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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_250/2009 
 
Urteil vom 24. September 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Gewaltdelikte, Molkenstrasse 15/17, Postfach, 
8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 20. August 2009 des Präsidiums des Bezirksgerichtes Dietikon. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 4. November 2008 verurteilte das Bezirksgericht Dietikon X.________ wegen qualifizierten Raubes, schwerer Körperverletzung und weiteren Delikten zu drei Jahren Freiheitsstrafe (unter Anrechnung von 434 Tagen erstandener strafprozessualer Haft) sowie einer vollzugsbegleitenden ambulanten psychotherapeutischen Behandlung. Die Freiheitsstrafe wurde als Zusatzstrafe ausgefällt zum Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 20. September 2007, in dem der Angeklagte wegen Raubes, mehrfachen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung und weiteren Delikten zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten (bedingt) und einer Busse von Fr. 1'000.-- verurteilt worden war. Das erstinstanzliche Urteil vom 4. November 2008 ist noch nicht rechtskräftig. 
 
B. 
Ein Gesuch des erbetenen Verteidigers vom 13. August 2009 um Entlassung des Angeklagten aus dem vorzeitigen Strafvollzug wies der Präsident des Bezirksgerichtes Dietikon mit Verfügung vom 20. August 2009 ab. Gleichzeitig ernannte er den erbetenen Verteidiger (antragsgemäss) zum amtlichen Verteidiger. 
 
C. 
Gegen die haftrichterliche Verfügung vom 20. August 2009 gelangte X.________ mit einer auf 1. September 2009 datierten (und am 10. September 2009 der Post übergebenen) Beschwerdeeingabe an das Bundesgericht. Er beantragt zur Hauptsache seine unverzügliche Haftentlassung. 
 
Der Präsident des Bezirksgerichtes Dietikon verzichtete am 14. September 2009 auf eine Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich liess sich am 16. September 2009 vernehmen. Der Beschwerdeführer replizierte am 18. (Posteingang: 22.) September 2009. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist die Abweisung eines Gesuches um Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug. Es handelt sich dabei um strafprozessuale Haft und nicht um ordentlichen Strafvollzug nach Rechtskraft des Strafurteils. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers steht für die Anfechtung von strafprozessualen Haftprüfungsentscheiden die Beschwerde in Strafsachen (an die I. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichtes) zur Verfügung (Art. 78 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 133 I 270 E. 1.1 S. 272 f.). Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist somit nicht gegeben (Art. 113 BGG). 
 
Die als "subsidiäre Verfassungsbeschwerde und Beschwerde in Strafsachen" bezeichnete Eingabe ist als Beschwerde in Strafsachen entgegen zu nehmen. Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind (von den nachfolgend dargelegten Ausnahmen abgesehen) erfüllt und geben zu keinen weiteren Vorbemerkungen Anlass. 
 
2. 
Das Zürcher Strafprozessrecht kennt als strafprozessuale Haftart den vorzeitigen Straf- und Massnahmenantritt. Er wird bewilligt, wenn die Anordnung einer unbedingten Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Massnahme zu erwarten ist und der Zweck des Strafverfahrens nicht gefährdet wird (§ 71a Abs. 3 StPO/ZH). Die strafprozessualen Haftgründe (die auch beim vorzeitigen Strafvollzug erfüllt sein müssen, vgl. BGE 126 I 172 E. 3a S. 174) sind in § 58 StPO/ZH geregelt. 
 
2.1 Der Beschwerdeführer lässt vorbringen, im angefochtenen Entscheid würden die Haftgründe "vollkommen aus der Luft gegriffen", was Art. 9 BV und Art. 5 EMRK i.V.m. § 58 StPO/ZH verletze. 
 
2.2 Dieser Vorwurf findet in den Akten keine Stütze. Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, dass sich der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachtes von Verbrechen und Vergehen (§ 58 Abs. 1 StPO/ZH) aus dem erstinstanzlichen Urteil vom 4. November 2008 ergebe, in dem der Beschwerdeführer des qualifizierten Raubes, schwerer Körperverletzung und weiterer Delikte schuldig gesprochen worden sei. Für den Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 58 Abs. 3-4 StPO/ZH) verweist die Vorinstanz zunächst auf die frühere haftrichterliche Verfügung vom 26. August 2008. Danach sei der Beschwerdeführer schon mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 20. September 2007 in zusätzlichen Fällen wegen Raubes, mehrfachen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung und weiteren Delikten zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten (bedingt) und einer Busse von Fr. 1'000.-- verurteilt worden. Bereits zuvor sei er ausserdem wiederholt wegen Gewalt- und Vermögensdelikten bei der Jugendanwaltschaft aktenfällig geworden bzw. (im Jahre 2006) vom Jugendgericht wegen Hehlerei verurteilt worden. Das psychiatrische Gutachten treffe diesbezüglich eine ungünstige Rückfallsprognose. Im angefochtenen Entscheid wird noch ergänzend auf den Zwischenbericht des kantonalen Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes (PPD) vom 22. Juli 2009 hingewiesen. Darin gelange der PPD aufgrund einer umfassenden Würdigung der Vorgeschichte des Beschwerdeführers und des therapeutischen Behandlungsverlaufes (mit zehn Therapiesitzungen im Berichtszeitraum) zur Einschätzung, dass "kurz- bis mittelfristig beim Angeklagten ein deutliches Rückfallsrisiko für einschlägige Straftaten (Gewaltdelikte)" bestehe (angefochtener Entscheid, S. 3 E. 6). 
 
2.3 Mit diesen Erwägungen des Haftrichters setzt sich der Beschwerdeführer nicht näher auseinander. In diesem Zusammenhang werden auch keine zulässigen Rügen ausreichend substantiiert (vgl. Art. 95 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Insofern ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Darüber hinaus wäre in diesem Zusammenhang auch keine verfassungswidrige Anwendung des kantonalen Strafprozessrechts ersichtlich (vgl. BGE 135 I 71 E. 2.2-2.5 S. 72-74; 133 I 270 E. 2 S. 275 f.; 126 I 172 E. 3a-b S. 174 f.; je mit Hinweisen). 
 
3. 
Weiter rügt der Beschwerdeführer es liege eine unzulässige Überhaft vor, welche mit der persönlichen Freiheit bzw. Art. 5 Ziff. 3 EMRK nicht vereinbar sei. 
 
3.1 Gemäss Art. 31 Abs. 3 BV hat eine in strafprozessualer Haft gehaltene Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist richterlich abgeurteilt oder während des Strafverfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Eine übermässige Haftdauer stellt eine unverhältnismässige Beschränkung dieses Grundrechts dar. Sie liegt dann vor, wenn die Haftfrist die mutmassliche Dauer der zu erwartenden freiheitsentziehenden Sanktion übersteigt. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Haftdauer ist namentlich der Schwere der untersuchten Straftaten Rechnung zu tragen. Der Richter darf die Haft nur so lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der (im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsentziehenden Sanktion rückt (BGE 133 I 168 E. 4.1 S. 170, 270 E. 3.4.2 S. 281; je mit Hinweisen). Im Weiteren kann eine Haft die zulässige Dauer auch dann überschreiten, wenn das Strafverfahren nicht genügend vorangetrieben wird. Die Frage, ob eine Haftdauer als übermässig bezeichnet werden muss, ist aufgrund der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen (BGE 133 I 168 E. 4.1 S. 170 f., 270 E. 3.4.2 S. 281; 132 I 21 E. 4.1 S. 27 f.; je mit Hinweisen). 
 
3.2 Wie sich aus den Akten ergibt, befindet sich der Beschwerdeführer seit dem 28. August 2007 in strafprozessualer Haft. Die Anklagebehörde hat vier Jahre Freiheitsstrafe beantragt (aufgeschoben zugunsten einer stationären psychotherapeutischen Massnahme). Das erstinstanzliche Gericht hat (wegen qualifizierten Raubes, schwerer Körperverletzung und weiteren Delikten) auf drei Jahre Freiheitsstrafe (begleitet von einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung) erkannt. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern im Berufungsverfahren die Ausfällung einer deutlich kürzeren Freiheitsstrafe (oder freiheitsentziehenden stationären Massnahme) erwartet werden könnte. Nach dem Gesagten ist die bisherige Haftdauer (von insgesamt ca. 25 Monaten) noch nicht in grosse Nähe der freiheitsentziehenden Sanktion gerückt, die dem Beschwerdeführer im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung droht. 
 
3.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, bei der Bemessung der grundrechtlich zulässigen Haftdauer sei auch der gesetzliche Anspruch auf bedingte Entlassung aus dem (ordentlichen) Strafvollzug nach Art. 86 StGB mitzuberücksichtigen. 
 
3.4 Nach der Rechtsprechung ist bei der Prüfung der zulässigen strafprozessualen Haftdauer der Möglichkeit einer bedingten Entlassung aus dem ordentlichen Strafvollzug nach rechtskräftiger Verurteilung (Art. 86 Abs. 1 StGB, vgl. BGE 133 IV 201 E. 2.2 S. 203) nur in Ausnahmefällen Rechnung zu tragen, wenn bereits im hängigen Strafverfahren aufgrund der konkreten Umstände absehbar ist, dass eine bedingte Entlassung mit grosser Wahrscheinlichkeit erfolgen dürfte (vgl. Urteile des Bundesgerichtes 1B_234/2008 vom 8. September 2008 E. 3; 1P.493/2006 vom 5. September 2006 E. 6.1, und die dort zitierte einschlägige Praxis). 
 
3.5 Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, dass gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB ein Verurteilter nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen sei, wenn sein Verhalten im Strafvollzug dies rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Bei der Prognosestellung für künftiges Wohlverhalten sei eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, in welche "das gesamte Vorleben, die Täterpersönlichkeit, das deliktische und sonstige Verhalten des Täters (vor allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten und seine allfällige Besserung) und die zu erwartenden Lebensverhältnisse" einzubeziehen seien. Wie dem (bereits erwähnten) Zwischenbericht des PPD vom 22. Juli 2009 entnommen werden könne, sei "das Bewusstsein des Angeklagten über die Dynamik, die zu seinem Deliktverhalten führte, aktuell nur rudimentär vorhanden". Bei den "deliktsrelevanten Problembereichen (dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung, Aggressionsfokus, Suchtproblematik)" seien im Verlauf der bisherigen Behandlung kaum Fortschritte bzw. eine höchstens minime Veränderungsbereitschaft feststellbar gewesen. Der Angeklagte stehe erst am Anfang einer therapeutischen Behandlung. Die Rückfallgefahr erscheine hoch, und es sei auch dem Wert der durch Gewaltdelikte (insbesondere Raub und Körperverletzung) gefährdeten Rechtsgüter Rechnung zu tragen. Insgesamt sprächen diese Umstände gegen die Annahme von Überhaft bzw. gegen eine vorzeitige Haftentlassung des Beschwerdeführers unter Mitberücksichtigung der Vorschriften von Art. 86 StGB (vgl. angefochtener Entscheid, S. 3 f. E. 7-9). Auch in diesem Zusammenhang ist keine grundrechtswidrige Anwendung des kantonalen Strafprozessrechts ersichtlich. 
 
3.6 Die weiteren Rügen des Beschwerdeführers haben (soweit sie überhaupt ausreichend substantiiert werden) keine über das bereits Dargelegte hinausgehende selbstständige Bedeutung. Entgegen seiner Ansicht liegt in der Fortdauer der strafprozessualen Haft insbesondere keine menschenunwürdige Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es sei unklar, ob es sich hier um "eine eigentliche Sicherheitshaft", um "vorzeitigen Strafvollzug" oder "bereits um eine Strafverbüssung" handelt, verkennt er die Natur des vorzeitigen Strafantritts als selbstständige strafprozessuale Haftart vor Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils (vgl. BGE 133 I 270 E. 3.2 S. 277-79; 126 I 172 E. 3a-b S. 174 f.; je mit Hinweisen). 
 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung). Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (und sich insbesondere die finanzielle Bedürftigkeit des schon längere Zeit inhaftierten und amtlich verteidigten Gesuchstellers aus den Akten ergibt), kann dem Begehren entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1-2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen: 
 
2.1 Es werden keine Kosten erhoben. 
 
2.2 Dem Rechtsbeistand des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Bernhard Zollinger, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'000.-- ausgerichtet. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich und dem Präsidium des Bezirksgerichtes Dietikon schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 24. September 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster