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[AZA 0/2] 
5C.250/2000/min 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
23. Januar 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichter Bianchi, Bundesrichter Merkli, 
Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Hasenböhler und Gerichtsschreiber Schett. 
 
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In Sachen 
Atelier X.________, Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Gmünder, Bahnhofstrasse 7, 9630 Wattwil, 
 
gegen 
Versicherung Y.________, Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Eugen Mätzler, Post-strasse 23, 9001 St. Gallen, 
 
betreffend 
Forderung aus Versicherungsvertrag, hat sich ergeben: 
 
A.- X.________ schloss bei der Versicherung Y.________ (nachfolgend "Y.________") für sich und seine im Betrieb mitarbeitende Ehefrau eine Krankentaggeld-Versicherung ab. 
Gemäss dem seit dem 1. April 1996 wirksamen Versicherungsvertrag betrug das Taggeld für Frau X.________ 80% des versicherten Jahresverdienstes von Fr. 32'400.-- bei einer Wartefrist von 14 Tagen. 
 
Am 4. Mai 1998 teilte X.________ der "Y.________" mit, seine Ehefrau sei im April 1997 an einer Neurodermitis erkrankt; nach einem dreimonatigen Kuraufenthalt in Italien habe sie im Oktober 1997 ihre Arbeit wieder aufnehmen können. 
Der Naturarzt A.________ habe ihr eine vom 23. April bis 
30. September 1997 dauernde Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. 
Mit Schreiben vom 20. Mai 1998 teilte die "Y.________" X.________ mit, Taggeldleistungen würden eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit voraussetzen, wobei diese Bestätigung von einem Arzt stammen müsse, der das eidgenössische Diplom besitze und über eine vom Bundesrat anerkannte Weiterbildung verfüge. Hierauf stellte X.________ am 16. Juni 1999 der "Y.________" eine Bescheinigung der Ärztin B.________ zu, worin Frau X.________ eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 23. April bis zum 30. September 1997 attestiert wurde. Die "Y.________" anerkannte dieses Attest indessen nicht, weil während des fraglichen Zeitraumes keine Behandlung oder Kontrolle von Frau X.________ durch diese Ärztin stattgefunden habe und zudem während des Italienaufenthaltes keine Begleitung durch die Ärztin B.________ möglich gewesen sei. Überdies machte die "Y.________" geltend, dass zwischenzeitlich die Verjährung der Forderung auf Taggeldleistungen eingetreten sei. 
Nach ergebnislos verlaufenem Sühneversuch reichte X.________ am 17. September 1999 beim Bezirksgericht W.________ Klage gegen die "Y.________" ein und verlangte deren Verurteilung zur Bezahlung von Fr. 12'870.-- nebst Zins und Kosten. Am 19. November 1999 wies der Bezirksgerichtspräsident die Klage ab, weil die Forderung verjährt sei. 
Dagegen gelangte der Kläger mit kantonaler Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen. Der Präsident der III. Zivilkammer wies am 2. Oktober 2000 die Berufung ab. 
 
B.- Mit eidgenössischer Berufung beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 2. Oktober 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Betrag von Fr. 12'870.-- zuzüglich 5% Zins seit dem 23. Dezember 1998 zu bezahlen. Eventualiter stellt er den Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Weiter ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. 
 
Das Kantonsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Gemäss Art. 237 lit. b der ZPO des Kantons St. Gallen ist die Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht zulässig gegen Entscheide der Kantonsgerichtspräsidenten als erster Instanz und des Handelsgerichts im summarischen Verfahren. 
Da diese Voraussetzungen hier fehlen, ist der angefochtene Entscheid letztinstanzlich im Sinne von Art. 48 OG und daher grundsätzlich berufungsfähig. Mit dem von keiner Seite in Abrede gestellten Streitwert von Fr. 12'870.-- ist zudem die Streitwertgrenze von Art. 46 OG erreicht, sodass auf die Berufung einzutreten ist. 
 
2.- a) Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass die zweijährige Verjährungsfrist von Art. 46 VVG (SR 221. 229.1) durch jenes Ereignis ausgelöst werde, welches die grundsätzliche Leistungspflicht des Versicherers zur Entstehung bringe. 
Gemäss Art. 10 lit. a der hier massgebenden AVB sei neben der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit der Ablauf der in der Police festgesetzten Wartefrist Voraussetzung für die Leistungspflicht des Versicherers. Mit Ablauf dieser Wartefrist habe die Verjährungsfrist für sämtliche aus diesem Versicherungsfall geschuldeten Krankentaggelder zu laufen begonnen. 
Dies sei am 7. Mai 1997 geschehen, sodass die Forderung am 23. Juni 1999, als der Kläger an den Vermittler gelangte, bereits verjährt gewesen sei. 
 
Der Kläger wirft dem Kantonsgerichtspräsidenten vor, Art. 46 VVG missverstanden und falsch angewendet zu haben. 
Dieser sei darüber hinweggegangen, dass der Zeitpunkt des Eintritts der leistungsbegründenden Tatsache, welcher den Verjährungsbeginn auslöse, nicht bei allen Versicherungsbranchen gleich sei. Bei der hier relevanten Krankentaggeld-Versicherung bestehe in Bezug auf den Verjährungsbeginn die Besonderheit, dass jeder neue Tag Arbeitsunfähigkeit eine neue Tatsache gebildet, welche die Leistungspflicht für einen weiteren Tag begründet und die Verjährungsfrist neu ausgelöst habe. 
 
b) Gemäss Art. 46 Abs. 1 VVG verjähren die Forderungen aus dem Versicherungsvertrag in zwei Jahren nach Eintritt der Tatsache, welche die Leistungspflicht begründet. 
Als leistungsbegründende Tatsache im Sinne dieser Bestimmung erachteten Lehre und Rechtsprechung anfänglich das befürchtete Ereignis mit der Folge, dass fristauslösendes Moment der Versicherungsfall war (BGE 55 II 215 S. 220; 68 II 106 E. 1; 75 II 227 E. 2 S. 231; König, Privatversicherungsrecht, 
3. Aufl. , 1967, S. 109; Maurer, Privatversicherungsrecht, 
3. Aufl. , 1995, S. 393; Roelli/Keller, Kommentar zum VVG, Bd. 
I, S. 668.). Diese Auffassung hat allerdings zur Konsequenz, dass die Verjährung unter Umständen schon eintritt, bevor der Versicherungsanspruch überhaupt fällig geworden ist (Roelli/Keller, a.a.O., S. 669). Im Hinblick auf dieses wenig befriedigende Ergebnis wurde später bezweifelt, ob es richtig sei, die Verjährung stets mit dem Eintritt des befürchteten Ereignisses beginnen zu lassen (dies trifft indessen für die Diebstahlversicherung zu, wo die Verjährung ab dem Schadenereignis und nicht ab dessen Kenntnis zu laufen beginnt: BGE 126 III 278 E. 7a S. 280). Die neuere Lehre und Rechtsprechung weicht denn auch von der Einheitslösung ab, welche den Verjährungsbeginn generell mit dem Eintritt des Versicherungsfalles gleichsetzt, und stellt - wie der Kläger zu Recht vorbringt - je nach Versicherungsart und Leistungsanspruch auf unterschiedliche fristauslösende Ereignisse ab (vgl. die umfassende Darstellung der kantonalen und bundesgerichtlichen Urteile bei Carré, Loi fédérale sur le contrat d'assurance, Lausanne 2000, S. 320 ff.). So verjährt in der Unfallversicherung der Anspruch auf eine Todesfallsumme erst zwei Jahre nach dem Tod der versicherten Person und nicht schon zwei Jahre nach dem Unfall (BGE 100 II 42 ff.), und der Fristenlauf für die Verjährung einer Invaliditätsentschädigung beginnt mit jenem Tag, an welchem feststeht, dass eine Invalidität vorhanden ist (BGE 118 II 447 ff.). Eine wegen Erwerbsunfähigkeit geschuldete Rente aus Versicherungsvertrag verjährt bei jedem Unfallereignis in zwei Jahren seit dem Unglücksfall (BGE 111 II 501; SJ 1986 S. 513). In der Haftpflichtversicherung wird ebenfalls nicht auf das befürchtete Ereignis abgestellt, sondern auf jenen Zeitpunkt, wo die Haftpflicht der versicherten Person gerichtlich festgestellt wird (BGE 61 II 197; 68 II 106). In der Rechtsschutzversicherung beginnt die Verjährung, sobald der Bedarf nach Rechtsschutz aufkommt, was in der Regel dann der Fall ist, wenn sich der Rechtsstreit zwischen dem Versicherten und dem Dritten konkret abzeichnet (BGE 119 II 468 E. 2c). Diese Beispiele lassen erkennen, dass fristauslösendes Moment für die Verjährung jener Zeitpunkt ist, in welchem die die Leistungspflicht des Versicherers begründenden Tatbestandselemente feststehen. 
 
