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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
8C_758/2010 
{T 0/2} 
 
Urteil vom 24. März 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Vivao Sympany AG, Peter Merian-Weg 4, 4002 Basel, 
Beschwerdegegnerin, 
 
L.________, vertreten durch 
Rechtsanwalt Stefan Hofer, 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Versicherungsschutz), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft 
vom 28. Mai 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1959 geborene L.________ arbeitete seit 1. Februar 2002 als Betreuerin im Spital M.________ und war damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch unfallversichert. Am 20. Mai 2006 erlitt sie einen Arbeitsunfall, bei dem sie sich an der Brustwirbelsäule und an der Schulter verletzte. Die SUVA kam für die Heilbehandlung und die Taggelder auf. Am 13. September 2007 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen dem Spital M.________ und L.________ in gegenseitigem Einvernehmen auf den 31. Oktober 2007 aufgelöst. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2007 stellte die SUVA ihre Leistungen für den Unfall vom 20. Mai 2006 per 30. November 2007 ein, da bei L.________ eine psychische Störung im Vordergrund stehe, die nicht adäquat unfallkausal sei. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. In der Folge bezog L.________ Taggelder von der Gesundheitsorganisation S.________ (nachfolgend S.________, dem Kollektiv-Krankentaggeldversicherer des Spitals M.________. 
Am 31. Januar 2008 verletzte sie sich bei einem Autounfall an der Halswirbelsäule. Mit Verfügung vom 8. Dezember 2008 lehnte die SUVA ihre Leistungspflicht für diesen Unfall ab, da L.________ im Unfallzeitpunkt nicht mehr bei ihr versichert gewesen sei. Die dagegen von der Vivao Sympany AG (nachfolgend Vivao), ihrem Krankenversicherer, erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 17. August 2009 ab. 
 
B. 
Hiegegen reichte die Vivao beim Kantonsgericht Basel-Landschaft Beschwerde ein. Dieses lud L.________ zum Verfahren bei. In Gutheissung der Beschwerde hob das Kantonsgericht Basel-Landschaft den Einspracheentscheid auf und stellte fest, L.________ sei im Zeitpunkt des Unfalls vom 31. Januar 2008 bei der SUVA obligatorisch für die Unfallfolgen versichert gewesen (Entscheid vom 28. Mai 2010). 
 
C. 
Mit Beschwerde beantragt die SUVA die Aufhebung des kantonalen Entscheides. 
Die Vivao schliesst auf Bestätigung des kantonalen Entscheides. L.________ verlangt Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verlangt Gutheissung der Beschwerde. 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die Rechtsmängel nicht geradezu offensichtlich sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob für das Unfallereignis der L.________ vom 31. Januar 2008 Versicherungsdeckung durch die SUVA besteht. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 135 V 412). 
 
3. 
Die Vorinstanz hat in grundsätzlicher Hinsicht richtig dargetan, dass die obligatorische Unfallversicherung mit dem 30. Tag nach dem Tage endet, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört (Art. 3 Abs. 2 UVG). Als Lohn im Sinne dieser Bestimmung gelten gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. b UVV (in der hier anwendbaren, seit 1. Juli 2005 geltenden Fassung) unter anderem jene Taggelder der Krankenkassen und privaten Kranken- und Unfallversicherer, welche die Lohnfortzahlung ersetzen. 
Nach der Rechtsprechung besteht der Versicherungsschutz als Folge der Ausrichtung von Taggeldern einer Krankenversicherung nur dann weiter, wenn diese Taggelder die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber ersetzen. Das den Versicherungsfall auslösende Ereignis muss daher geeignet sein, einen Anspruch auf Lohnfortzahlung zu begründen. Dies ist regelmässig nicht der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt beendet wurde (RKUV 2003 Nr. U 477 S. 111 E. 2.4.2 [U 160/02] mit Hinweis auf BGE 128 V 176 E. 2c S. 178 und RKUV 1999 Nr. U 347 S. 469 E. 2). 
 
4. 
4.1 Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, in RKUV 2003 Nr. U 477 S. 111 E. 2.4.2 habe das Bundesgericht mit der Formulierung "regelmässig" Raum für Ausnahmen zugelassen, so dass unter Umständen Kombinationen möglich seien, bei denen der Versicherungsschutz auch über die Beendigung eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses hinaus weiter bestehen könne. Dem Anstellungsverhältnis der L.________ beim Spital M.________ habe die "Ordnung betreffend die Anstellungsverhältnisse bei der Bürgergemeinde O.________" (Anstellungsordnung) vom 28. April 1998 zu Grunde gelegen. Gestützt auf § 21 derselben habe das Spital M.________ mit L.________ arbeitsvertraglich eine Lohnfortzahlung bei Krankheit während 720 Tagen in der Höhe von 80 % des versicherten Verdienstes des bisherigen Bruttosalärs vereinbart. Nach der SUVA-Leistungseinstellung für den Unfall vom 20. Mai 2006 per 30. November 2007 habe die S.________ - der Krankentaggeldversicherer des Spitals M.________ - L.________ infolge ihrer verbleibenden krankheitsbedingten Beeinträchtigung direkt Taggelder ausgerichtet. Diese habe gegenüber der S.________ ein direktes Forderungsrecht gehabt und die Taggeldleistungen seien somit im Umfang von 80 % des Bruttosalärs an die Stelle des arbeitsvertraglich während 720 Tagen zugesicherten Lohnes getreten. Die Prämien seien laut Angaben der S.________ unbestrittenermassen zu Lasten das Arbeitgebers gegangen. Unter diesen Umständen seien die von der S.________ erbrachten Taggelder Lohnersatz nach Art. 3 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 lit. b UVV gewesen. Da L.________ diese Taggelder im Zeitpunkt des Unfalls vom 31. Januar 2008 noch bezogen habe, sei sie bei der SUVA unfallversichert gewesen. 
4.2 
4.2.1 Das Arbeitsverhältnis zwischen L.________ und dem Spital M.________ wurde auf den 31. Oktober 2007 aufgelöst. Damit endete grundsätzlich auch seine Lohnfortzahlungspflicht. 
Zwar können die Arbeitsvertragsparteien eine für die arbeitnehmende Person günstigere Absprache treffen, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat. Von einer solchen Absprache ist namentlich auszugehen, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet hat, eine Kollektivtaggeldversicherung mit einem Versicherer abzuschliessen, die ohne entsprechenden Vorbehalt während einer längeren Dauer den Lohnbetrag bzw. einen Teil davon weiter bezahlt (BGE 127 III 318 E. 4b S. 325; Urteil 4C_315/2006 vom 10. Januar 2007 E. 3.1). Aus § 21 der Anstellungsordnung kann indessen nichts zu Ungunsten der SUVA abgeleitet werden, wie folgende Erwägungen zeigen. 
4.2.2 Gemäss unbestrittener Feststellung der Vorinstanz verfügte L.________ im Rahmen des ihr ab 1. Dezember 2007 (nach der Leistungseinstellung durch die SUVA) gestützt auf § 21 der Anstellungsordnung zustehenden Taggeldes über einen direkten Forderungsanspruch gegenüber der S.________, dem Kollektiv-Krankentaggeldversicherer des Spitals M.________. Bei einem solchen, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgerichteten Taggeld handelt es sich praxisgemäss - entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Vivao - eben gerade nicht um einen Lohnfortzahlungsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 lit. b UVV (vgl. BGE 128 V 176 E. 2b S. 178; Urteil 8C_77/2010 vom 31. Mai 2010 E. 4.2.1). Zum gleichen Ergebnis kommt auch die Empfehlung der ad-hoc-Kommission Schaden UVG Nr. 09/85. Diese stellt zwar keine Weisung an die Durchführungsorgane der obligatorischen Unfallversicherung dar und ist insbesondere für das Gericht nicht verbindlich. Sie ist jedoch geeignet, eine rechtsgleiche Praxis sicherzustellen (BGE 120 V 224 E. 4c S. 231). 
Gründe für eine Praxisänderung (zu deren allgemeinen Voraussetzungen vgl. BGE 136 III 6 E. 3 S. 8) werden weder von der Vorinstanz noch von der Vivao aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich. Nicht stichhaltig ist insbesondere ihr Vorbringen, das Spital M.________ habe gegenüber der S.________ weiterhin die Prämien beglichen, ändert dies doch nichts am fehlenden Lohnfortzahlungscharakter der Taggeldzahlungen. Gleiches gilt für ihre Berufung auf die arbeitsrechtliche Literatur. 
Nach dem Gesagten erlosch der Versicherungsschutz der L.________ gemäss UVG spätestens 30 Tage nach rechtsgültiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses, mithin per 30. November 2007 (Art. 3 Abs. 2 UVG). Somit war sie im Zeitpunkt des Unfalls vom 31. Januar 2008 nicht mehr bei der SUVA unfallversichert. 
 
5. 
Die unterliegende Vivao trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG; BGE 133 V 642). Da sich zwei Versicherer gegenübertreten, gilt für die Gerichtsgebühr der ordentliche Rahmen nach Art. 65 Abs. 3 BGG. Die SUVA hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG; SVR 2011 UV Nr. 4 S. 12 E. 5 [8C_901/2009]). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 28. Mai 2010 aufgehoben. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Vivao Sympany AG auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, L.________, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 24. März 2011 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Jancar