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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_315/2011 
 
Urteil vom 24. Oktober 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Denys, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Rechtsüberholen auf der Autobahn (Art. 36 Abs. 5 VRV); Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 21. März 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Gerichtspräsidium Baden verurteilte X.________ am 22. Januar 2010 wegen Rechtsüberholens durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen (Art. 35 Abs. 1 SVG und Art. 8 Abs. 3 VRV) zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 780.-- und Fr. 5'000.-- Busse. 
 
Das Obergericht des Kantons Aargau erkannte am 21. März 2011 auf Rechtsüberholen auf der Autobahn (Art. 35 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 5 VRV [unerlaubtes Rechtsvorbeifahren]), bestätigte die Geldstrafe und setzte die Busse auf Fr. 3'900.-- fest. 
 
B. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt sinngemäss, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei von der Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. In der Anklageschrift fehlten alle relevanten Sachverhaltsmerkmale im Hinblick auf eine Qualifikation des Sachverhalts gemäss Art. 36 Abs. 5 VRV (Beschwerdeschrift, S. 7 f. Ziff. 24 f.). 
 
Kernstück der Anklageschrift bildet die Darstellung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat (BGE 120 IV 348 E. 3c). Das unerlaubte Rechtsvorbeifahren (Art. 36 Abs. 5 VRV) und das Rechtsüberholverbot (Art. 35 Abs. 1 SVG) decken sich vom Lebenssachverhalt her, weil das Überholen gemäss letzterer Bestimmung keinen Spurwechsel voraussetzt (BGE 104 IV 196 E. 2). Beim Fahren in parallelen Kolonnen ist das Rechtsvorbeifahren an anderen Fahrzeugen grundsätzlich erlaubt (Art. 8 Abs. 3 und Art. 36 Abs. 5 lit. a VRV). Deshalb durfte in der Anklageschrift ein Hinweis auf den (nicht vorhandenen) Kolonnenverkehr fehlen. Die Rüge ist unbegründet. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer beanstandet, die Vorinstanz habe den Sachverhalt in verschiedener Hinsicht unrichtig festgestellt (Art. 97 Abs. 1 BGG): 
 
2.1 Sie beziehe sich auf die Aussage von Polizist G., wonach "normaler, nicht allzu dichter Sonntagsverkehr geherrscht" habe. Der Zeuge Z.________ habe aber nichts Derartiges gesagt. 
 
Dabei handelt es sich zwar um ein offensichtliches Versehen, das von Amtes wegen zu berichtigen ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Der vorinstanzliche Hinweis auf act. 63 belegt aber, dass die Aussage von Wachtmeister K. stammt, der zusammen mit G. auf Polizeipatrouille war. Inwiefern die Aussage nicht verwertbar sein sollte, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf. Seine Rüge ist an den Haaren herbeigezogen. 
 
2.2 Der Beschwerdeführer selbst bezeichnete den Verkehr als "vernachlässigbar". Nach seinem Sprachgebrauch bedeute das, dass es keine stehenden Kolonnen gegeben habe. Zudem sei nach dem normalen Sprachgebrauch ein "nicht allzu dichter Verkehr" immerhin noch ein dichter Verkehr. Deshalb sei die vorinstanzliche Feststellung, es habe kein dichter Kolonnenverkehr geherrscht, frei erfunden und offensichtlich unrichtig. 
 
Diese Interpretationen der beiden Aussagen sind rein appellatorische Kritik. Darauf ist nicht einzutreten. 
 
2.3 Die Vorinstanz zitiert ausführlich die verschiedenen Aussagen der Zeugen und des Beschwerdeführers und kommt zum Schluss: "Damit liegen (...) übereinstimmende Aussagen zur Frage vor, auf welchem Fahrstreifen der Angeklagte sein Manöver begonnen (...) und auf welchem Fahrstreifen er welche Fahrzeuge überholt hat. Somit steht fest, dass (er) auf dem fraglichen Streckenabschnitt hinter den beiden vor ihm ebenfalls auf dem zweiten Überholstreifen fahrenden Fahrzeugen F. und S. fuhr. Nachdem der Zeuge S. seine Geschwindigkeit reduziert hatte, schwenkte der Angeklagte nach rechts auf den ersten Überholstreifen aus und überholte die beiden vor ihm auf dem zweiten Überholstreifen fahrenden Personenwagen" (angefochtener Entscheid, S. 10 ff. Ziff. 6.2, insbesondere S. 12 oben). 
 
