Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_729/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 23. Dezember 2016  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern, 
2. A.________, vertreten durch Fürsprecherin Anna Mäder-Garamvölgyi, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Revision; Vergewaltigung; Beweiswürdigung; rechtliches Gehör; 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, 
vom 31. Mai 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 19. Juni 2015 sprach das Regionalgericht Bern-Mittelland X.________ unter anderem der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung schuldig und verurteilte ihn deswegen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft. 
 
B.  
Ein dagegen erhobenes Revisionsgesuch wies das Obergericht des Kantons Bern am 31. Mai 2016 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________ im Wesentlichen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben. Das Revisionsgesuch sei gutzuheissen, er sei von den Vorwürfen der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung freizusprechen und für die zu Unrecht erlittene Haft zu entschädigen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf ein Arztzeugnis vom 26. August 2015 geltend, er habe die vom Opfer beschriebene Gewalt wegen einer Armverletzung nicht ausüben können. Die Vorinstanz verletze sein rechtliches Gehör, indem sie weder das Arztzeugnis berücksichtige, noch ein Sachverständigengutachten einhole. Gleiches gelte, wenn sie die Befragung einer bekannten Entlastungszeugin ablehne, weil deren Depositionen unerheblich seien. Kurz nach der inkriminierten Tat entstandene "Partyfotos" und diesbezügliche Zeugenbefragungen könnten die Glaubhaftigkeit der Opferaussagen erschüttern. Ebenso die Einvernahme eines weiteren Zeugen hinsichtlich eines früheren Vorfalls sowie ein Glaubhaftigkeitsgutachten über das Opfer.  
 
1.2. Die Vorinstanz erachtet die beantragten Beweismittel, soweit sie sie als neu beurteilt, für unerheblich, missbräuchlich und nicht geeignet, das erstinstanzliche Urteil zu erschüttern.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Wer durch ein rechtskräftiges Strafurteil beschwert ist, kann die Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch oder eine wesentlich mildere Bestrafung der verurteilten Person herbeizuführen (Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO). Revisionsrechtlich neu sind Tatsachen oder Beweismittel, wenn sie dem Gericht im Urteilszeitpunkt nicht bekannt waren (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2 S. 66 f.). Sie müssen zudem erheblich sein. Dies ist der Fall, wenn sie geeignet sind, die tatsächlichen Feststellungen, auf die sich die Verurteilung stützt, zu erschüttern, und wenn die so veränderten Tatsachen einen deutlich günstigeren Entscheid zugunsten des Verurteilten ermöglichen (BGE 137 IV 59 E. 5.1.4 S. 68; 130 IV 72 E. 1 S. 73). Die Revision ist zuzulassen, wenn die Abänderung des früheren Urteils wahrscheinlich ist. Der Nachweis einer solchen Wahrscheinlichkeit darf nicht dadurch verunmöglicht werden, dass für die neue Tatsache ein Beweis verlangt wird, der jeden begründeten Zweifel ausschliesst (BGE 116 IV 353 E. 4e S. 360 f.; Urteil 6B_758/2015 vom 24. November 2015 E. 1.1).  
 
1.3.2. Ob eine Tatsache oder ein Beweismittel geeignet ist, die tatsächlichen Grundlagen des Urteils zu erschüttern, dessen Revision verlangt wird, ist eine Tatfrage. Rechtsfrage ist hingegen, ob die voraussichtliche Veränderung der tatsächlichen Grundlagen rechtlich relevant ist, das heisst zu einem im Schuld- oder Strafpunkt für den Verurteilten günstigeren Urteil führen kann (BGE 130 IV 72 E. 1).  
Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253; zum Begriff der Willkür (BGE 141 IV 305 E. 1.2 S. 308 f.; 140 III 167 E. 2.1 S. 168; je mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253; 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen). 
 
1.4. Die Vorinstanz begründet nachvollziehbar, weshalb sie zum Schluss gelangt, die vom Beschwerdeführer eingereichten oder beantragten Beweismittel vermöchten, soweit sie überhaupt neu seien, die tatsächlichen Grundlagen des rechtskräftigen Urteils vom 19. Juni 2015 nicht zu erschüttern. Sie beanstandet zudem zu Recht, dass er nicht aufzeigt, weshalb er die Beweismittel nicht bereits im ordentlichen Verfahren hätte vorbringen können. Ein Revisionsverfahren dient nicht dazu, eine falsche Beweiswürdigung des urteilenden Gerichts zu korrigieren (BGE 130 IV 72 E. 2.2 S. 74; MARIANNE HEER, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 37 f. zu Art. 410 StPO). Es kann jedoch offen bleiben, ob dem Beschwerdeführer Rechtsmissbrauch vorzuwerfen ist. Was er gegen den angefochtenen Entscheid einwendet, belegt, soweit es den gesetzlichen Anforderungen genügt (oben E. 1.3.2), keine Willkür.  
 
1.4.1. Dem vom Beschwerdeführer eingereichten Arztzeugnis lässt sich nichts entnehmen, was den Schluss aufdrängen würde, er wäre aufgrund seiner knapp ein Jahr vor der Tat erlittenen Ellenbogenverletzung nicht im Stande gewesen, die vom Opfer beschriebene Gewalt auszuüben. Abgesehen davon, dass das Zeugnis von einem Allgemeinarzt stammt, werden darin lediglich ein Zustand nach Schnittverletzung am linken Ellenbogen sowie damit zusammenhängende chronische Schmerzen beschrieben. Hinweise auf eine verminderte Muskulatur oder Beweglichkeit des Arms, welche einem zumindest hilfsweisen Einsatz bei der inkriminierten Gewalt entgegenstehen würden, finden sich nicht. Dies war offensichtlich bereits im Zeitpunkt des ordentlichen Strafverfahrens nicht der Fall, hat doch das urteilende Gericht festgestellt, der lädierte Arm sei muskulär normal ausgebildet. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war das Gericht im Rahmen freier Beweiswürdigung zu dieser Feststellung ohne Weiteres befugt. Er bestreitet auch nicht, dass die Armverletzung schon damals hinlänglich thematisiert wurde und sich das Gericht ein Bild davon gemacht hat. Damit hat es die behauptete Verletzung aber offensichtlich in die Beweiswürdigung miteinbezogen. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass das Arztzeugnis das Fundament des Sachurteils nicht zu erschüttern vermag. Es dokumentiert keinen Zustand, der die damaligen Feststellungen des Gerichts als offensichtlich unhaltbar erscheinen liesse. Im Übrigen weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass sich der Zustand des Arms im Tatzeitpunkt aufgrund heutiger Erkenntnisse ohnehin nicht mehr nachvollziehen lässt. Sie verfällt nicht in Willkür, wenn sie dem Beweismittel die Erheblichkeit abspricht. Sie war auch nicht gehalten, ein fachärztliches Gutachten einzuholen. Darin liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.  
 
1.4.2. Hinsichtlich der beantragten Entlastungszeugin ist unbestritten, dass diese dem Gericht bekannt war und dass sie zur Tat selber keine Angaben machen kann. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz erwägt, auf ihre Einvernahme könne mangels sachdienlicher Informationen verzichtet werden, zumal sich die Zeugin mit einem anderen Zeugen abgesprochen habe und ihre Wahrnehmungen mit dessen Aussagen im Wesentlichen identisch seien. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb es die Aussagen des Opfers hinsichtlich des Kerngeschehens erschüttern sollte, wenn die Zeugin andere Angaben zur Frage machen würde, wie lange sich der Beschwerdeführer mit dem Opfer im Hotelzimmer befand. Dass es am Tattag zum zunächst einvernehmlichen Geschlechtsverkehr kam, ist seitens des Opfers unbestritten. Selbst wenn die Zeit im Hotelzimmer kürzer gewesen sein sollte, als die vom Opfer behauptete halbe Stunde, wäre es nicht willkürlich anzunehmen, der Beschwerdeführer habe gleichwohl genügend Zeit gehabt, die ihm vorgeworfenen Handlungen vorzunehmen. Ebenso wenig würde es ihn entlasten, wenn die Zeugin seine Behauptung, wonach es zwischen ihm und dem Opfer zu einem lauten verbalen Streit gekommen sei, bestätigen würde. Dies würde die behaupteten Übergriffe im Vorfeld des Streits im Gegenteil plausibler erscheinen lassen. Abgesehen davon erachtete das Gericht den Streit ohnehin als erwiesen. Darüber ist nicht weiter Beweis zu führen. Es ist nicht ersichtlich, dass das Gericht ein entscheidendes Beweismittel offensichtlich übersehen hätte. Wie der Beschwerdeführer selber ausführt, war die Zeugin dem Gericht bekannt. Dass es auf deren Einvernahme dennoch verzichtet hat, ist unter dem Gesichtspunkt antizipierter Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Er selber hat die Befragung der Entlastungszeugin im ordentlichen Verfahren denn auch nicht beantragt. Er macht nicht geltend, dies sei nicht möglich oder nicht tunlich gewesen.  
 
1.4.3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich, weshalb die von ihm ins Recht gelegten "Partyfotos" die Glaubhaftigkeit der Opferaussagen schmälern sollten. Auch wenn es bezüglich seines Bedürfnisses, in der Zeit nach der Tat auszugehen, falsche Angaben gemacht hätte, liesse sich daraus nicht schliessen, es sei nicht sexuell missbraucht worden. Wie die Vorinstanz im Übrigen nachvollziehbar ausführt, stehen die drei Fotos, deren zwei das Opfer bei sich zu Hause mit Freunden zeigen, nicht im Widerspruch zu dessen Behauptung, wonach es "kurz nach der Tat gar nicht mehr in den Ausgang gegangen" sei. Der Beschwerdeführer setzt sich mit diesem Argument in keiner Weise auseinander. Dass die Vorinstanz in Willkür verfallen wäre, ist nicht ersichtlich.  
 
1.4.4. Die Vorinstanz begründet überzeugend, weshalb auch die Einvernahme eines weiteren Zeugen zu einem ähnlichen Vorfall unterbleiben und auf ein Glaubhaftigkeitsgutachten über das Opfer verzichtet werden kann. Wie sie zutreffend erwägt, ist es für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen nicht entscheidend, ob das Opfer hinsichtlich eines früheren Vorfalls die Wahrheit gesagt hat. Ebenso ist richtig, dass angebliche Aussagen von dessen Kollegen und Jahre zurückliegende mögliche Ereignisse keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der hier relevanten Opferaussagen begründen können. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass sich die Einvernahme des Zeugen oder das Einholen eines Glaubhaftigkeitsgutachtens aufdrängen würden, etwa weil das Opfer krankhaft die Unwahrheit sagen oder Geschehnisse erfinden würde. Dass es nach Meinung eines Kollegen "manchmal lügen würde", rechtfertigt die beantragten Beweise unter Willkürgesichtspunkten nicht. Das vom Beschwerdeführer zur Begründung seines Standpunkts herangezogene Urteil 6B_937/2010 vom 14. März 2011 ändert daran nichts. Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt ist mit der vorliegenden Situation nicht vergleichbar. Darin ging es um möglicherweise zu Unrecht erhobene strafrechtliche Vorwürfe eines Ehegatten im Rahmen einer Scheidung. Eine ähnlich gelagerte Motivation für eine Falschbeschuldigung ist nicht ersichtlich und macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Abgesehen davon ist unbestritten, dass beide Themen im ordentlichen Verfahren aktenkundig waren. Die Vorinstanz spricht ihnen nachvollziehbar die Neuheit ab.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Bei deren Festsetzung ist seiner finanziellen Lage Rechnung zu tragen. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Dezember 2016 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt