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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_52/2011 
 
Urteil vom 23. März 2011 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Merkli, 
Gerichtsschreiber Mattle. 
 
1. Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
2. Y.________, 
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Ralph van den Bergh, 
 
gegen 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 
Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 24. November 2010 des Obergerichts des Kantons Aargau, Verwaltungskommission. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 23. Juli 2007 bewilligte der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Wohlen eine Arealüberbauung auf der Parzelle Nr. 607 in Wohlen. Mit Entscheid vom 2. April 2008 hiess der Regierungsrat des Kantons Aargau eine von X.________ und Y.________ dagegen erhobene Beschwerde gut und hob die Baubewilligung auf. Von der Einwohnergemeinde Wohlen und der Baugesuchstellerin gegen den Entscheid des Regierungsrats erhobene Beschwerden hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 16. Juni 2009 gut. Es hob den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an den Regierungsrat zurück. 
 
B. 
Auf eine von X.________ und Y.________ gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht nicht ein, weil es sich beim Rückweisungsentscheid nicht um einen anfechtbaren Zwischenentscheid handelte (Urteil 1C_390/2009 vom 14. April 2010). 
 
C. 
In der Folge befasste sich der Regierungsrat erneut mit der von X.________ und Y.________ gegen die Baubewilligung erhobenen Beschwerde. Er wies die Beschwerde am 30. Juni 2010 ab und bestätigte damit die vom Gemeinderat erteilte Baubewilligung. Gegen diesen Entscheid des Regierungsrats gelangten X.________ und Y.________ am 9. September 2010 ans Verwaltungsgericht. Gleichzeitig stellten sie ein Ablehnungsbegehren gegen alle am Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Juni 2009 mitbeteiligten Richter, den befassten Gerichtsschreiber sowie sämtliche befassten Sachbearbeiter. Die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Aargau wies das Ablehnungsgesuch am 24. November 2010 ab. 
 
D. 
Mit Eingabe vom 31. Januar 2011 führen X.________ und Y.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht. Sie beantragen, der Entscheid der Verwaltungskommission des Obergerichts sei aufzuheben und das Ausstandsbegehren gutzuheissen. Eventualiter sei der Entscheid der Verwaltungskommission des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an diese zurückzuweisen. 
 
E. 
Mit Verfügung vom 1. März 2011 hat das Bundesgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung beigelegt. 
 
F. 
Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Verwaltungskommission des Obergerichts teilt mit, sie halte an den Ausführungen des angefochtenen Entscheids fest. 
 
G. 
Mit Stellungnahme vom 18. März 2011 halten die Beschwerdeführer an den Beschwerdeanträgen fest. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen, selbstständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 92 Abs. 1 BGG). Ihm liegt ein Baubewilligungsverfahren, mithin eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit zu Grunde (Art. 82 lit. a BGG). Die Beschwerdeführer sind als Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, deren Ausstandsbegehren abgelehnt worden ist, zur Beschwerde befugt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2. 
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Anspruchs auf ein unparteiisches und unabhängiges Gericht gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Sie sind der Ansicht, die am Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Juni 2009 mitwirkenden Personen seien vorbefasst und befangen. 
 
2.1 Jede Person hat nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Ob diese Garantien verletzt sind, prüft das Bundesgericht frei. Liegen bei objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie verletzt (BGE 136 I 207 E. 3.1 S. 210; mit Hinweisen). 
 
2.2 Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in das Gericht kann bei den Parteien immer dann entstehen, wenn einzelne Gerichtspersonen in einem früheren Verfahren mit der konkreten Streitsache schon einmal befasst waren. In einem solchen Fall sogenannter Vorbefassung stellt sich die Frage, ob sich ein Richter durch seine Mitwirkung an früheren Entscheidungen in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hat, die ihn nicht mehr als unvoreingenommen und dementsprechend das Verfahren als nicht mehr offen erscheinen lässt. Ob dies der Fall ist, kann nicht generell gesagt werden; es ist vielmehr im Einzelfall zu untersuchen, ob die konkret zu entscheidende Rechtsfrage trotz Vorbefassung als noch offen erscheint (BGE 131 I 113 E. 3.4 S. 116 f.; mit Hinweisen). 
 
2.3 Im Fall der Rückweisung einer Streitsache durch eine Rechtsmittelinstanz steht der am aufgehobenen Entscheid beteiligte Richter bei der Neubeurteilung der Streitsache nicht von vornherein unter dem Anschein der Befangenheit. Vom Richter darf erwartet werden, dass er die Streitsache auch nach Aufhebung des Entscheids objektiv und unparteiisch behandelt (BGE 131 I 113 E. 3.6 S. 120). Das Gleiche gilt für die am Rückweisungsentscheid mitwirkenden Personen, wenn der vorinstanzliche Entscheid erneut bei der Rechtsmittelinstanz angefochten wird. Auch von ihnen darf erwartet werden, dass sie die Streitsache objektiv und unparteiisch behandeln. Der Umstand, dass sich eine Rechtsmittelinstanz in einem Rückweisungsentscheid bereits mit einer Sache befasst hat, führt nicht dazu, dass die beteiligten Personen unter dem Anschein der Befangenheit stehen, sofern nicht weitere konkrete für die Befangenheit sprechende Gesichtspunkte hinzukommen (Urteil 8C_518/2010 vom 24. Januar 2011 E. 3.1 f.; vgl. auch Art. 34 Abs. 2 BGG sowie Urteil 2C_466/2010 vom 25. Oktober 2010 E. 2.3 für das Verfahren vor Bundesgericht). 
 
3. 
Die Vorinstanz hält im angefochtenen Entscheid fest, das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 16. Juni 2009 den Entscheid des Regierungsrats vom 2. April 2008 allein mit Bezug auf die Voraussetzungen gemäss § 21 Abs. 2 lit. c der Allgemeinen Verordnung zum Baugesetz vom 23. Februar 1994 [ABauV; SAR 713.111] und § 9 Abs. 1 der Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde Wohlen vom 8. Mai bzw. 6. September 2006 [BNO] überprüft. Die übrigen Bewilligungsvoraussetzungen seien nicht Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung gewesen. Die einzige Bindung für den Regierungsrat, die sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts ergeben habe, sei die korrekte Anwendung von § 21 Abs. 2 lit. c ABauV und § 9 Abs. 1 BNO. Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen sei der Regierungsrat nicht eingeschränkt worden. Das Verwaltungsgericht habe somit weder ein bestimmtes Konzept geschützt noch den Regierungsrat an ein solches gebunden. Nachdem das Verwaltungsgericht nur einen beschränkten Teil der für die Baubewilligung entscheidenden Fragen behandelt habe, sei der Verfahrensausgang völlig offen. Im früheren Verfahren lägen weder erhebliche Fehler in der Verfahrensführung vor, noch seien andere konkrete Gründe ersichtlich, die den berechtigten Eindruck der Befangenheit entstehen lassen würden. Es bestehe kein Anlass zur Annahme, die am Urteil vom 16. Juni 2009 mitwirkenden Personen des Verwaltungsgerichts könnten sich von den seinerzeit getroffenen Feststellungen sowie den geäusserten Wertungen nicht mehr lösen und würden die Sache deshalb nicht mehr mit der nötigen Distanz und Objektivität beurteilen. 
Die Beschwerdeführer wenden ein, das Verwaltungsgericht habe mit seinem Urteil verunmöglicht, dass der Regierungsrat die Sache in Übereinstimmung mit Art. 25a und Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG (SR 700) sowie § 50 Abs. 1 des kantonalen Baugesetzes vom 19. Januar 1993 (BauG; SAR 713.100) gesamtheitlich und materiell koordiniert habe beurteilen können. Noch zu entscheidende Fragen könnten nicht isoliert von bereits entschiedenen betrachtet werden. Es sei nicht damit zu rechnen, dass das Verwaltungsgericht in der gleichen Besetzung die materiell mit den bereits entschiedenen Punkten zusammenhängenden Restpunkte abweichend von seiner ersten Beurteilung entscheiden werde. Das Verwaltungsgericht könne und dürfe nicht in gleicher Besetzung darüber entscheiden, ob es in seinem ersten Urteil ein falsches Verfahren vorgespurt habe. 
 
4. 
Beim umstrittenen Baugesuch handelt es sich um ein Gesuch für eine sogenannte Arealüberbauung. Arealüberbauungen dürfen nach aargauischem Recht in gewissen Punkten von der Regelbauweise abweichen, soweit die Gemeinden nichts anderes festlegen (§ 21 ABauV). Der Regierungsrat kam in seinem ersten Entscheid vom 2. April 2008 zum Schluss, das vom Gemeinderat bewilligte Projekt erfülle bestimmte vom kantonalen und kommunalen Recht aufgestellte Voraussetzungen für eine Arealüberbauung nicht, nämlich die Voraussetzung der guten Einordnung ins Orts- und Quartierbild (§ 21 Abs. 2 lit. c ABauV) sowie der Wahrung des bestehenden baulichen Gesamtcharakters in der Kernzone (§ 9 Abs. 1 BNO). Das Verwaltungsgericht führte in seinem Urteil vom 16. Juni 2009 aus, der Gemeinderat habe § 21 Abs. 2 lit. c ABauV sowie § 9 Abs. 1 BNO im Gegensatz zur Ansicht des Regierungsrats in vertretbarer Weise angewandt. Die Baubewilligung verstosse in dieser Hinsicht nicht gegen das Gesetz. Weiter wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass der Regierungsrat die Baubewilligung lediglich unter den Aspekten der Einordnung ins Orts- und Quartierbild sowie der Wahrung des bestehenden baulichen Gesamtcharakters überprüft habe, während er sich zu den übrigen Streitpunkten nicht geäussert habe. Es sei nicht seine Aufgabe, eine eigene umfassende Beurteilung der übrigen Bewilligungsvoraussetzungen als erste und einzige Rechtsmittelinstanz vorzunehmen. Dementsprechend wies es die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an den Regierungsrat zurück. 
Ob bestimmte gesetzliche Anforderungen an Arealüberbauungen - wie die Beschwerdeführer geltend machen - sich inhaltlich mit anderen gesetzlichen Voraussetzungen überschneiden und ob die von den Beschwerdeführern angeführten Art. 25a und Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG im Hauptverfahren von Bedeutung sind, ist im Rahmen der vorliegenden Beschwerde gegen die Ablehnung des Ausstandsgesuchs nicht zu beurteilen. Wie die Vorinstanz indessen zu Recht festgehalten hat, hat das Verwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 16. Juni 2009 einzig entschieden, dass das Bauprojekt nicht gegen die Voraussetzungen von § 21 Abs. 2 lit. c ABauV und § 9 Abs. 1 BNO verstosse, bzw. dass der Regierungsrat diese Bestimmungen nicht korrekt angewendet habe. Nicht geäussert hat es sich dagegen zu den übrigen Bewilligungsvoraussetzungen für Arealüberbauungen bzw. für das umstrittene Bauprojekt. Es hat insbesondere auch weder ausdrücklich noch sinngemäss ausgeschlossen, dass verschiedene Bewilligungsvoraussetzungen sich thematisch überschneiden und sachliche Wechselwirkungen haben könnten. Schliesslich hat es mit seinem Urteil nicht eine allenfalls vorzunehmende gesamtheitliche Beurteilung durch den Regierungsrat verunmöglicht oder von diesem eine isolierte Beurteilung zusammenhängender Fragen verlangt. Zu § 50 Abs. 1 BauG, wonach Arealüberbauungen eine gesamthaft bessere Lösung bieten müssen, hat es ausdrücklich ausgeführt, es hänge von der Einhaltung sämtlicher Anforderungen ab, die das kantonale und kommunale Recht an eine Arealüberbauung stellen, ob das umstrittene Bauprojekt eine solche gesamthaft bessere Lösung biete. 
Die Beschwerdeführer vermögen nicht aufzuzeigen, inwiefern sich die am Urteil vom 16. Juni 2009 mitwirkenden Personen - abgesehen von der Feststellung, dass der Regierungsrat § 21 Abs. 2 lit. c ABauV und § 9 Abs. 1 BNO nicht korrekt angewendet habe - in einzelnen Punkten bereits derart festgelegt haben sollten, dass sie nicht mehr als unvoreingenommen erscheinen würden und dementsprechend das Verfahren nicht mehr offen wäre. Wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat, besteht kein Anlass zur Annahme, die am Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Juni 2009 mitwirkenden Personen könnten die Sache nicht mehr mit der nötigen Distanz und Objektivität beurteilen. Die Rüge der Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK erweist sich somit als unbegründet. 
 
5. 
Es ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Verwaltungsgericht und dem Obergericht des Kantons Aargau, Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 23. März 2011 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Fonjallaz Mattle