Der Beschwerdeführer zitiert einzig den Zeugen S., wonach sein Ausschwenken nach rechts ein Ausweichmanöver gewesen sei. Deshalb sei davon auszugehen, dass er sich vorbildlich und reflexartig richtig verhalten und die vom vorderen bremsenden Fahrzeug geschaffene Gefahr entschärft habe, "auch wenn er rechts an S. vorbeigerollt sein sollte" (Beschwerdeschrift, S. 6 f.). Mit diesen Vorbringen stellt er der vorinstanzlichen Beweiswürdigung seine eigene Sicht der Dinge gegenüber. Das genügt nicht, um Willkür darzutun. Dazu hätte er sich mit den verschiedenen Zeugenaussagen auseinandersetzen und aufzeigen müssen, inwiefern die Schlussfolgerung der Vorinstanz abwegig sei. 
 
2.4 Die Vorinstanz bestimmt das relevante Einkommen des Beschwerdeführers auf Fr. 500'000.--. Sie stützt sich dabei auf Auskünfte der Stadt Kloten und des kantonalen Steueramts, wonach das Familieneinkommen per 2007 mit rund Fr. 1'050'000.-- veranschlagt werde, wovon rund Fr. 590'000.-- von der Tätigkeit der Ehefrau herrührten. Der Beschwerdeführer habe in keiner Weise zur Ermittlung seiner effektiven finanziellen Verhältnisse beigetragen. Gemäss seinen unbelegten Angaben erziele er ein Jahreseinkommen von ca. 30'000.--, was unglaubwürdig erscheine, vermöchte er doch damit nach Abzug der Unterhaltsbeiträge für seine beiden Töchter von je Fr. 1'000.-- pro Monat nicht einmal sein Existenzminimum zu decken. Immerhin habe er zu Protokoll gegeben, dass sich seine Anwaltskanzlei im Wachstum befinde und er zwölf Anwälte beschäftige. Selbst wenn er tatsächlich praktisch kein Geld aus dem Unternehmen zöge, würde dies nichts am erzielten Gewinn ändern (angefochtener Entscheid S. 16 f. Ziff. 8.4.2). 
 
Insbesondere mit letzterer Überlegung und dem veranschlagten Familieneinkommen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Dass er sich um die Kinder kümmert, vom Einkommen seiner Frau lebt und den gesamten Gewinn seiner Anwaltskanzlei in sein Unternehmen reinvestiert, sei ihm unbenommen. Doch begründet dies den Willkürvorwurf an die Vorinstanz nicht. Seine Angabe, er verdiene nunmehr "wieder ein normales Einkommen (2009: Fr. 83'993.--)", ist ein unzulässiges Novum. 
 
Der Vorinstanz Voreingenommenheit (Art. 6 EMRK) vorzuwerfen, nur weil sie die Beweiswürdigung des Beschwerdeführers nicht teilt bzw. dessen Verweigerung beim Erheben von Beweisen nicht honoriert, ist verfehlt. Ebenso abwegig ist der Vorwurf der Geschlechterdiskriminierung (Art. 14 EMRK): Auch einer Kinder erziehenden Anwältin, die nebenbei eine Kanzlei mit zwölf angestellten Anwälten führt, würde ein Gericht einen Jahresgewinn von Fr. 500'000.-- zutrauen. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer wirft den involvierten Polizisten, Steuerbeamten, Staatsanwälten und Richtern in mehrfacher Hinsicht vor, das Verfahren voreingenommen und unfair geführt zu haben (Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Beschwerdeschrift, S. 9 ff. Ziff. 30-42). 
 
Bei seinen Ausführungen handelt es sich entweder um appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung, um irrelevante Sachverhalte bzw. Beweismittel oder um behauptete Verfahrensmängel, die er nicht rechtsgenügend begründet. Darauf ist nicht einzutreten. 
 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung (act. 3) gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 24. Oktober 2011 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Borner