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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 803/04 
 
Urteil vom 23. Juni 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, Kernen und Ursprung; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Krankenkasse Progrès, Rue Daniel-Jean Richard 19, 2400 Le Locle, Beschwerdegegnerin, 
 
betreffend E.________, 1996, vertreten durch ihre Mutter 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 26. Oktober 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
E.________ (geb. 1996) leidet an einem Sprachgebrechen und an motorischen Störungen. Sie erhielt daher von der Invalidenversicherung verschiedene Leistungen zugesprochen. Mit Verfügung vom 23. Oktober 2003 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich die Übernahme einer Ergotherapie ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 9. Februar 2004 fest, nachdem die Krankenkasse Progrès als obligatorische Krankenversicherung von E.________ Einsprache erhoben hatte. 
B. 
Die von der Krankenkasse dagegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. Oktober 2004 gut und verpflichtete die IV-Stelle, die Ergotherapie zu übernehmen. 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
Die Krankenkasse verzichtet auf eine Vernehmlassung, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf medizinische Massnahmen der Invalidenversicherung (Art. 5 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 ATSG; Art. 12 Abs. 1 IVG) und die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 105 V 20; AHI 2003 S. 104 Erw. 2, 2000 S. 64 Erw. 1) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
2. 
Es ist unbestritten, dass die Ergotherapie nicht als pädagogisch-therapeutische Massnahme nach Art. 8ter Abs. 2 oder Art. 9 IVV von der Invalidenversicherung zu übernehmen ist. Insoweit kann auf den zutreffenden kantonalen Entscheid verwiesen werden. Ebenso steht fest, dass kein Geburtsgebrechen vorliegt, welches eine Leistungspflicht nach Art. 13 IVG zur Folge haben könnte. Zu prüfen ist einzig, ob die streitige Therapie gemäss Art. 12 IVG als medizinische Massnahme von der Invalidenversicherung zu tragen ist. 
2.1 Die Versicherte wurde von der Fachstelle logopädische Therapie untersucht. Im entsprechenden Bericht dieser Institution vom 8. Mai 2003 finden sich die Diagnosen Dysgrammatismus, Dyslalie und Stottern. Von Ergotherapie ist nicht die Rede. Frau Dr. S.________, Spezialärztin FMH für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, stellte ein gutes Gehör fest und kam zum Schluss, dass die Ursachen der Sprachschwierigkeiten nicht im ORL-Bereich lägen. Gemäss Bericht von Dr. med. B.________, Kinderarzt FMH, vom 24. Dezember 2002 leidet die Versicherte an einer deutlichen feinmotorischen Störung. Die streitige Ergotherapie diene zur Schulung der Wahrnehmung, was wiederum Voraussetzung sei für eine erfolgreiche Sprachtherapie. Im Bericht vom 12. September 2003 spricht Dr. B.________ von einer Störung der Feinmotorik, der visuo-motorischen Koordination und der Graphomotorik. Gestützt namentlich auf die Angaben von Dr. B.________ schloss die Vorinstanz, dass die Ergotherapie der Verbesserung der ungenügenden Funktionen des Bewegungsapparates diene, auf die berufliche Eingliederung ausgerichtet und Voraussetzung für eine erfolgreiche Sprachtherapie sei. Da überdies eine gute Prognose vorliege und keine Dauerbehandlung zu erwarten sei, sah das kantonale Gericht die Voraussetzungen nach Art. 12 IVG als erfüllt an. Dies bestreitet die Beschwerdeführerin insbesondere mit dem Einwand, nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft sei nicht belegt, dass eine Ergotherapie eine Sprachheilbehandlung zu unterstützen vermöge. Es gebe keine wissenschaftlich fundierten Studien hierüber. Solche Störungen seien mittels Logopädie anzugehen. 
2.2 Bei einer Ergotherapie werden im Allgemeinen alltägliche Lebensverichtungen wie Essen, Waschen, Ankleiden, Schreiben oder der Umgang mit anderen Menschen geübt; daraus erhellt, dass sich Ergotherapie vor allem auf die Rehabilitation nach einer schweren Krankheit oder einem schweren Unfall bezieht und die weitestmögliche Selbstständigkeit im täglichen Leben sowie im Beruf bezweckt (Hürlimann et al., Krankenversicherung, ein Ratgeber aus der Beobachter-Praxis, Zürich 1998, S. 163 f.; vgl. auch Pschyrembel, 259. Aufl., Berlin 2002, S. 477). Demnach ist eine ergotherapeutische Behandlung einer leichten Entwicklungsstörung, welche vornehmlich mit pädagogischen Mitteln arbeitet, atypisch (BGE 130 V 287 Erw. 5.1.3 und 290 Erw. 3.3). 
2.3 Vorliegend beruht die Argumentation, dass die streitige Ergotherapie Voraussetzung für eine erfolgreiche Sprachtherapie sei, einzig auf den beiden spärlich gehaltenen Berichten des Dr. B.________. Dieser begründet in keiner Weise, weshalb die Logopädie nicht genüge und eine Ergotherapie zur Behandlung der Sprachdefizite notwendig sei. Auf Grund der Berichte des Dr. B.________ allein kann die Leistungspflicht der Invalidenversicherung nicht bejaht werden, jedenfalls nicht zur Bekämpfung der Sprachprobleme. Hier stellt sich die nicht geklärte Frage, ob eine Ergotherapie als Mittel zur Behebung von Sprachstörungen dem Kenntnisstand der Wissenschaft widerspricht. Dies lässt sich aus den zwei Zitaten der IV-Stelle nicht schlüssig verneinen. Es ist zu beachten, dass die Versicherte nicht nur an Sprachschwierigkeiten, sondern auch an motorischen Störungen leidet. Ob sich für die Behandlung derselben eine Ergotherapie aufdrängt, kann anhand der Akten nicht beurteilt werden. Auszuschliessen ist dies nicht, wie sich dem von der IV-Stelle in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zitierten Ausschnitt aus der Stellungnahme des Ergotherapeut/Innen-Verbandes Schweiz ergibt, nach welcher häufig Mehrfachdiagnosen bestehen und die Ursachen des Sprachdefizits oft gleichzeitig für weitere damit gekoppelte Defizite verantwortlich seien, insbesondere in Fällen von schweren Sprachgebrechen wie dem vorliegenden. 
2.4 Die IV-Stelle beruft sich auf das IV-Rundschreiben Nr. 197 vom 23. April 2004 (nunmehr Randziffer 1043.7 KSME). Danach ist nicht wissenschaftlich erstellt, dass die Ergotherapie die Sprachheilbehandlung wesentlich unterstützen kann. Deshalb ist nach Meinung der Beschwerdeführerin und des Bundesamtes für Sozialversicherung die Leistungspflicht zu verneinen. 
Die Versicherte leidet nicht nur an sprachlichen, sondern auch an motorischen Störungen. Welches Ausmass die Einschränkungen haben, ist auf Grund der medizinischen Aktenlage unklar (Erw. 2.3). Es kann daher nicht beurteilt werden, ob die Ergotherapie zur Behandlung der motorischen oder anderer Störungen unter die Leistungspflicht der Invalidenversicherung fällt. Die Sache ist daher an die IV-Stelle zurückzuweisen, welche einen ausführlichen Arztbericht einholen wird, der sich zur Notwendigkeit der Ergotherapie für alle gesundheitlichen Einschränkungen des Versicherten äussern wird. Bei der anschliessenden Verfügung über medizinische Massnahmen werden die IV-Stelle und hernach allenfalls das kantonale Gericht auch die Frage zu beantworten haben, ob Randziffer 1043.7 KSME auch Anwendung findet, wenn ein Versicherter nicht nur Sprachdefizite aufweist, sondern auch an anderen, beispielsweise motorischen Störungen leidet. 
3. 
Der Streit zwischen zwei Versicherern über Leistungen an einen gemeinsamen Versicherten ist kostenpflichtig (BGE 120 V 494 Erw. 3, 119 V 222 Erw. 4b), weshalb die unterliegende Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen hat (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen, da beide Versicherer als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisationen gehandelt haben (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 126 V 150 Erw. 4a). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Oktober 2004 aufgehoben und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, neu verfüge. 
2. 
Die Gerichtskosten von total Fr. 3000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
3. 
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 3000.- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherung und E.________ zugestellt. 
Luzern, 23. Juni 2005 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Vorsitzende der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: