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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_334/2013 {T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 24. Juli 2013  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiber Schmutz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
K.________, vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG, Rechtsdienst, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,  
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 27. Februar 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. K.________, geboren 1958, arbeitete von 1988 bis Ende Januar 2004 als Lagermitarbeiter bei der P._______ AG. Am 7. Dezember 2005 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich klärte die medizinischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Am 15. Januar 2007 verfügte sie mit der Begründung, K.________ sei eine behinderungsangepasste Tätigkeit zu 100 % zumutbar, die Ablehnung des Rentenanspruchs.  
 
A.b. Im Herbst 2008 meldete sich K.________ bei der Invalidenversicherung erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle holte bei den behandelnden Ärzten Berichte ein und liess den Versicherten durch das Zentrum A.________ medizinisch abklären (psychiatrisch/neuropsychologisches Gutachten vom 20. August 2009 und rheumatologisches Gutachten mit Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit [EFL] vom 2. November 2009). Mit Verfügung vom 15. August 2011 verneinte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 33 % bzw. 38 %).  
 
B.  
Die gegen die Verfügung vom vom 15. August 2011 gerichtete Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Februar 2013 ab (Invaliditätsgrad von 39 %). 
 
C.  
K.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. Es sei ihm ab 1. Juli 2009 eine halbe, eventualiter eine Viertelsrente zuzusprechen. 
 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Streitig und zu prüfen ist nur mehr die Rechtsfrage, ob der vorinstanzliche Verzicht auf einen Tabellenlohnabzug Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG). Ob und in welcher Höhe statistische Tabellenlöhne herabzusetzen sind, hängt von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des Einzelfalles ab, die nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen sind. Relevante Merkmale sind leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad (BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80). Ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom hypothetischen Invalideneinkommen vorzunehmen sei, ist eine Rechtsfrage. Demgegenüber stellt die Höhe des Abzuges eine typische Ermessensfrage dar, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist, wo das kantonale Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, d.h. bei Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis auf BGE 132 V 393 E. 3.3 in fine S. 399). 
 
2.  
 
2.1. Zur Nichtgewährung des Tabellenlohnabzuges erwog die Vorinstanz, dem Beschwerdeführer sei die Ausübung körperlich leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten zumutbar. Dies rechtfertige nach der Rechtsprechung selbst bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit keinen leidensbedingten Abzug, da der Tabellenlohn im (LSE-) Anforderungsniveau 4 bereits eine Vielzahl von leichten und mittelschweren Tätigkeiten umfasse. Zudem seien dem Beschwerdeführer solche Beschäftigungen nach der gutachterlichen Beurteilung im Vollzeitpensum zumutbar. Infolge seines Mehrbedarfs an Pausen aus psychischen Gründen sei er zwar in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung werde aber solchen Umständen mit der Anerkennung einer während des ganzen Arbeitstages zu realisierenden Arbeitsfähigkeit von 80 % bereits hinreichend Rechnung getragen. Darum rechtfertige sich eine zusätzliche Reduktion wegen Teilzeitarbeit nicht. Weitere einkommensbeeinflussende Merkmale seien nicht auszumachen. In Würdigung sämtlicher Umstände sei auf einen Tabellenlohnabzug zu verzichten.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer hält dagegen, er sei im Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung bereits 53 Jahre alt gewesen. Das Bundesgericht anerkenne mehrheitlich ein fortgeschrittenes Alter ab 50 Jahren als abzugsrelevant. Weiter seien der reduzierte Beschäftigungsgrad und die lange Abwesenheit vom Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Hinzu kämen die mazedonische Nationalität sowie die geringe Schulbildung und die begrenzten Sprachkenntnisse. Die geschilderten Umstände würden einen Tabellenlohnabzug von 20 % rechtfertigen. Selbst bei einem Abzug von lediglich 10 % resultiere ein Anspruch auf eine Viertelsrente (Invaliditätsgrad von 45 %).  
 
3.  
Der vorinstanzliche Schluss auf das Fehlen abzugsrelevanter Merkmale ist hinsichtlich der leidensbedingten Einschränkungen und des Beschäftigungsgrades korrekt (Urteil 9C_677/2012 vom 3. Juli 2013 E. 2.2 mit Hinweisen). Wie das Gericht auch richtig befunden hat, sind relevante Merkmale wie die Anzahl an Dienstjahren sowie die Nationalität oder die Aufenthaltskategorie (oben E. 2) hier nicht von Belang. Der Versicherte reiste bereits 1981 in die Schweiz ein und verfügt nach seinen Angaben in den IV-Anmeldeformularen seit 1984 über die Niederlassungsbewilligung. Trotz seiner geringen Schulbildung und der begrenzten Sprachkenntnisse war er (bei einem von der Vorinstanz auf das Jahr 2009 aufgerechneten Valideneinkommen von Fr. 80'214.-) offensichtlich während vieler Jahre in der ihm nach wie vor offen stehenden Arbeitswelt gut integriert. Ein abzugsbegründender Nachteil ist in dieser Hinsicht nicht ersichtlich, ebenso nicht aufgrund einer längeren Abwesenheit vom Arbeitsmarkt (auch aus invaliditätsfremden Gründen). 
 
Der Beschwerdeführer weist schliesslich daraufhin, dass er bereits über 50 Jahre alt ist. Wenn auch dieser Umstand nach der Rechtsprechung nicht automatisch zu einem Abzug führt (vgl. die Übersicht in PHILIPP GEERTSEN, Der Tabellenlohnabzug, in: Kieser/Lendfers [Hrsg.], Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht 2012, S. 139 ff., S. 143 f.) und der Einwand der Beschwerdegegnerin in der Vernehmlassung, das Alter wirke sich im Anforderungsniveau 4 "sogar eher lohnerhöhend" aus, nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen ist, muss das - bezogen auf die durchschnittliche Lebensarbeitszeit - fortgeschrittene Alter als ein abzugsrelevanter Aspekt (E. 1) doch immer unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalles geprüft werden. Diese zeichnen sich hier u.a. wesentlich dadurch aus, dass der Beschwerdeführer, während mehr als 15 Jahren einfacher Lagermitarbeiter, sich nur über ein sehr schmales berufliches Rüstzeug auszuweisen vermag, was ihm als im Verfügungszeitpunkt 53-Jährigen die Integration in den Arbeitsmarkt doch erheblich erschwert. In diesem Punkt hält der vorinstanzliche Entscheid vor Bundesrecht nicht stand. Bei gebotener Gewährung eines Abzuges von (höchstens) 10 % ergibt sich bei im übrigen unbestrittenen Parametern der Invaliditätsbemessung gemäss angefochtenem Entscheid (S. 18 E. 10) ein Invaliditätsgrad von 45 %. Der Beschwerdeführer hat somit Anspruch auf eine Viertelsrente, in zeitlicher Hinsicht, wie beantragt, ab 1. Juli 2009. 
 
4.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Februar 2013 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 15. August 2011 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 24. Juli 2013 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Schmutz