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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_768/2022  
 
 
Urteil vom 23. Dezember 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Beusch, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. Erbengemeinschaft A.A.________ sel. bestehend aus:  
B.A.________, C.A.________, 
D.A.________, E.A.________, 
2. B.A.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch D.A.________, 
 
gegen  
 
Steuerverwaltung des Kantons Graubünden, Steinbruchstrasse 18, 7001 Chur. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden sowie direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2019, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4. Kammer, vom 21. Juni 2022 (A 22 7). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Ehegatten B.A.________ und A.A.________ wurden bis und mit Steuerperiode 2012 gemeinsam und zum Verheiratetentarif veranlagt. Für die Steuerperioden 2013 bis 2018 veranlagten die Bündner Steuerbehörden A.A.________ getrennt von ihrem Ehemann und zum Alleinstehendentarif, weil sie und ihr Ehegatte seit längerem getrennte Wohnsitze hätten und kein besonderer Grund für eine gemeinsame Besteuerung vorliege. Nachdem A.A.________ gegen analoge Veranlagungen für die Steuerperiode 2019 Einsprache erhoben hatte, unterbreitete die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden ihr einen korrigierten Veranlagungsvorschlag, den sie unterzeichnete. Am 10. Juni 2021 erliess die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden die korrigierten Veranlagungsverfügungen, mit welcher sie gemeinsam (mit dem in Deutschland wohnhaften Ehemann) zum Verheiratetentarif veranlagt wurde.  
 
1.2. Mit Gesuch vom 14. Dezember 2021 ersuchte der Sohn D.A.________ die Steuerverwaltung um Revision der rechtskräftigen Veranlagungsverfügungen für die direkte Bundessteuer sowie die Kantons- und Gemeindesteuern der Jahre vor 2019. Er beantragte, das Ehepaar B.A.________ und A.A.________ nach dem Verheiratetentarif zu veranlagen, da sie im fraglichen Zeitraum nie in getrennter Ehe gelebt hätten. Das ihm nachträglich bekannt gewordene Urteil des Bundesgerichts 2C_523/2007 vom 5. Februar 2008 sei als Revisionsgrund zuzulassen.  
Die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden trat mit Entscheid vom 27. Januar 2022 auf das Revisionsgesuch nicht ein. Eine Beschwerde hiergegen von B.A.________ und D.A.________ als Rechtsnachfolger der verstorbenen A.A.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Urteil vom 21. Juni 2022 ab. 
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 18. September 2022 beantragen die Erbengemeinschaft A.A.________, bestehend aus B.A.________, C.A.________, D.A.________ und E.A.________, und B.A.________ die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2022 und die Rückweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz zur materiellen Beurteilung.  
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, jedoch keinen Schriftenwechsel angeordnet (Art. 102 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid einer oberen kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82, 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Vor der Vorinstanz ist nur ein Teil der Beschwerdeführer (B.A.________ und D.A.________) aufgetreten. Ob auch die übrigen Beschwerdeführer (C.A.________ und E.A.________) zur Beschwerde an das Bundesgericht legitimiert sind, ist daher zweifelhaft (Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG). Die Frage kann jedoch offenbleiben, da die Beschwerde ohnehin als offensichtlich unbegründet abzuweisen ist, wie zu zeigen sein wird. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG) geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist mit dem genannten Vorbehalt einzutreten. 
 
3.  
Die Beschwerdeführer machen vor Bundesgericht geltend, dass die Steuerverwaltung mit der Veranlagung der Erblasserin nach dem Alleinstehenden- statt nach dem Verheiratetentarif einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz im Sinne von Art. 147 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) und Art. 141 Abs. 1 lit. b des Steuergesetzes für den Kanton Graubünden vom 8. Juni 1986 (StG/GR; BR 720; vgl. auch Art. 51 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]) verletzt und damit einen Revisionsgrund gesetzt habe. 
Diese Rüge ist offensichtlich unbegründet. Gemäss den für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) hatte die Steuerverwaltung für die Steuerperioden 2013 bis (ursprünglich) 2019 den Alleinstehendentarif angewandt, weil sie offenbar der Auffassung gewesen war, dass der getrennte Wohnsitz der Ehegatten den Verheiratetentarif grundsätzlich ausschliesse. Damit setzte sich die Steuerverwaltung zwar in Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa Urteile 2C_502/2015 vom 29. Februar 2016 E. 3.1, in: StE 2016 B 27.2 Nr. 44; 2C_980/2013 vom 21. Juli 2014 E. 8.1; 2C_523/2007 vom 5. Februar 2008 E. 2.3; vgl. auch Kreisschreiben Nr. 30 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 21. Dezember 2010, Ehepaar- und Familienbesteuerung nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Ziff. 2.1). Einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz hat sie damit aber nicht verletzt. Denn darunter sind prozessuale Vorschriften und Prinzipien zu verstehen, welche die korrekte Verfahrensführung garantieren sollen (vgl. die Beispiele bei CASANOVA/DUBEY, in: Commentaire Romand, LIFD, 2. Aufl. 2017, N. 8 zu Art. 147 DBG; MARTIN E. LOOSER, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, DBG, 4. Aufl. 2022, N. 16a zu Art. 147 DBG; ZWEIFEL/CASANOVA/BEUSCH/HUNZIKER, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht Direkte Steuern, 2. Aufl. 2018, § 26 N. 73). Entgegen den Beschwerdeführern ist nicht ersichtlich, dass die Steuerverwaltung die Beweislast falsch verteilt hätte. Vielmehr beschränkt sich der Mangel vorliegend auf eine unrichtige Rechtsanwendung, die nicht zur Revision berechtigt (BGE 98 Ia 568 E. 5b; Urteile 2C_256/2018 vom 14. September 2020 E. 11.2, in: RtiD 2021 I S. 563; 2C_200/2014 vom 4. Juni 2015 E. 2.4.4.2, in: StR 70/2015 S. 711; 2P.198/2003 vom 12. Dezember 2003 E. 3.2, in: RDAF 2003 II S. 640, StR 60/2005 S. 45; 2A.511/2000 vom 5. März 2001 E. 1a, in: ASA 70 S. 597). Fehlt es offensichtlich an einem potenziellen Revisionsgrund, braucht nicht geprüft zu werden, ob die Revision auch infolge verpasster Frist (Art. 148 DBG; Art. 142 Abs. 1 StG/GR) oder prozessualer Versäumnisse (Art. 147 Abs. 2 DBG; Art. 141 Abs. 2 StG/GR) unzulässig ist (vgl. dazu die ausführlichen Erwägungen der Vorinstanz in angefochtenes Urteil E. 5 und 6). 
 
4.  
Die Beschwerdeführer sind weiter der Auffassung, dass die Veranlagungsverfügungen an einem äusserst schwerwiegenden Mangel litten, der ihre Nichtigkeit nach sich ziehe. 
Auch diese Rüge ist offensichtlich unbegründet. Fehlerhafte Entscheide sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel nur anfechtbar. Als nichtig erweisen sie sich erst dann, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel einer Entscheidung führen nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit. Als Nichtigkeitsgründe kommen vorab funktionelle und sachliche Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht (BGE 147 III 226 E. 3.1.2; 145 III 436 E. 4; 144 IV 362 E. 1.4.3; 139 II 243 E. 11.2). Dass der Steuerverwaltung ein krasser Verfahrensfehler unterlaufen wäre, ist nicht ersichtlich. Die Anwendung des Alleinstehendentarifs auf die Erblasserin war zwar falsch. Dieser inhaltliche Mangel wiegt aber nicht ausserordentlich schwer (vgl. zu dieser Schwelle BGE 137 I 273 E. 3.1) und hat nicht die Nichtigkeit der Veranlagungsverfügungen zur Folge. Daran ändern die von den Beschwerdeführern angerufenen Verfassungsbestimmungen (Art. 8 und 9 BV) nichts, zumal die Beschwerdeführer die Verletzung dieser Bestimmungen ohnehin nicht hinreichend substanziiert gerügt haben (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
5.  
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG). Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Beschwerde betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung den Beschwerdeführern auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Dezember 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler