Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
I 117/06 
 
Urteil vom 23. Mai 2006 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Fessler 
 
Parteien 
C.________, 1963, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Bruno C. Lenz, Schmiedenplatz 5, 3011 Bern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 19. Dezember 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1963 geborene C.________ arbeitete nach Abschluss der kaufmännischen Lehre und einigen Jahren beruflicher Tätigkeit ab 1988 u.a. als selbständige Maskenbildnerin/Freskenmalerin. Im April 1994 erlitt sie beim Snowboarden eine Pilon tibiale Trümmerfraktur rechts. Die IV-Stelle Bern richtete ihr für die erwerblichen Folgen der Verletzung für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1995 bei einem Invaliditätsgrad von 50 Prozent eine halbe Rente aus (Verfügung vom 5. November 1997). 
 
Im November 2001 erlitt C.________ einen Rückfall mit belastungsabhängigen Schmerzen. Sie meldete sich Anfang Mai 2003 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen, u.a. Einsichtnahme in die UV-Akten, verneinte die kantonale IV-Stelle mit Verfügung vom 17. November 2004 den Anspruch auf eine Invalidenrente. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 24. März 2005 fest. 
B. 
Die Beschwerde der C.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 19. Dezember 2005 ab. 
C. 
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei ihr ab dem frühest möglichen Zeitpunkt eine, allenfalls in noch zu bestimmender Höhe befristete Invalidenrente zuzusprechen. 
 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung. 
2. 
Für die Bemessung der Invalidität bei erwerbstätigen Versicherten wird das Erwerbseinkommen, das sie nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihnen zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnten (Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnten, wenn sie nicht invalid geworden wären (Valideneinkommen; alt Art. 28 Abs. 2 IVG und Art. 16 ATSG). Der Vergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden. Aus der Einkommensdifferenz lässt sich der Invaliditätsgrad bestimmen. Insoweit die fraglichen Erwerbseinkommen ziffernmässig nicht genau ermittelt werden können, sind sie nach Massgabe der im Einzelfall bekannten Umstände zu schätzen und die so gewonnenen Annäherungswerte miteinander zu vergleichen. Wird eine Schätzung vorgenommen, so muss diese nicht unbedingt in einer ziffernmässigen Festlegung von Annäherungswerten bestehen. Vielmehr kann auch eine Gegenüberstellung blosser Prozentzahlen genügen. Das ohne Invalidität erzielbare hypothetische Erwerbseinkommen ist alsdann mit 100 % zu bewerten, während das Invalideneinkommen auf einen entsprechend kleineren Prozentsatz veranschlagt wird, so dass sich aus der Prozentdifferenz der Invaliditätsgrad ergibt (allgemeine Methode des Einkommensvergleichs mit den Untervarianten Prozent- und Schätzungsvergleich; BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2b; vgl. auch BGE 114 V 313 Erw. 3a mit Hinweisen). 
 
Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BGE 130 V 343) und nach In-Kraft-Treten der 4. IV-Revision (Bundesgesetz und Verordnung vom 21. März und 21. Mai 2003) am 1. Januar 2004. 
3. 
Die IV-Stelle ermittelte durch Einkommensvergleich einen Invaliditätsgrad von 25 %. In der Verfügung vom 17. November 2004 führte sie aus, da lediglich Unfallfolgen bestünden, könne die Invalidenversicherung keinen anderen Invaliditätsgrad als die Unfallversicherung anerkennen. Gemäss den UV-Akten betrage die Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit 25 % seit 1. Juli 2002. Die Unfallversicherung habe ein Valideneinkommen von Fr. 60'000.- angenommen. Das trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung zumutbarerweise erzielbare Erwerbseinkommen setzte die IV-Stelle ohne nähere Begründung auf Fr. 45'000.- fest. Im Einspracheentscheid vom 24. März 2005 hielt die Verwaltung sodann fest, der Unfallversicherer habe sich in seinem Schreiben vom 14. Januar 2005 (Stellungnahme zur Einsprache) dahingehend geäussert, es sei ihm seit Jahren bekannt, «dass die Versicherte im kaufmännischen Bereich voll arbeitsfähig wäre und in diesem Bereich mindestens einen Verdienst von CHF 60'000.00 verdienen könnte». In ihrer Ergänzung zur Vernehmlassung an die Vorinstanz vom 20. Juni 2005 schliesslich führte die IV-Stelle aus, das Valideneinkommen von Fr. 60'000.- entspreche dem versicherten Verdienst in der Unfallversicherung. Gemäss Abklärungsbericht für Selbständigerwerbende vom 20. Juli 2004 ergebe sich bei einer Gesamtbetrachtung der Jahre 1999-2001 im Schnitt ein Betriebsergebnis von Fr. 43'600.-. Das Invalideneinkommen sei auf Grund der Eintragungen im Individuellen Konto für die Zeit vor dem Unfall im April 1994 auf Fr. 45'000.- festgesetzt worden. 
 
Das kantonale Gericht hat sich zur Invaliditätsbemessung der IV-Stelle geäussert, letztlich aber die Rechtskonformität des Einkommensvergleichs offen gelassen. Die Vorinstanz hat erwogen, die Voraussetzungen für einen Prozentvergleich seien gegeben, die Versicherte sei in einer leichteren, angepassten Arbeit (ohne Heben schwerer Gewichte, nur kurze Gehstrecken) voll leistungsfähig. Eine solche Arbeit sollte jedoch nach medizinischer Beurteilung nicht im kaufmännischen Sektor verrichtet werden, was aber das Spektrum der zumutbaren Einsatzmöglichkeiten nicht entscheidend einschränke. Werde das Valideneinkommen mit 100 % bewertet, sei in Bezug darauf von einem Invalideneinkommen von über 60 % auszugehen. Damit sei aber eine rentenbegründende Mindestinvalidität von 40 % ausgeschlossen. 
4. 
4.1 Der Invaliditätsgrad ist durch Prozentvergleich zu ermitteln, wenn Validen- und Invalideneinkommen sich nicht hinreichend genau oder nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand bestimmen lassen und in letzterem Fall zudem angenommen werden kann, die Gegenüberstellung der mit Prozentzahlen bewerteten hypothetischen Einkommen ergebe ein ausreichend zuverlässiges Resultat. Diese Berechnungsweise ist insbesondere anwendbar, wenn die konkreten Verhältnisse so liegen, dass die Differenz zwischen Validen- und Invalideneinkommen die für den Umfang des Rentenanspruchs massgebenden Grenzwerte von 66 2/3, 50 und 40 Prozent resp. 70, 60, 50 und 40 Prozent seit 1. Januar 2004 (Art. 28 Abs. 1 IVG) eindeutig über- oder unterschreitet (BGE 104 V 136 Erw. 2b; nicht veröffentlichtes Urteil I. vom 3. Mai 1995 [I 262/94]). 
 
Entgegen dem kantonalen Gericht sind die Voraussetzungen für die Anwendung des Prozentvergleichs nicht gegeben. Aufgrund der Akten lassen sich Validen- und Invalideneinkommen hinreichend genau und mit verhältnismässigem Aufwand bestimmen. 
4.2 Die Versicherte leidet an posttraumatischen arthrotischen Beschwerden des Sprunggelenks rechts, Status nach Pilon tibiale Trümmerfraktur, Osteosynthese vom 23. April 1994 und mehreren Operationen seither (Berichte Prof. Dr. med. F.________ vom 25. März und 21. Juni 2002). Körperlich leichte Tätigkeiten ohne Heben schwerer Gewichte und mit nur kurzen Gehstrecken sind im zeitlichen Rahmen von acht Stunden pro Tag ohne verminderte Leistung zumutbar (Bericht Dr. med. A.________ vom 15. Dezember 2003). Sodann attestierte Dr. phil. R.________, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP, in seinem Schreiben vom 30. November 2004 an die Versicherte Anzeichen einer Erschöpfungsdepression. Weiter führte er aus, zufolge der Erkrankung von 1987 bis 1988, zurückzuführen auf den damals ausgeübten Beruf, sei eine herkömmliche Bürotätigkeit nicht zumutbar. Dr. med. A.________ hielt in seinem Bericht vom 24. April 2005 zuhanden des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin fest, dass auf Grund der jetzigen Entwicklung und der früheren Anamnese mit schwersten psychischen Störungen bis zur völligen Schlaflosigkeit und schweren Depressionen und Suizidalität im Jahre 1988, welche im Zusammenhang mit dem falschen Beruf (Sachbearbeiterin) aufgetreten seien, die Option, erneut im Büro arbeiten zu müssen, wiederum die alten Krankheiten auszulösen drohe und die Gefahr völliger Invalidisierung in sich berge. Büroarbeit sei daher entgegen dem anders lautenden Bericht an die IV-Stelle vom 15. Dezember 2003 nicht zumutbar. 
 
Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass auch ohne kaufmännischen Sektor (Bürotätigkeiten) ein genügend breites Spektrum von dem Leiden angepassten Tätigkeiten besteht, welche grundsätzlich zu 100 % ohne erhebliche Leistungseinbusse zumutbar sind und auch der künstlerischen Ausrichtung der Versicherten entsprechen. Zu denken ist etwa an die Mitarbeit in einem Museum (Administration und/oder Führung) oder in einer Galerie (Verkauf oder sogar Geschäftsführung). Dabei kann bei Anwendung der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2002 des Bundesamtes für Statistik (LSE 02; vgl. dazu BGE 126 V 77 Erw. 3b/bb, 124 V 321) für die Bemessung des Invalideneinkommens ohne weiteres vom Anforderungsniveau 3 ausgegangen werden. Dies ergibt bei einem Abzug vom Tabellenlohn im Sinne von BGE 126 V 75 von 10 % ein trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung erzielbares Einkommen von mindestens Fr. 51'224.- (12 x Fr. 4743.- x 0.9; LSE 02 S. 43 TA1). 
4.3 Beim Valideneinkommen ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Invalidität der voraussichtlich bleibenden oder längere Zeit dauernden Erwerbsunfähigkeit (alt Art. 4 Abs. 1 IVG und Art. 8 Abs. 1 ATSG; BGE 125 V 157 Erw. 5c/bb und BGE 130 V 343) entspricht. Dem widerspricht, für die Ermittlung dieser Einkommensgrösse das Geschäftsergebnis 2000 (Fr. 105'648.45) heranzuziehen, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt wird (ZAK 1998 S. 122 Erw. 2c, Urteil D. vom 29. Februar 2000 [U 175/99] Erw. 2b, nicht veröffentlichtes Urteil V. vom 12. Juli 1996 [I 342/95] Erw. 3c; vgl. auch AHI 1998 S. 255 Erw. 4a in fine und ZAK 1985 S. 464). Anderseits erscheint das im Abklärungsbericht für Selbständigerwerbende vom 20. Juli 2004 bei einer Gesamtbetrachtung der Jahre 1999-2001 angegebene durchschnittliche Betriebsergebnis von Fr. 43'600.- mit Blick auf die Eintragungen im individuellen Konto von Fr. 45'700.- (1998 und 1999) sowie Fr. 67'600.- (Auszug vom 17. September 2003) eher tief. Selbst wenn indessen unter Berücksichtigung der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Valideneinkommen sogar auf Fr. 80'000.- festgesetzt würde, ergäbe sich daraus ein Invaliditätsgrad von gerundet 36 %, was für den Anspruch auf eine (Viertel-)Rente nicht reicht (Art. 28 Abs. 1 IVG). 
 
Der angefochtene Entscheid ist somit im Ergebnis rechtens. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 23. Mai 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: