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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_862/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 23. Februar 2016  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Maron, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 24. September 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 4. Mai 2015 hob die IV-Stelle des Kantons Zürich ihre Verfügung vom 23. April 2009 wiedererwägungsweise auf, mit welcher sie A.________ (geb. 1967) eine ganze Rente der Invalidenversicherung ab dem 1. Juni 2007 zugesprochen hatte. 
 
B.   
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 24. September 2015 gut, hob die Verfügung vom 4. Mai 2015 auf und stellte fest, A.________ habe weiterhin Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren. 
 
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde und beantragt, es sei dieser die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der Versicherungsträger kann durch Wiedererwägung auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (Art. 53 Abs. 2 ATSG). Zweifellose Unrichtigkeit bedeutet, dass kein vernünftiger Zweifel an der (von Beginn weg bestehenden) Unrichtigkeit der Verfügung möglich, also einzig dieser Schluss denkbar ist. Das Erfordernis ist erfüllt, wenn eine Leistungszusprechung unvertretbar war, weil sie aufgrund falscher Rechtsregeln erfolgte oder weil massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden (BGE 138 V 324 E. 3.3 S. 328). Qualifiziert unrichtig ist die Verfügung auch, wenn ihr ein unvollständiger Sachverhalt zugrunde liegt, z.B. in der Form, dass die Invaliditätsbemessung nicht auf einer nachvollziehbaren oder unvollständigen ärztlichen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit beruht (vgl. Urteile 9C_466/2010 vom 23. August 2010 E. 3.2.2 und 9C_307/2011 vom 23. November 2011 E. 3.2 mit Hinweis). Die Frage der zweifellosen Unrichtigkeit beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Verfügungserlasses, einschliesslich der damaligen Rechtspraxis (vgl. BGE 138 V 147 E. 2.1 S. 149). 
 
2.   
Zu prüfen ist die zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Verfügung vom 23. April 2009, was die Vorinstanz verneinte. 
 
2.1. Das kantonale Gericht erwog, die Rentenverfügung vom 23. April 2009 habe auf dem Gutachten des Dr. med. B.________, FMH orthopädische Chirurgie, vom 29. Oktober 2008 sowie auf den Stellungnahmen des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 28. November 2008, vom 29. Dezember 2008 und vom 13. Januar 2009 beruht. Bei der gestützt darauf erfolgten erstmaligen Rentenzusprache habe weder eine Nichtanwendung von massgeblichen Bestimmungen, noch eine klare Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes in Form einer unrichtigen Feststellung oder Würdigung des Sachverhalts vorgelegen. Die Beurteilung materieller Anspruchsvoraussetzungen weise gerade im Bereich der Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit und Beweiswürdigung notwendigerweise Ermessenszüge auf. Solange in diesen Fällen keine Missbräuchlichkeit oder eine anderweitige qualifizierte Fehlerhaftigkeit mit der Ermessensbetätigung einhergehe, sondern diese - wie vorliegend - zwar problematisch erscheine, aber noch vertretbar sei, dürfe nicht auf eine zweifellose Unrichtigkeit geschlossen werden.  
 
2.2. Die Vorinstanz übersieht dabei, dass Dr. med. B.________ die Frage einer allfälligen Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit im Gutachten vom 29. Oktober 2008 nicht abschliessend beantwortete, sowenig wie der RAD. So schloss sich Dr. med. C.________, FMH praktische Ärztin, im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 28. November 2008 einzig der Beurteilung des Dr. med. B.________ an, ohne sich zu der von diesem offen gelassenen Frage der Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit zu äussern. Gefragt nach dem Beginn der Restarbeitsfähigkeit von 50 %, führte Dr. med. C.________ in einer weiteren Stellungnahme vom 29. Dezember 2008 aus, "  die möglich erscheinende 50 %ige Restarbeitsfähigkeit " könne ab dem Untersuchungszeitpunkt bei Dr. med. B.________ (29. Oktober 2008) angenommen werden. Auch im Rahmen ihrer dritten Stellungnahme vom 13. Januar 2009 sprach Dr. med. C.________ lediglich von einer "  möglich erscheinenden 50 %igen Arbeitsfähigkeit ". Somit liegt der Zusprechung der ganzen Rente kein Arztbericht zugrunde, welcher die für die Invaliditätsbemessung kardinale Frage nach der zumutbaren Arbeitsunfähigkeit in Verweistätigkeiten beantwortet (vgl. Art. 6 zweiter Satz ATSG).  
 
Die Verfügung vom 23. April 2009 ist folglich zweifellos unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG
 
3.   
Eine Aufhebung des Rentenanspruchs auf dem Weg einer Wiedererwägung setzt voraus, dass auch bis dahin keine Invalidität eingetreten ist (SVR 2014 IV Nr. 39 S. 137, 9C_121/2014 E. 3.4). Dies ist anhand des (beweiswertigen; BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232) polydisziplinären (orthopädisch-psychiatrisch-neurologisch-internistischen) Gutachtens des Medizinischen Gutachtenszentrums Region St. Gallen GmbH (MGSG) vom 20. August 2014 zu verneinen. Danach sind dem Beschwerdegegner körperlich leichte Tätigkeiten in temperierten Räumen, die abwechslungsweise sitzend und stehend ausgeübt werden können, ohne dass dabei häufig inklinierte und reklinierte sowie rotierte Körperhaltungen eingenommen werden müssen, seit Januar 2007 - nach Abschluss der postoperativen Rehabilitation - zu 80 % bei voller Stundenpräsenz zumutbar. Seit Februar 2011 besteht zudem die Einschränkung, dass den Leiden angepasste Tätigkeiten nicht mit erhöhter emotionaler, Stress- oder überdurchschnittlicher Dauerbelastung einhergehen sowie keine geistige Flexibilität erfordern sollten. Das schliesst einen rentenbegründenden Invaliditätsgrad ohne Weiteres aus (BGE 104 V 135). Der beantragten Rückweisung bedarf es nicht. 
 
4.   
Nach dem Gesagten war die am 4. Mai 2015 verfügte Aufhebung des Rentenanspruchs per Ende Juni 2015 rechtens. 
 
5.   
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 24. September 2015 wird aufgehoben. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 23. Februar 2016 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Glanzmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner