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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_127/2018  
 
 
Urteil vom 24. April 2018  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille. 
Gerichtsschreiber Lüthi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Theiler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urban Hulliger, 
Beschwerdegegner, 
 
Gegenstand 
Rechtsschutz in klaren Fällen, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts 
des Kantons Zürich vom 12. Februar 2018 
(HE170463-O). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (Vermieter, Gesuchsteller, Beschwerdegegner) ist mit seiner Einzelunternehmung im Handelsregister eingetragen. Die A.________ AG (Mieterin, Gesuchsgegnerin, Beschwerdeführerin) ist eine Aktiengesellschaft, die in den vom Vermieter gemieteten Räumlichkeiten ein Restaurant und eine Bar betreibt. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis per Ende Oktober 2015 ausserordentlich. 
Hier geht es um die Ausweisung der Mieterin aus der Liegenschaft. 
 
B.  
 
B.a. Die Mieterin focht die ausserordentliche Kündigung des Vermieters gerichtlich an und verlangte, es sei deren Unwirksamkeit festzustellen, eventualiter sei sie für ungültig zu erklären. Kantonal letztinstanzlich hat das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 2. November 2017 diese Kündigung für gültig befunden.  
Dagegen erhob die Mieterin am 5. Dezember 2017 Beschwerde in Zivilsachen (Verfahren 4A_647/2017). Ihr Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wies das Bundesgericht am 7. Dezember 2017 ab, ihr diesbezügliches Wiedererwägungsgesuch am 7. Februar 2018. Soweit es darauf eintrat, wies das Bundesgericht die Beschwerde am 7. März 2018 ab. 
 
B.b. Bereits am 11. Dezember 2017, also noch während hängigem bundesgerichtlichem Verfahren, gelangte der Vermieter mit Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen an das Handelsgericht des Kantons Zürich. Darin begehrte er im Wesentlichen, es sei der Beklagten [recte: Gesuchsgegnerin] unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall zu befehlen, die gemieteten Räumlichkeiten unverzüglich zu verlassen und ihm zurückzugeben. Zudem sei das zuständige Stadtammannamt anzuweisen, den zu erlassenden Befehl nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen des Klägers [recte: Gesuchstellers] zu vollstrecken. Das Handelsgericht hiess das Gesuch mit Urteil vom 12. Februar 2018 gut.  
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 28. Februar 2018 begehrt die Mieterin, das Urteil des Handelsgerichts sei aufzuheben und auf das Ausweisungsbegehren der Beschwerdegegnerin [recte: des Beschwerdegegners] sei nicht einzutreten, eventualiter sei das gerichtliche Verfahren vor dem Handelsgericht zu sistieren bis das Bundesgericht im Verfahren 4A_647/2017 über die Gültigkeit der Kündigung entschieden hat. In prozessualer Hinsicht beantragt sie, der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
Vernehmlassungen zur Beschwerde wurden nicht eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit ihrem Eventualantrag ersucht die Beschwerdeführerin um Sistierung des Verfahrens vor der Vorinstanz, bis das Bundesgericht im Verfahren 4A_647/2017 über die Gültigkeit der ausserordentlichen Kündigung entschieden hat. Das Bundesgericht hat in jenem Verfahren mit Urteil vom 7. März 2018 entschieden. Der eventualiter gestellte Sistierungsantrag ist damit gegenstandslos geworden.  
 
1.2. Da eine einzige kantonale Instanz entschieden hat, ist die Beschwerde entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin streitwertunabhängig zulässig (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG). Erwägungen zum Streitwert erübrigen sich daher.  
 
1.3. Ansonsten geben die Eintretensvoraussetzungen zu keinen Bemerkungen Anlass und es ist - unter Vorbehalt einer hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) - auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, die Vorinstanz hätte nicht auf das Ausweisungsbegehren eintreten dürfen (Art. 257 Abs. 3 ZPO). Rechtsschutz in klaren Fällen setze eine klare Rechtslage voraus (Art. 257 Abs. 1 lit. b ZPO) - eine solche liege hier nicht vor. 
 
2.1. Sie argumentiert, Grundlage des Entscheids der Vorinstanz bilde die ausserordentliche Kündigung des Beschwerdegegners. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 2. November 2017, in dem diese Kündigung für gültig befunden worden sei, habe sie mit Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht angefochten und darin etliche Rechtsverletzungen des Obergerichts gerügt. Dieses Verfahren sei derzeit (d.h. im Zeitpunkt, als die vorliegend zu beurteilende Beschwerde in Zivilsachen erhoben wurde) noch hängig. Sie habe die von ihr im bundesgerichtlichen Verfahren 4A_647/2017 am Urteil des Obergerichts beanstandeten Punkte in ihrer Klageantwort [recte: Gesuchsantwort] im Ausweisungsverfahren aufgezeigt und so dargelegt, dass das Obergericht das Recht falsch angewendet und die ausserordentliche Kündigung zu Unrecht gutgeheissen hat. Anschliessend gibt die Beschwerdeführerin zusammengefasst drei Rügen wieder, die sie gegen die Beurteilung des Obergerichts vorgetragen hat. Damit sei dargetan, dass die Rechtsanwendung in vorliegendem Fall nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führe. Dies gelte erst recht, da das Bundesgericht [im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde] noch nicht endgültig über die bereits hängige Beschwerde betreffend Anfechtung der ausserordentlichen Kündigung und damit über die Rechtmässigkeit der ausserordentlichen Kündigung entschieden habe.  
Die Vorinstanz habe sich mit ihren Ausführungen nicht auseinandergesetzt, sondern nur lapidar festgehalten, die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses sei evident. Die Vorinstanz hätte aufgrund der Unklarheiten bezüglich der Rechtslage, solange das Bundesgericht noch nicht über die Beschwerde betreffend Anfechtung der ausserordentlichen Kündigung entschieden hat, nicht auf die Ausweisungsklage [recte: -gesuch] eintreten dürfen resp. dieses Verfahren mindestens bis zum Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens betreffend Anfechtung der ausserordentlichen Kündigung sistieren müssen. 
Die Beschwerdeführerin bezeichnet damit ausschliesslich die Rechtslage bezüglich der Gültigkeit der ausserordentlichen Kündigung des Mietvertrags als unklar. Deren Gültigkeit unterstellt, ist zwischen den Parteien sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht unbestritten, dass die Beschwerdeführerin die Liegenschaft zu verlassen hat und die Voraussetzungen für den Erlass eines entsprechenden Ausweisungsbefehls gegeben sind. Jedenfalls führt die Beschwerdeführerin keine anderweitigen Gründe an, die dafür sprechen würden, dass sie in der Liegenschaft verbleiben dürfte. Solche sind auch nicht ersichtlich. 
 
2.2. Hinsichtlich der Gültigkeit der Kündigung stellte die Vorinstanz massgebend auf das Urteil des Obergerichts vom 2. November 2017 ab, indem sie befand, damit sei die ausserordentliche Kündigung kantonal letztinstanzlich für gültig befunden worden. Das Bundesgericht habe der dagegen erhobenen Beschwerde in Zivilsachen keine aufschiebende Wirkung erteilt, womit das obergerichtliche Urteil vollstreckbar sei - ein weiterer Verbleib der Beschwerdeführerin in den Mieträumlichkeiten sei aufgrund des gekündigten Mietverhältnisses unzulässig.  
Im Ausweisungsverfahren bringe die Beschwerdeführerin primär Wiederholungen der bereits im anderen Verfahren vorgetragenen Argumente vor. Zur Vermeidung von Weiterungen könne auf die diesbezüglichen, zutreffenden Ausführungen im Urteil des Obergerichts verwiesen werden. Die Beschwerdeführerin habe es auch im Verfahren vor Handelsgericht unterlassen, aufzuzeigen, weshalb sie plötzlich und zwei Jahre nach der ersten Mängelrüge zur eigenmächtigen Fassadenrenovation während laufendem Gerichtsverfahren geschritten sei. Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der eigenmächtig handelnden Beschwerdeführerin sei evident. 
 
2.3. Das Gericht gewährt nach Art. 257 Abs. 1 ZPO Rechtsschutz im summarischen Verfahren, wenn der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist (lit. a) und die Rechtslage klar ist (lit. b). Mit Blick darauf, dass ein Urteil, mit dem nach Art. 257 ZPO Rechtsschutz gewährt wird, der materiellen Rechtskraft fähig ist, wird von der gesuchstellenden Partei verlangt, dass sie sofort den vollen Beweis für die anspruchsbegründenden Tatsachen erbringt, so dass klare Verhältnisse herrschen (BGE 141 III 23 E. 3.2 S. 26; 138 III 620 E. 5.1.1 S. 622 f.). Eine klare Rechtslage ist gegeben, wenn sich die Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Lehre und Rechtsprechung ohne Weiteres ergibt und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Dagegen ist die Rechtslage in der Regel nicht klar, wenn die Anwendung einer Norm einen Ermessens- oder Billigkeitsentscheid des Gerichts mit wertender Berücksichtigung der gesamten Umstände erfordert (BGE 141 III 23 E. 3.2 S. 26; 138 III 123 E. 2.1.2 S. 126 mit Hinweisen).  
Soweit die Gültigkeit der Kündigung des Mietvertrags im Ausweisungsverfahren als Vorfrage zu beurteilen ist, beziehen sich die Voraussetzungen von Art. 257 Abs. 1 ZPO auch darauf. Sind sie nicht erfüllt, ist kein Rechtsschutz in klaren Fällen zu gewähren; auf das Gesuch ist diesfalls nach Art. 257 Abs. 3 ZPO nicht einzutreten (BGE 141 III 262 E. 3.2 S. 265). Damit das vom Gesetzgeber mit Art. 243 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 247 Abs. 2 lit. a ZPO für den mietrechtlichen Kündigungsschutz verfolgte Ziel nicht über den Rechtsschutz in klaren Fällen unterlaufen werden kann, ist dieser nur zu gewähren, wenn keine Zweifel an der Vollständigkeit der Sachverhaltsdarstellung bestehen und die Kündigung gestützt darauf als klar berechtigt erscheint (BGE 142 III 515 E. 2.2.4 S. 518 mit Hinweis). 
 
2.4. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach die Beschwerdeführerin im Ausweisungsverfahren grösstenteils dieselben Argumente vorgebracht habe wie bereits im Verfahren betreffend Gültigkeit der Kündigung, stellt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht in Abrede. Handelte es sich dabei aber um blosse Wiederholungen, ist nicht zu beanstanden, wenn sich die Vorinstanz die entsprechenden Erwägungen des Obergerichts zu eigen machte und primär auf diese verwies, anstatt sich selber auch noch vertieft dazu zu äussern. Entgegen der Beschwerdeführerin trifft daher nicht zu, dass sich die Vorinstanz nicht mit ihren Ausführungen auseinandergesetzt hat. Sie tat dies, indem sie erstens feststellte, dass es sich dabei grösstenteils um Wiederholungen handelte, und zweitens die diesbezüglichen Ausführungen des Obergerichts aus dessen Urteil durch Verweis übernahm. Im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren tut die Beschwerdeführerin im Übrigen nochmals dasselbe wie vor dem Handelsgericht; sie wiederholt erneut die von ihr bereits zuvor eingenommenen Standpunkte und behauptet, deshalb sei die Rechtslage unklar.  
Die Beschwerdeführerin begründet die unklare Rechtslage auch damit, dass das Bundesgericht über ihre Beschwerde im Verfahren bezüglich Gültigkeit der Kündigung noch nicht entschieden hat, als die Vorinstanz über das Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen urteilte. Sie verkennt dabei, dass es keineswegs eine Voraussetzung für das Vorliegen einer klaren Rechtslage ist, dass bereits ein Urteil zwischen denselben Parteien über eine sich stellende Vorfrage besteht. Ohne Weiteres kann die Rechtslage auch dann klar i.S.v. Art. 257 Abs. 1 lit. b ZPO sein, wenn (noch) kein diesbezügliches Urteil ergangen ist (vgl. auch E. 2.3) - das dürfte vielmehr der Regelfall sein. 
Liegt wie hier bereits ein (wenn auch zur Zeit der vorinstanzlichen Beurteilung angefochtenes) Urteil über eine Vorfrage vor, dürfte die diesbezügliche Beurteilung im Hinblick auf Art. 257 ZPO in der Regel gar leichter fallen als üblich. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz nur relativ knapp begründete, weshalb sie die Rechtslage bezüglich Gültigkeit der Kündigung als klar erachtete. Sie hielt der Beschwerdeführerin vor, auch im Ausweisungsverfahren nicht substanziiert aufgezeigt zu haben, weshalb sie zwei Jahre nach der ersten Mängelrüge und während laufendem Verfahren eigenmächtig zum Fassadenanstrich geschritten sei - dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit einer derart eigenmächtig handelnden Mieterin unzumutbar sei, sei evident. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin nicht im Einzelnen darauf eingeht, sondern stattdessen ihre bereits mehrfach vorgetragenen Argumente ein weiteres Mal wiederholt, ist diese Beurteilung nicht zu beanstanden. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da keine Beschwerdeantwort eingeholt wurde, schuldet sie keine Entschädigung. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. April 2018 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Lüthi