird. Dieser Umstand bildet einen starken Anreiz, sich der weiteren Verfolgung in der Schweiz durch eine Flucht nach Deutschland zu entziehen und darauf zu hoffen, dass das Strafverfahren gegen ihn in seiner Abwesenheit scheitern und, falls nicht, ein Strafübernahmegesuch an Deutschland wegen Erschwernissen aus der zwischenstaatlichen Behandlung zu einem für ihn günstigeren Ergebnis führen könnte. Das Obergericht hat Fluchtgefahr zu Recht bejaht. 
 
3.4. Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 11. Juli 2014, mithin seit rund 3 ½ Monaten in Haft. Diese Haftdauer kommt damit noch keineswegs in grosse Nähe der zu erwartenden Strafe und ist unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die Möglichkeit des bedingten Vollzugs der Strafe ist bei der Beurteilung der Frage, ob Überhaft drohe, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BGE 133 I 270 E. 3.4.2. S. 281 f. mit Hinweisen). Dass eine von Art. 237 StPO vorgesehene Ersatzmassnahme den Massnahmenzweck ebenso erfüllen könnte, ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht substantiiert dargelegt.  
 
4.   
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da entgegen dem Anschein keineswegs feststeht, dass er nicht über die für seine Verteidigung erforderlichen Mittel verfügt (Art 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der Umstand, dass er einen privaten Verteidiger bestellte, obwohl ihm bereits ein amtlicher Verteidiger zur Seite stand und steht, deutet jedenfalls darauf hin, dass er über (der Vorinstanz nicht bekannte) Finanzierungsmöglichkeiten verfügt. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Oktober 2014 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi