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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_137/2020  
 
 
Urteil vom 23. Juni 2020  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Flurin Turnes, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Sebastian Reichle, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Definitive Rechtsöffnung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden, Einzelrichter, 
vom 31. Dezember 2019 (ERZ 19 69). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Zahlungsbefehl Nr. xxx des Betreibungsamts Appenzeller Vorderland vom 20. August 2019 leitete A.________ die Betreibung gegen B.________ ein. Diese erhob Rechtsvorschlag. 
 
B.  
Mit Gesuch vom 30. August 2019 ersuchte A.________ um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 660'000.-- zuzüglich Zinsen und Betreibungs- sowie Arrestkosten. Mit Urteil vom 8. November 2019 wies das Kantongericht Appenzell Ausserrhoden das Gesuch um Rechtsöffnung ab. 
 
C.  
Hiergegen gelangte A.________ am 9. Dezember 2019 mit einer als Berufung bezeichneten Eingabe an das Obergericht Appenzell Ausserrhoden, welches auf sie mit Entscheid vom 31. Dezember 2019 nicht eintrat. 
 
D.  
Mit Eingabe vom 27. Februar 2020 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids und die Rückweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz zur materiellen Behandlung ihrer Beschwerde. 
Mit Verfügung vom 12. März 2020 ist der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gewährt worden. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, hingegen keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Rechtsöffnungsentscheid mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert; die Beschwerde in Zivilsachen steht offen (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 75 Abs. 1 BGG). 
Die Beschwerde hat eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Entscheides erfordert (BGE 140 III 115 E. 2; 142 III 364 E. 2.4). Weil die Vorinstanz auf das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin nicht eingetreten ist, bildet grundsätzlich nur die Frage Streitgegenstand, ob die Vorinstanz zu Recht einen Nichteintretensentscheid gefällt hat (BGE 135 II 38 E. 1.2). 
 
2.  
 
2.1. Die Erstinstanz hat ihren Entscheid mit einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung versehen, da darin irrtümlich das Rechtsmittel der Berufung statt das Rechtsmittel der Beschwerde genannt wurde. Zutreffend hat sie demgegenüber auf die kurze zehntägige Rechtsmittelfrist hingewiesen. Das Obergericht hat das Vertrauen der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin in die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung nicht geschützt.  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht eine Verletzung des Vertrauensprinzips vor. Die Rechtsmittelbelehrung sei nicht derart exotisch gewesen, dass man den Fehler hätte erkennen müssen. Es könne ihrem Rechtsvertreter weder einfache noch grobe Unsorgfalt unterstellt werden. Innert der kurzen Rechtsmittelfrist habe dieser keine Abklärungen vornehmen müssen, ob die Rechtsmittelbelehrung zutreffend sei. Alles andere sei eine willkürliche Betrachtungsweise.  
 
2.3. Aus einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung dürfen den Parteien keine Nachteile erwachsen. Eine Partei ist freilich nur dann geschützt, wenn sie sich nach Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV) auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verlassen durfte. Wer die Unrichtigkeit erkannte oder bei gebührender Aufmerksamkeit hätte erkennen können, kann sich nicht auf den Vertrauensschutz berufen. Nur eine grobe prozessuale Unsorgfalt der betroffenen Partei oder ihres Anwalts vermag eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen (BGE 135 III 374 E. 1.2.2.1). Wann eine grobe prozessuale Unsorgfalt vorliegt, beurteilt sich nach den konkreten Umständen und den Rechtskenntnissen der betreffenden Person. Die gegenüber Anwälten gestellten Anforderungen sind naturgemäss erhöht. Von Anwälten wird in jedem Fall verlangt, die Rechtsmittelbelehrung einer Grobkontrolle zu unterziehen und die einschlägigen Gesetzestexte zu konsultieren; es liegt eine grobe Sorgfaltswidrigkeit vor, wenn sich die Fehlerhaftigkeit bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt (BGE 138 I 49 E. 8.3.2; 141 III 270 E. 3; 143 V 66 E. 4.3; Urteil 8C_122/2013 vom 7. Mai 2013 E. 4). So verhält es sich im vorliegenden Fall. Dass Rechtsöffnungsentscheide streitwertunabhängig ausschliesslich mit Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO anfechtbar sind, ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der massgeblichen Verfahrensbestimmungen der ZPO (s. Art. 309 lit. b Ziff. 3 und Art. 319 lit. a ZPO). Die Rüge der Verletzung des Vertrauensprinzips erweist sich daher als unbegründet.  
 
2.4. Die Vorinstanz hat geprüft, ob die als Berufung bezeichnete Eingabe der Beschwerdeführerin vom 9. Dezember 2019 als Beschwerde entgegengenommen werden kann und die Voraussetzungen dazu als nicht gegeben erachtet. Zwar habe die Beschwerdeführerin den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt kritisiert, sie habe jedoch gänzlich Ausführungen dazu vermissen lassen, inwiefern der Sachverhalt von der Erstinstanz offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 320 lit. b ZPO festgestellt worden sei. Mit dieser Begründung setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander. Da sie nicht ansatzweise darlegt, dass die Eingabe vom 9. Dezember 2019 den gesetzlichen Anforderungen an eine Beschwerde gemäss Art. 319 ff. ZPO genügt hätte, kann auf die Beschwerde in Zivilsachen in diesem Punkt mangels hinreichender Begründung nicht eingetreten werden (Art. 42 Abs. 2 BGG).  
 
3.  
Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Juni 2020 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss