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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.440/2002 /bmt 
 
Urteil vom 23. Dezember 2002 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Bianchi, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
G.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Pierre Gallati, Bahnhofstrasse 3, Postfach 15, 8965 Berikon, 
 
gegen 
 
K.________, 
Beschwerdegegner, 
Obergericht des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau. 
 
Art. 9 BV (Aufsichtsbeschwerde gegen den Willensvollstrecker), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, vom 7. Oktober 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit letztwilliger Verfügung vom 10. September 1998 setzte B.________ K.________ als Willensvollstrecker ein. Am 22. Februar 2000 unterzeichnete B.________ zudem einen Vermögensverwaltungsvertrag mit der I.________ AG, wonach diese die Wertschriften in seinem Depot bei der Bank Julius Bär und Co. AG verwalten sollte. Der Vertrag wurde auch von drei späteren Erben, unter anderem von G.________, mitunterzeichnet. Laut Vermögensverwaltungsauftrag ist das Anlageziel eine ausgewogene Performance, die mit einem Anteil von maximal 100% Schweizer Aktien erreicht werden soll. Es kann auch in internationale Aktien (nur Blue Chips) bis zu 30% des Anlagevermögens diversifiziert werden. Der Liquiditätsanteil kann 0% bis 100% betragen. Das Hauptaugenmerk ist auf eine möglichst kontinuierliche Performance und nicht auf eine Gewinnmaximierung zu legen. B.________ verstarb am 16. April 2000. Der Willensvollstrecker trat sein Amt an. Bei der Inventaraufnahme per Todestag betrug der Vermögenswert des Wertschriftendepots Fr. 1'016'285.--. 
B. 
In der Folge verlangte G.________ wiederholt die Auflösung des Vermögensverwaltungsvertrags. Am 23. November 2001 stellte er beim Gerichtspräsidium Bremgarten das Begehren, der Willensvollstrecker sei anzuweisen, den Vermögensverwaltungsvertrag per sofort aufzulösen und das vorhandene Restguthaben konservativ anzulegen. Der Willensvollstrecker beantragte die Abweisung der Beschwerde. Am 13. März 2002 wies das Gerichtspräsidium Bremgarten den Willensvollstrecker in teilweiser Gutheissung des Begehrens an, die Anlage innert einem Monat konservativ anzulegen oder anlegen zu lassen. 
 
Der Willensvollstrecker wandte sich mit Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau und verlangte die Abweisung des Begehrens von G.________. Dieser erhob Anschlussbeschwerde im Kosten- und Entschädigungspunkt. Am 7. Oktober 2002 hob das Obergericht in Gutheissung der Beschwerde und Abweisung der Anschlussbeschwerde das angefochtene Urteil auf, wies die Klage von G.________ ab und auferlegte ihm die Verfahrens- und Parteikosten. 
C. 
Gegen diesen Entscheid hat G.________ rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. Eventuell sei die Eingabe als Berufung entgegenzunehmen. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Beschwerde richtet sich gegen die Amtsführung des Willensvollstreckers. Der Willensvollstrecker unterliegt der Behördenaufsicht und dem Beschwerderecht der Erben gleich wie der Erbschaftsliquidator (Art. 518 Abs. 1 i.V.m. Art. 595 Abs. 3 ZGB; Martin Karrer, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 518 und N. 20 zu Art. 595 ZGB mit Hinweisen). Das Beschwerdeverfahren ist kein zivilprozessuales Erkenntnisverfahren zur Regelung von Zivilrechtsstreitigkeiten im Sinne von Art. 44 - 46 OG, sondern ein Untersuchungsverfahren kraft Aufsichtsrecht. Unabhängig davon, ob das Aufsichtsverfahren vor einer gerichtlichen oder administrativen Behörde stattfindet, ist deshalb die Berufung an das Bundesgericht unzulässig (BGE 66 II 148 S. 150; 84 II 324 S. 327). Da kein Nichtigkeitsgrund im Sinne von Art. 68 OG geltend gemacht wird und daher die Nichtigkeitsbeschwerde ausser Betracht fällt (vgl. Karrer, a.a.O. N. 36 zu Art. 595 ZGB), ist nur die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte als subsidiärer Rechtsbehelf zulässig (Art. 84 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 OG). 
 
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen (Art. 88 OG). Allerdings ist die staatsrechtliche Beschwerde, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur, so dass mit ihr ausschliesslich die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt werden kann (BGE 125 I 104 E. 1b). Mit dieser Einschränkung ist auf die im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten. 
2. 
Der Beschwerdegegner hat als Willensvollstrecker entgegen dem Wunsch des Beschwerdeführers den Vermögensverwaltungsauftrag nicht aufgelöst und das Restguthaben nicht konservativer angelegt als zu Lebzeiten vom Erblasser angeordnet. Das Obergericht hat es abgelehnt, ihn aufsichtsrechtlich entsprechend anzuweisen. 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt Willkür (Art. 9 BV). Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 123 I 1 E. 4a S. 5 mit Hinweisen; 127 I 54 E. 2b S. 56). 
2.2 Gemäss Art. 518 Abs. 2 ZGB hat der Willensvollstrecker den Willen des Erblassers zu vertreten und ist insbesondere beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen. Ziel der Willensvollstreckung ist die Vorbereitung der Erbteilung. Der Willensvollstrecker hat dabei die Teilungswünsche der Erben zu berücksichtigen (BGE 108 II 535). Vorliegend geht es indessen nicht um die Erbteilung, sondern um die Verwaltung der Erbschaft bis zur Teilung. Bei der Verwaltung ist der Willensvollstrecker dem Grundsatz der schonenden Rechtsausübung verpflichtet. Er handelt aus eigenem Recht frei und selbständig und muss keine Anweisungen der Erben befolgen. Er hat grossen Ermessensspielraum, muss dabei aber auf die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten Rücksicht nehmen (Karrer, a.a.O. N. 13 und 14 zu Art. 518 ZGB). 
2.3 Im vorliegenden Fall hat das Obergericht nicht willkürlich entschieden, indem es zum Schluss gelangt ist, der Willensvollstrecker habe sich weigern dürfen, den Vermögensverwaltungsauftrag zu kündigen. Bei der Frage, ob das Vermögen in Aktien oder in konservativeren Anlageformen angelegt werden soll, handelt es sich um einen Ermessensentscheid, der nach sachlich vertretbaren Gesichtspunkten gefällt wurde. 
 
Das Gericht durfte zunächst berücksichtigen, dass der Erblasser selber den Vermögensverwaltungsauftrag erteilt hatte und ihn mehrere Erben einschliesslich dem Beschwerdeführer mitunterzeichnet hatten. Das Beibehalten der bisherigen Anlagepolitik bedeutete daher Kontinuität und Beachtung des Grundsatzes schonender Rechtsausübung. Es mag zwar - wie der Beschwerdeführer ausführt - zutreffen, dass der Anlagehorizont einer Erbengemeinschaft im Durchschnitt bei bloss einigen wenigen Jahren liegt, was nahe legen könnte, auf die Neuanlage eines eher langfristig ausgerichteten Aktienportefeuilles zu verzichten. Gerade dieses Argument spricht aber dafür, eine vom Erblasser gewählte langfristige Anlagestrategie beizubehalten. 
Das Obergericht durfte weiter auch beachten, dass sich die Erben keineswegs einig waren, ob der Vermögensverwaltungsauftrag zu kündigen sei oder nicht. Ob sich bloss eine Minderheit oder die Hälfte der Erben für eine konservativere Anlagepolitik ausgesprochen hatten, und in welchem Zeitpunkt genau eine Änderung der Strategie verlangt wurde, ist dabei nicht entscheidend. Jedenfalls befürworteten mehrere Erben das Beibehalten des Vertrages und war der Willensvollstrecker, wie ausgeführt, ohnehin nicht an die Anregungen einzelner Erben gebunden. 
 
Das Obergericht durfte weiter auch würdigen, dass nur ein Vermögensteil und dieser ausschliesslich in Schweizer Aktien und in ausländische Blue Chips investiert wurde. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Willensvollstrecker hätte die hoch riskante Anlagestrategie sofort ändern müssen, weil risikobehaftete Wertpapiere zu verkaufen seien. Es trifft zwar zu, dass die Anlage in Aktien mit grösseren Verlustrisiken verbunden war, als in konservativeren Gefässen, aber es bestanden auch grössere Gewinnchancen. Ob sich in der Zukunft die Risiken oder die Chancen verwirklichten, konnte vorgängig nicht abschliessend beurteilt werden. Das Beibehalten der Anlage eines Teils des Erbschaftsvermögens in Schweizer Aktien und ausländischen Blue Chips verletzte jedenfalls nicht per se in willkürlicher Weise das Gebot der Substanzerhaltung der Erbschaft. Dies trifft auch dann zu, wenn sich in den letzten Jahren erhebliche Verluste einstellten. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die Aktienanlage im vorliegenden Fall besonders risikoreich sein könnte. Das Obergericht verfiel nicht in Willkür, indem es darin keine Pflichtverletzung des Willensvollstreckers erblickte, dass dieser den Vertrag nicht wegen angeblich absehbarer Verluste kündigte. 
2.4 Was der Beschwerdeführer weiter vorbringt, vermag keine Willkür zu begründen. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass ein Wertschriftendepot, das von einer Vermögensverwaltungsgesellschaft gemäss Vermögensverwaltungsvertrag aktiv bewirtschaftet wird, keine Erbschaftssache wie beispielsweise ein Wohnhaus oder die Aktien einer Familien-AG sei, und daher bei der Erbteilung die für diese Gegenstände geltenden Grundsätze entgegen der Auffassung des Obergerichts nicht ohne weiteres anwendbar seien. Weiter führt er aus, dass ein Teil der am Todestag im Depot gehaltenen Wertschriftentitel in den letzten Jahren entsprechend der vorgegebenen Anlagestrategie bewirtschaftet und damit verändert worden sei. Es ist nicht auszuschliessen, dass einzelne Begründungselemente des angefochtenen Entscheids einer näheren Prüfung nicht standzuhalten vermöchten. Ebenso ist - wie der Beschwerdeführer meint - nicht auszuschliessen, dass der Willensvollstrecker die Gründe für die eingetretenen Verluste nicht oder nicht vollständig angegeben hat und mit seinen Informationen zurückhaltend umgegangen ist. Dies alles ändert aber nichts daran, dass der angefochtene Entscheid, der das Beibehalten des Vermögensverwaltungsvertrages durch den Willensvollstrecker nicht beanstandet hat, im Ergebnis vor Art. 9 BV haltbar ist. 
3. 
Die Beschwerde muss aus diesen Gründen abgewiesen werden, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, weil keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 23. Dezember 2002 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: