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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_159/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 24. August 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X._______, 
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Fankhauser, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. A._______, verstorben am 26. November 2013, 
handelnd durch B._______, und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Sylvain M. Dreifuss, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige Tötung; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 16. Dezember 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Anklage wirft X._______ vor, am 6. April 2011, um ca. 9.45 Uhr, mit ihrem Porsche Cayenne in Zürich durch pflichtwidrige Unaufmerksamkeit eine Kollision mit Todesfolge verursacht zu haben, indem sie beim Abbiegen von der Höschgasse in die Seefeldstrasse, Fahrtrichtung stadtauswärts, den von rechts nach links wohl bei Grünlicht den Fussgängerstreifen auf der Seefeldstrasse überquerenden C._______ (Jahrgang 1919) bei einer Geschwindigkeit von mindestens 16 bis ca. 22 km/h erfasst und diesem schwere Verletzungen zugefügt habe, denen und der sich daraus ergebenden Folgen dieser am 12. April 2011 erlegen sei. 
 
B.   
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X._______ am 19. April 2013 wegen fahrlässiger Tötung (Art. 117 StGB) zu einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 130.-- und einer Busse von Fr. 2'600.--. Die Zivilforderungen der Privatklägerin verwies es auf den Zivilweg. 
 
C.   
Auf Berufung von X._______ und Anschlussberufung der Privatklägerin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 16. Dezember 2014 den erstinstanzlichen Schuldspruch. Es verurteilte X._______ zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 75.-- sowie einer Busse von Fr. 1'500.--. Es stellte zudem fest, dass diese dem Rechtsnachfolger der zwischenzeitlich verstorbenen Privatklägerin dem Grundsatz nach schadenersatzpflichtig ist. Für die Feststellung der Haftungsquote und des Quantitativs verwies es diesen auf den ordentlichen Zivilprozess. Das Genugtuungsbegehren der Privatklägerin verwies es ebenfalls auf den Zivilweg. 
 
D.   
X._______ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 16. Dezember 2014 sei aufzuheben und sie sei vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin rügt, der Geschädigte habe den Fussgängerstreifen bei Rotlicht überquert und damit eine schwerwiegende Verkehrsregelverletzung begangen. Mit einer solchen habe sie nicht rechnen müssen. Die Vorinstanz gehe willkürlich davon aus, für das Betreten des Fussgängerstreifens durch den Geschädigten hätten konkrete Anzeichen bestanden. Dies stehe auch im Widerspruch zur Anklage, welche diesbezüglich keinerlei konkrete Anhaltspunkte aufführe. Die Vorinstanz billige ihr eine normale Reaktionszeit von einer Sekunde zu und verneine demnach die Erforderlichkeit einer erhöhten Bremsbereitschaft, wie sie bei Anzeichen auf ein Fehlverhalten von Fussgängern erforderlich wäre. Die Vorinstanz gehe willkürlich davon aus, der Unfall sei vermeidbar gewesen, wenn sie 0,5 Sekunden früher reagiert hätte, und glaube dabei fälschlicherweise, sich auf das Ergänzungsgutachten vom 20. März 2014 abstützen zu können. Auch der Privatgutachter habe bestätigt, dass die Kollision bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 22 km/h nicht vermeidbar gewesen sei. Die Vorinstanz nehme in Verletzung von Bundesrecht an, im Stadtverkehr sei stets damit zu rechnen, dass Fussgänger nach Rotwerden der Ampel die Strasse auf dem Fussgängerstreifen noch zu überqueren versuchen. Dies würde bedeuten, dass der Vertrauensgrundsatz im Stadtverkehr keine Gültigkeit habe und grundsätzlich in einen Misstrauensgrundsatz umfunktioniert werden dürfe.  
 
1.2.  
 
1.2.1. Die Vorinstanz hält den angeklagten Sachverhalt für erstellt. Einzig nicht erwiesen sei, dass der Geschädigte den Fussgängerstreifen "wohl bei Grünlicht" überquerte (angefochtenes Urteil E. 7 S. 21). Die Indizien sprächen zwar eher dafür, dass dieser den Fussgängerstreifen nicht bei Rotlicht betrat. Letztlich nimmt die Vorinstanz zugunsten der Beschwerdeführerin jedoch an, die massgebende Fussgängerampel habe Rot angezeigt (angefochtenes Urteil E. 6.4 S. 15 ff.). Sie geht in dubio pro reo des Weiteren davon aus, dass die Strecke vom Betreten des Fussgängerstreifens durch den Geschädigten bis zum Kollisionsort 2,9 Meter betrug und dass dieser den Fussgängerstreifen mit einer konstanten Geschwindigkeit von 1,5 m/s überquerte, ohne zunächst am Fussgängerstreifen anzuhalten (angefochtenes Urteil S. 17 ff.).  
 
1.2.2. Die Vorinstanz erwägt, bei der Kreuzung Höschgasse/Seefeldstrasse handle es sich um eine breite und, was die vorliegend massgebenden Verkehrswege angehe, übersichtliche Kreuzung, auf welcher in der Regel ein erhebliches Verkehrsaufkommen bestehe. Die Kreuzung werde nicht nur durch Motorfahrzeuge befahren, sondern es führe zusätzlich der Tramverkehr über diesen Verkehrsraum und es befinde sich eine Tramhaltestelle in unmittelbarer Nähe. Die Beschwerdeführerin sei ortskundig gewesen, habe sie doch selber angegeben, die Örtlichkeit drei- bis fünfmal pro Woche zu befahren. Sie sei sich damit der Verkehrslage, der potentiellen Gefahren und des Erfordernisses einer besonderen Aufmerksamkeit beim Befahren der Kreuzung bewusst gewesen. Insbesondere die Tatsache, dass sich in unmittelbarer Nähe eine Tramhaltestelle befinde und damit mit einem erhöhten Fussgängerverkehr zu rechnen gewesen sei, gebiete ein besonders aufmerksames Befahren der entsprechenden Örtlichkeit (angefochtenes Urteil E. 2.4.1 S. 24). Die Beschwerdeführerin habe, bevor sie links habe abbiegen können, gemäss eigenen Angaben auf der Kreuzung anhalten müssen, um den Gegenverkehr passieren zu lassen. Gerade dieser Umstand führe dazu, dass von ihr bei der Fortsetzung der Fahrt eine noch höhere Aufmerksamkeit hätte erwartet werden können. Sie habe davon ausgehen müssen, dass sich die Verkehrssituation im Vergleich zum Zeitpunkt, als sie das Abbiegemanöver bei Grünlicht begonnen habe, verändert und sich nicht mehr gleich präsentiert habe wie vor ihrem Zwischenhalt. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin, wenn sie auf der Kreuzung anhalten musste, um den Gegenverkehr passieren zu lassen, gerade dadurch zusätzliche Zeit und Gelegenheit gehabt habe, den Kreuzungsraum inkl. den unmittelbar anschliessend zu überquerenden Fussgängerstreifen und dessen nächste Umgebung zu beobachten und sich auf mögliche Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer einzustellen (angefochtenes Urteil E. 2.4.2 S. 24). Die Zeit vom Moment, in dem der Geschädigte den Fussgängerstreifen betreten habe, bis zur Kollision habe bei einer Gehgeschwindigkeit von 1,5 m/s 1,9 Sekunden betragen. Da nach der für die Beschwerdeführerin günstigsten Variante davon auszugehen sei, dass der Geschädigte den Fussgängerstreifen mit konstanter Geschwindigkeit betrat, diese also vor dem Fussgängerstreifen nicht verringerte, hätten bereits unmittelbar vor dem Betreten des Fussgängerstreifens konkrete Anzeichen dafür bestanden, dass der Geschädigte den Fussgängerstreifen betreten würde. Dies hätte bei der Beschwerdeführerin ebenfalls zu einer besonderen Vorsicht führen sollen (angefochtenes Urteil E. 2.4.3 S. 25).  
Das Ergänzungsgutachten vom 20. März 2014 setze sich insbesondere mit der Vermeidbarkeit bei der vorliegend zugrunde zu legenden erhöhten Gehgeschwindigkeit des Geschädigten von 1,5 m/s auseinander. Danach hätte die Beschwerdeführerin die Kollision ausgehend von einer Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs von 22 km/h vermeiden können, wenn sie 1,8 Sekunden vor der Kollision erkannt hätte, dass sie reagieren müsse und dies danach sofort getan hätte. Diesfalls hätte sie unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von einer Sekunde, einer Bremsschwelldauer von 0,2 Sekunden und einer Bremszeit von 0,6 Sekunden rechtzeitig anhalten können. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb an der Richtigkeit der gutachterlichen Schlussfolgerung zu zweifeln wäre (angefochtenes Urteil E. 2.6 S. 26 ff.). 
 
1.3. Die vorinstanzlichen Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Die Fahrzeugampel mit Dreifarbenbetrieb auf der Höschgasse ist mit einem geradeaus/links-Pfeilbild ausgestattet und erlaubt den Fahrzeugen folglich, geradeaus zu fahren oder nach links in die Seefeldstrasse abzubiegen. Neben dem Grünlicht ist jedoch ein gelbes Warnblinklicht installiert. Die nach links stadtauswärts in die Seefeldstrasse abbiegenden Fahrzeuge müssen daher dem Gegenverkehr und den Fussgängern oder Benützern von fahrzeugähnlichen Geräten auf der Seefeldstrasse den Vortritt lassen (vgl. Art. 68 Abs. 3 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 [SSV; SR 741.21). Aus dem Amtsbericht vom 19. August 2011 geht hervor, dass bei Beginn der Grünphase für die Fahrzeuge auf der Höschgasse beim Fussgängerübergang auf der Seefeldstrasse gleichzeitig Grünbeginn angezeigt wird oder der Grünbeginn für den Fussgängerübergang bereits zwei Sekunden vor Grünbeginn für die Fahrzeuge auf der Höschgasse erfolgt. Bei Grünphase für die Fahrzeuge auf der Höschgasse werde nicht gleichzeitig eine Rotphase für die Fussgänger auf der Seefeldstrasse angezeigt (kant. Akten, act. 3/8, siehe auch act. 3/9). Die Vorinstanz geht dennoch in dubio pro reo davon aus, dass das gelbe Warnlicht nicht blinkte und die Fussgängerampel links auf der Seefeldstrasse Rot anzeigte, als die Beschwerdeführerin zu Beginn der Grünphase auf der Höschgasse Richtung Kreuzung anfuhr. Diese Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerdeführerin beim Abbiegen dem Gegenverkehr den Vortritt lassen und auf der Kreuzung daher einen Halt einlegen musste, um Fahrzeuge passieren zu lassen, konnte sie allerdings nicht sicher sein, dass die Fussgängerampel immer noch Rot anzeigte, als sie schliesslich auf den Fussgängerstreifen zufuhr. Die Vorinstanz legt daher zutreffend dar, dass diese bei der ihr bekannten Verkehrssituation besonders vorsichtig fahren und der Situation auf dem Fussgängerstreifen besondere Aufmerksamkeit hätte schenken müssen. Bei dieser Ausgangslage hätte sie selbst ausgehend von der für einen 91-Jährigen hohen Gehgeschwindigkeit von 1,5 m/s in der Lage sein müssen, rechtzeitig auf den Geschädigten zu reagieren, der im Zeitpunkt der Kollision bereits 2,9 Meter auf dem Fussgängerstreifen zurückgelegt hatte. Nicht zu beanstanden ist, wenn die Vorinstanz der Beschwerdeführerin vorwirft, es hätten bereits unmittelbar bevor sich der Geschädigte auf den Fussgängerstreifen begab, konkrete Anhaltspunkte für das Betreten desselben bestanden. Damit erhöht sich die Zeit von 1,9 Sekunden (2,9 m / 1,5 m/s) leicht, welche der Beschwerdeführerin zur Verfügung stand, um auf den Fussgänger zu reagieren. Dies ist weder willkürlich (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266) noch verletzt dies den Anklagegrundsatz (siehe Art. 9 Abs. 1 und Art. 325 StPO; BGE 133 IV 235 E. 6.2 f. S. 244 ff.; 126 I 19 E. 2a S. 21; je mit Hinweisen). Die Vorinstanz legt ihren Berechnungen zugunsten der Beschwerdeführerin eine für den 91-jährigen Geschädigten hohe konstante Geschwindigkeit von 1,5 m/s zugrunde. Dies impliziert jedoch, dass dieser den Fussgängerstreifen nicht völlig überraschend betrat.  
In welcher Zeit ein Fahrzeuglenker bei gebotener Aufmerksamkeit auf auftauchende Gefahren reagieren muss, ist eine Rechtsfrage (Urteil 6B_493/2011 vom 12. Dezember 2011 E. 4.3.2 mit Hinweisen). Der vorinstanzliche Entscheid steht entgegen dem Einwand in der Beschwerde im Einklang mit dem Ergänzungsgutachten vom 20. März 2014. Daraus geht hervor, dass die Beschwerdeführerin ausgehend von einer Geschwindigkeit vor Bremsbeginn von 22 km/h, einer Reaktionsdauer von einer Sekunde und einer Bremsschwelldauer von 0,2 Sekunden in 1,8 Sekunden hätte anhalten können. 
Die Beschwerdeführerin verkennt schliesslich, dass die Vorinstanz mit ihrem Entscheid keineswegs zum Ausdruck bringt, das Vertrauensprinzip habe im Stadtverkehr selbst vor Lichtsignalanlagen keine Gültigkeit. Sie wirft der Beschwerdeführerin lediglich vor, sie hätte bei der ihr bekannten unsicheren Ampelsituation besonders vorsichtig fahren und das Fehlverhalten des Geschädigten rechtzeitig erkennen müssen. Da sie dies nicht tat, kann sie sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen (vgl. BGE 129 IV 39 E. 2.2 S. 43; 125 IV 83 E. 2b S. 87 f.; je mit Hinweisen ). Der vorinstanzliche Entscheid verletzt kein Bundesrecht. 
 
 
2.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
Dem Beschwerdegegner 2 ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. August 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld