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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_511/2007 
 
Urteil vom 22. November 2007 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Parteien 
A.________, 1974, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 19. Juni 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1974 geborene A.________ arbeitete seit 20. August 1990 als Anlagekundenberaterin bei der Bank X.________ AG. Am 10. September 1998 erlitt sie einen Autounfall, als dessen Folge ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule diagnostiziert wurde. Am 4. Februar 2003 meldete sich die Versicherte bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Zur Abklärung der Verhältnisse holte die IV-Stelle diverse Arztberichte sowie ein polydisziplinäres (psychiatrisches, orthopädisches und neurologisches) Gutachten des Spitals B.________ vom 29. August 2005 ein, worin eine Migräne ohne Aura als Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit gestellt wurde. Ebenfalls ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit seien ein myoligamentäres Wirbelsäulen-Gesamtsyndrom ohne gravierendes pathomorphologisches Substrat, eine Agoraphobie mit Panikattacken (weitgehend in Remission), anamnestisch Penicillinallergie. Mit Verfügung vom 16. November 2005 verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 11. Mai 2006 ab, da die Versicherte in der angestammten Tätigkeit voll erwerbsfähig sei. 
B. 
Hiegegen reichte die Versicherte beim Versicherunsgericht des Kantons Aargau Beschwerde ein. Am 8. August 2006 legte sie einen Bericht des Prof. Dr. med. S.________, Physikalische Medizin und Rehabilitation, vom 26. Juni 2006 auf. Mit Entscheid vom 19. Juni 2007 wies das kantonale Gericht die Beschwerde ab. 
C. 
Mit Beschwerde beantragt die Versicherte die Aufhebung des kantonalen Entscheides und die Verpflichtung der IV-Stelle, ihr die gesetzlich vorgesehenen Leistungen zu erbringen; eventuell sie die Sache zu weiteren Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen; das Verfahren sei vorläufig zu sistieren. Ferner verlangt sie die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Mit Beschluss vom 12. Oktober 2007 wies das Bundesgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2007 forderte es die Versicherte auf, bis 1. November 2007 einen Kostenvorschuss von Fr. 500.- einzuzahlen, was sie fristgemäss tat. 
 
Erwägungen: 
1. 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4338). Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substantiiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind. Andernfalls kann ein von dem im angefochtenen Entscheid festgestellten abweichender Sachverhalt nicht berücksichtigt werden (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). 
2. 
2.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG; BGE 115 V 133 E. 2), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG), die Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung; vgl. auch Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung) sowie den Rentenbeginn (Art. 29 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Beizupflichten ist auch ihren Erwägungen zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261) sowie zum Beweiswert von Arztberichten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; SVR 2007 UV Nr. 33 S. 111 E. 4.2, U 571/06). Gleiches gilt zu Art. 45 Abs. 1 ATSG (Kosten der Abklärung; Urteil U 344/05 vom 13. März 2006, E. 5.1 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
2.2 Zu ergänzen ist, dass sich die Beschwerdeführerin am 4. Februar 2003 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet hat. Der Einspracheentscheid erging am 6. Mai 2006. Damit ist teilweise ein Sachverhalt zu beurteilen, der sich vor dem In-Kraft-Treten des ATSG und der ATSV am 1. Januar 2003 (Art. 29 Abs. 1 lit. b, Art. 48 Abs. 2 IVG) sowie der Änderungen des IVG vom 21. März 2003 und der IVV vom 21. Mai 2003 (4. IV-Revision) am 1. Januar 2004 verwirklicht hat (vgl. auch Urteil I 843/06 vom 12. Oktober 2007, E. 3.2). Daher und auf Grund dessen, dass der Rechtsstreit eine Dauerleistung betrifft, über welche noch nicht rechtskräftig verfügt wurde, ist entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln für die Zeit bis 31. Dezember 2002 sowie bis 31. Dezember 2003 auf die damals geltenden Bestimmungen und ab diesen Zeitpunkten auf die neuen Normen des ATSG bzw. der 4. IV-Revision und deren Ausführungsverordnungen abzustellen (BGE 130 V 445 ff.). Dies zeitigt indessen insofern keine materiellrechtlichen Folgen, als die im ATSG enthaltenen Formulierungen der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7), der Invalidität (Art. 8) und der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16) den bisherigen von der Rechtsprechung dazu entwickelten Begriffen in der Invalidenversicherung entsprechen (BGE 130 V 343); hieran hat die 4. IV-Revision nichts geändert (Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007, E. 3.1 mit Hinweisen). 
3. 
Die aufgrund von medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits(un)fähigkeit ist eine Entscheidung über eine Tatfrage. Dazu gehört auch die Frage, in welchem Umfang eine versicherte Person vom funktionellen Leistungsvermögen und vom Vorhandensein bzw. von der Verfügbarkeit psychischer Ressourcen her eine (Rest-)Arbeitsfähigkeit aufweist und ihr die Ausübung entsprechend profilierter Tätigkeiten zumutbar ist, es sei denn, andere als medizinische Gründe stünden der Bejahung der Zumutbarkeit im Einzelfall in invalidenversicherungsrechtlich erheblicher Weise entgegen. Soweit hingegen die Beurteilung der Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt wird, geht es um eine Rechtsfrage. Die konkrete Beweiswürdigung stellt eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; erwähntes Urteil I 843/06, E. 4 mit Hinweis). 
4. 
4.1 Die Vorinstanz hat nach sorgfältiger Würdigung des polydisziplinären Gutachtens des Spitals B.________ vom 29. August 2005 und der weiteren medizinischen Akten, insbesondere des von der Versicherten angerufenen Berichts des Prof. Dr. med. S.________ vom 26. Juni 2006, mit einlässlicher Begründung, auf die verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3 BGG), festgestellt, dass ihr die bisherige Tätigkeit als Privatkundenberaterin in einer Bank weiterhin voll zumutbar ist. Gestützt hierauf hat sie erkannt, dass kein Rentenanspruch besteht. 
4.2 
4.2.1 Die letztinstanzlichen Einwendungen der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung betreffend die Arbeitsfähigkeit als offensichtlich unrichtig oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhend erscheinen zu lassen (Art. 97 Abs. 1 und 105 Abs. 2 BGG). 
4.2.2 Die Vorinstanz hat richtig erkannt, dass das Gutachten des Spitals B.________ vom 29. August 2005 die rechtsprechungsgemässen Anforderungen an eine beweiskräftige medizinische Grundlage erfüllt (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; SVR 2007 UV Nr. 33 S. 111 E. 4.2). 
 