Bei Anwendung dieses Grundsatzes auf den vorliegenden Fall ergibt sich das Folgende. Art. 10 lit. a der hier massgeblichen AVB bestimmt: "Für die Dauer der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, frühestens jedoch nach Ablauf der in der Police festgesetzten Wartefrist, bezahlt die "Y.________" das vereinbarte Taggeld. " Die Leistungspflicht des Versicherers wird also ausgelöst durch die krankheitsbedingte, ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit einerseits und durch den Ablauf der vereinbarten Wartefrist anderseits. 
Stehen diese beiden Tatbestandselemente fest, so ist die grundsätzliche Leistungspflicht der Versicherungsgesellschaft gegeben und beginnt damit die Verjährungsfrist zu laufen, und zwar für alle Taggelder, die während "der Dauer der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit" (Art. 10 lit. a AVB) anfallen, endet doch der Versicherungsfall erst, wenn die versicherte Person wieder arbeitsfähig ist. In der Regel bestimmen die Policen, dass eine Leistungspflicht des Versicherers nur für die Zeit besteht, während welcher eine ärztliche Behandlung nötig ist; mit dieser gegenständlichen Gefahrsbeschränkung ist die Mitwirkung des Arztes gesichert. Die Taggeldentschädigung muss grundsätzlich, wenn sich nicht etwas anderes deutlich aus dem Vertrag ergibt, als einheitliche aufgefasst werden, die gesamthaft verjährt (Thalmann, Die Verjährung im Privatversicherungsrecht, Diss. Zürich 1939, S. 169; vgl. BGE 124 V 368 E. 2a für die Massgeblichkeit der ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit im KVG). Die Argumentation des Klägers, dass jeder einzelne Tag der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein eigenständiges leistungsbegründendes Ereignis mit fristauslösender Wirkung darstelle, geht deshalb fehl. Und der Versuch, seine These gemäss BGE 17 S. 313 E. 4 durch eine Anleihe beim Sukzessivlieferungsvertrag zu stützen, bei welchem mit der Ablieferung einer einzelnen Warenpartie und nicht erst mit dem Ende aller Milchlieferungen die Gewährleistungsansprüche verjähren, erweist sich als untauglich. 
Hier ist vielmehr entscheidend, dass mit dem ärztlichen Attest der Arbeitsunfähigkeit und mit dem Ablauf der Wartefrist die für die Leistungspflicht der "Y.________" massgebenden Tatbestandselemente feststanden und damit die zweijährige Verjährungsfrist für die Gegenstand dieser Leistungspflicht bildenden Krankentaggelder in Gang gesetzt wurde. Dem hat die Vorinstanz Rechnung getragen, indem sie die Verjährungsfrist mit jenem Ereignis beginnen liess, welches die grundsätzliche Leistungspflicht der Versicherungsgesellschaft zum Entstehen gebracht hat. Diese Auffassung ist bundesrechtskonform. 
Das Bundesgericht hat in BGE 111 II 501 E. 2 (SJ 1986 S. 513) befunden, die im Rahmen einer Lebensversicherung geschuldete jährliche Rente für Erwerbsausfall infolge Unfalls verjähre bei jedem Unfallereignis in zwei Jahren seit dem Unglücksfall. Das gilt in analoger Weise auch für die hier aufgrund einer privaten Krankenversicherung für die Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit geltend gemachten Taggelder. 
 
c) Weiter beanstandet der Kläger, die Vorinstanz habe den Verjährungsbeginn mit der Fälligkeit des ersten Taggeldanspruches wie bei einer Leibrente eintreten lassen und dadurch der Absicht des Gesetzgebers zuwidergehandelt, der in Abweichung von Art. 130 OR als fristauslösendes Moment gerade nicht die Fälligkeit des Versicherungsanspruches gewollt habe. In diesem Zusammenhang beruft sich der Kläger auf BGE 68 II 106 ff. Dort hat das Bundesgericht, ausgehend von der Entstehungsgeschichte des Art. 46 VVG, ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Eintritts der Verjährung bewusst eine vom gemeinen Recht abweichende besondere Ordnung habe schaffen und den Lauf der Verjährung weder mit der Fälligkeit nach den Grundsätzen des OR noch mit der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsache, sondern mit einem anderen bestimmteren Zeitpunkt habe beginnen lassen wollen, nämlich mit dem Eintritt jener Tatsache, welche die Leistungspflicht des Versicherers begründet. Im Lichte dieser Rechtsprechung bleibt unerfindlich, inwiefern der Kantonsgerichtspräsident dieser gesetzgeberischen Intention zuwidergehandelt habe. Im angefochtenen Entscheid wird nämlich ausgeführt, dass die Verjährung mit jenem Ereignis beginne, das die grundsätzliche Leistungspflicht des Versicherers entstehen lasse, was nach Art. 10 lit. a AVB mit der ärztlichen Bescheinigung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und dem Ablauf der Wartefrist der Fall sei. Die Vorinstanz hat also keineswegs die Fälligkeit des Versicherungsanspruches als fristauslösendes Moment betrachtet, sondern in Übereinstimmung mit Art. 46 VVG die Verjährung mit dem die grundsätzliche Leistungspflicht des Versicherers begründenden Ereignis beginnen lassen. Damit ist der Rüge des Klägers der Boden entzogen. 
 
3.- Nach dem Verfahrensausgang wird der Kläger kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht und seine Prozessarmut dargetan. Die hier zu beurteilende Kernfrage des Verjährungsbeginnes bei einer Forderung aus Krankentaggeld-Versicherung ist bisher noch nicht entschieden und auch von der herrschenden Lehre nicht behandelt worden, sodass der Kläger ein Interesse an einer höchstrichterlichen Entscheidung hatte. 
Da die Ergreifung des Rechtsmittels nicht als aussichtslos erschien, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gutzuheissen (Art. 152 OG). Auf eine Parteientschädigung kann dagegen verzichtet werden, da keine Berufungsantwort eingeholt worden ist und deshalb der Beklagten keine Kosten entstanden sind. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.-Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen (Präsident der III. Zivilkammer) vom 2. Oktober 2000 bestätigt. 
 
2.-Das Gesuch des Klägers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutgeheissen, und Rechtsanwalt Matthias Gmünder, Bahnhofstrasse 7, 9630 Wattwil, wird zu seinem unentgeltlichen Rechtsbeistand bestellt. 
 
3.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger auferlegt, einstweilen jedoch auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.- Rechtsanwalt Matthias Gmünder wird aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 2'500.-- ausgerichtet. 
 
5.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen (Präsident der III. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt. 
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Lausanne, 23. Januar 2001 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: