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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1189/2017  
 
 
Urteil vom 23. Mai 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Schär. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Sicherungseinziehung (Einziehung und Vernichtung von Hanfsamen); Rechtskraft, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, vom 11. September 2017 (SK 16 194+195). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ und Y.________ wird vorgeworfen, auf den Feldern von Y.________ Hanf angebaut zu haben. X.________ habe das entsprechende Saatgut geliefert, woraus Hanfpflanzen mit einem THC-Gehalt von 1.8 % gewachsen seien. X.________ und Y.________ hätten sich damit der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gemacht. 
Das Regionalgericht Bern-Mittelland sprach X.________ und Y.________ am 26. April 2016 vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz frei. Darüber hinaus wurde verfügt, dass die eingezogenen Hanfpflanzen vernichtet und die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 2. Oktober 2015 beschlagnahmten Hanfsamen an X.________ und Y.________ herausgegeben werden, unter der Auflage, dass sie einzig der Berner Ölmühle zugeführt oder zu geschälten Hanfnüssen verarbeitet werden dürfen. Die Hanfsamen dürften nicht in die Erde oder in ein anderes Substrat, das die Keimung der Samen ermöglicht, verbracht werden. 
 
B.  
Die Staatsanwaltschaft erhob Berufung gegen das Urteil des Regionalgerichts. X.________ erklärte Anschlussberufung. Das Obergericht Bern stellte am 11. September 2017 die Rechtskraft der Freisprüche und der Verfügung bezüglich der Vernichtung der Hanfpflanzen fest. Es verfügte die Einziehung und Vernichtung der beschlagnahmten Hanfsamen. 
 
C.  
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen vor Bundesgericht. Er beantragt, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben. Die mit Verfügung vom 2. Oktober 2015 beschlagnahmten Hanfsamen seien ihm ohne Auflage herauszugeben. Für das bundesgerichtliche Verfahren beantragt X.________ die unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Obergericht Bern verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Generalstaatsanwaltschaft Bern hat sich innert Frist nicht geäussert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht geweigert, über die Frage des THC-Gehalts des angebauten Hanfs Beweis zu führen. Es sei für ihn weder notwendig noch möglich gewesen, diesbezüglich im Urteilszeitpunkt Berufung anzumelden. Im Urteilszeitpunkt wäre ihm bezüglich dieser Frage aufgrund des Freispruchs zweifelsohne die Beschwerdelegitimation abgesprochen worden. Weiter beanstandet der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung. Die Annahme, dass es sich beim angebauten Hanf respektive den Hanfsamen nicht um die Sorte "Fedora 17" handeln soll, sei unhaltbar und willkürlich. Bereits im vorinstanzlichen Verfahren habe er das Analyseverfahren respektive die Probeentnahme beanstandet und bezüglich der Ermittlung des THC-Gehalts weitere Beweismassnahmen beantragt.  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt, das Regionalgericht habe den objektiven Tatbestand der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz bejaht. Der Beschwerdeführer habe zusammen mit Y.________ Hanf mit einem THC-Gehalt von 1.8 % und damit verbotene Betäubungsmittel angebaut, ohne über die notwendige Ausnahmebewilligung zu verfügen. Das Regionalgericht habe die Strafbarkeit einzig deshalb verneint, weil die Beschuldigten einem Irrtum unterlegen seien und nicht vorsätzlich gehandelt hätten. Die Vorinstanz erwägt weiter, sie sei an die Feststellung des Regionalgerichts gebunden, wonach der aus den Cannabissamen gewachsene Hanf einen THC-Gehalt von 1.8 % aufgewiesen habe. Entsprechend sei über die Frage des THC-Gehalts nicht mehr Beweis zu führen und es könne auf das bisher Gesagte verwiesen werden. Hätten die Parteien die THC-Analyse des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern (IRM) bemängeln bzw. über die Frage des THC-Gehalts der Hanfpflanzen erneut Beweis führen wollen, hätten sie im Urteilszeitpunkt Berufung anmelden müssen.  
 
1.3. Die Vorinstanz verkennt, dass ausschliesslich das Dispositiv, nicht jedoch die Urteilsbegründung in Rechtskraft erwächst (SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 3 zu Art. 437 StPO; vgl. BGE 120 IV 10 E. 2b S. 12 f.; je mit Hinweisen). Sie ist daher an die erstinstanzliche Feststellung, wonach der THC-Gehalt 1.8 % betragen habe, nicht gebunden. Die Höhe des THC-Werts spielt beim vorinstanzlichen Entscheid über die Anordnung der Einziehung und Vernichtung der Hanfsamen eine entscheidende Rolle. So erwägt die Vorinstanz, bei der Sorte "Fedora 17" handle es sich um eine in der Schweiz zugelassene Sorte von Hanfsamen. Denn diese Sorte weise in der Regel einen sehr niedrigen, unter 0.3 % liegenden THC-Gehalt auf. Es scheine schon allein aufgrund des festgestellten THC-Gehalts von 1.8 % abwegig, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer angebauten Hanf um die Sorte "Fedora 17" gehandelt habe. Die Sortenqualifikation des Regionalgerichts müsse daher falsch sein. Der Beschwerdeführer habe die Samen über Jahre hinweg selbständig reproduziert. Diese eigenständige Herstellung und Reproduktion der Hanfsamen müsse dazu geführt haben, dass es sich nicht mehr um die streng kontrollierte, amtlich zertifizierte Hanfsorte "Fedora 17" gehandelt habe. Der Beschwerdeführer brachte im vorinstanzlichen Verfahren verschiedene Einwände in Zusammenhang mit dem festgestellten THC-Gehalt vor und stellte mehrere Beweisanträge, worauf die Vorinstanz nach dem Gesagten zu Unrecht nicht eingeht. Die Vorinstanz durfte nicht auf eine eigene Beweiserhebung bzw. -würdigung hinsichtlich des THC-Gehalts verzichten mit der Begründung, diese Frage könne nicht mehr beurteilt werden. Der vorinstanzlichen Argumentation, wonach der Beschwerdeführer hinsichtlich des THC-Gehalts sowie dessen Ermittlung Berufung hätte erheben müssen, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, wäre ihm hinsichtlich dieser Frage aufgrund des Freispruchs die Beschwer abgesprochen worden. Vielmehr wurden Ausführungen bezüglich des THC-Gehalts erst deshalb notwendig, da die Staatsanwaltschaft Berufung erhoben und die Einziehung der Hanfsamen beantragt hatte. Die Beschwerde erweist sich als begründet. Nach dem Gesagten erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den übrigen Rügen des Beschwerdeführers betreffend die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, die Verletzung der Eigentumsgarantie und die Rechtsanwendung.  
 
2.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird gegenstandslos. Der Beschwerdeführer liess sich nicht anwaltlich vertreten, weshalb er keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung hat. Es sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Entschädigung rechtfertigen würden (vgl. BGE 125 II 518 E. 5b S. 519 f. mit Hinweisen). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 11. September 2017 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Mai 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schär