Nicht gefolgt werden kann dem Einwand der Versicherten, die Vorinstanz sei auf keinen der gegen das MEDAS-Gutachten vorgebrachten Mängel eingegangen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Begründungspflicht als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht bedeutet, dass sich das angerufene Gericht mit jedem einzelnen Vorbringen und jedem einzelnen Aktenstück ausdrücklich auseinandersetzen muss. Der aus Art. 29 Abs. 2 BV fliessende Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt insbesondere, dass die Gerichte die rechtserheblichen Vorbringen der Parteien anhören und bei der Entscheidfindung berücksichtigen (BGE 124 I 241 E. 2 S. 242). Damit sich die Parteien ein Bild über die Erwägungen des Gerichts machen können, ist der Entscheid zu begründen. Die Begründung muss kurz die Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die sich sein Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich der Entscheid mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Es genügt, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann (BGE 130 II 530 E. 4.3 S. 540, 129 I 232 E. 3.2 S. 236, 126 I 97 E. 2b S. 102 f., 124 V 180 f. E. 1a, je mit Hinweisen; erwähntes Urteil I 843/06, E. 10.3.2). Diese Anforderungen sind hier erfüllt. 
4.2.3 Soweit die Versicherte geltend macht, sie habe am 25. August 2006 einen zweiten Autounfall erlitten, kann dies vorliegend nicht berücksichtigt werden, da für die Beurteilung der Zeitpunkt des Erlasses des Einspracheentscheides (11. Mai 2006) massgebend ist (BGE 129 V 167 E. 1 S. 169). 
4.2.4 Entgegen dem Antrag der Versicherten bestehen keine Gründe für eine vorläufige Verfahrenssistierung (zu deren Voraussetzungen vgl. BGE 130 V 90 E. 5 S. 94 f., Urteil 8C_101/2007 vom 17. August 2007, E. 2.1, je mit Hinweisen). Hieran ändert ihr Vorbringen nichts, es sei noch eine notwendige Abklärung der Kopfgelenke durch ein funktionelles Kernspintomogramm (Termine am 10. und 13. September 2007) offen. Abgesehen davon, dass sie einen einschlägigen Arztbericht nicht eingereicht hat, dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur soweit vorgebracht werden, als der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Demnach sind die Parteien grundsätzlich gehalten, alle rechtsrelevanten Tatsachen und Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen zu nennen (Urteil 8C_82/2007 vom 20. Juni 2007, E. 2.2; Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001, BBl 2001 S. 4339 f.; Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, Art. 99 N 2 ff.; im Urteil 8C_260/2007 vom 31. Oktober 2007, E. 2, wurde offen gelassen, ob dies auch im Rahmen von Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 gilt). Gründe, vorliegend von dieser Regel abzuweichen und die Einreichung eines entsprechenden Arztberichts abzuwarten, werden nicht geltend gemacht und sind nicht erkennbar. 
4.2.5 Bei der gegebenen Aktenlage konnte die Vorinstanz zulässigerweise in antizipierter Beweiswürdigung auf weitere medizinische Beweismassnahmen verzichten. In einem solchen Vorgehen liegt kein Verstoss gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV (dazu BGE 131 I 153 E. 3 S. 157, 124 V 90 E. 4b S. 94; SVR 2005 MV Nr. 1 S. 1 E. 2.3, M 1/02). 
5. 
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG; vgl. Beschluss des Bundesgerichts vom 12. Oktober 2007). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 22. November 2007 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Jancar