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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_299/2022  
 
 
Urteil vom 24. November 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, 
Nebenamtlicher Bundesrichter Weber, 
Gerichtsschreiberin Hänni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________ und B.A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Robert Hadorn, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Albert Romero, 
Beschwerdegegner, 
 
Stadt Zürich, Tiefbaudepartement Gartendenkmalpflege, Beatenplatz 2, 8001 Zürich, 
handelnd durch die Grün Stadt Zürich, Rechtsdienst, Rechtsanwalt Michael Wehrli, 
Beatenplatz 2, 8001 Zürich. 
 
Gegenstand 
Entfernung einer Hecke, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, vom 3. März 2022 (VB.2021.00670). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der Garten des Grundstücks von B.A.________ und A.A.________ an der D.________strasse xx in U.________ (Kat. Nr. HO4616) ist denkmalpflegerechtlich geschützt. Zum historischen Garten gehörte bis vor kurzem eine Hainbuchenhecke, welche die Grenze zum Nachbargrundstück D.________strasse yy (Kat. Nr. HO4615) bildete; diese Hecke war als Teil des Gartens "konzeptionell unter Schutz gestellt". 
Auf Klage von C.________, Miteigentümer der Liegenschaft D.________strasse yy, hin, verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich die Eheleute A.________ mit Urteil vom 27. September 2018, die Hecke zu entfernen, da sie den erforderlichen Grenzabstand nicht einhielt. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft; in seinen Erwägungen hielt das Obergericht fest, ein privatrechtlich zulässiger Standort der Hecke sei möglich. Das Urteil wurde inzwischen vollstreckt und die Hainbuchenhecke entfernt (Vollstreckungsbefehl des Stadtammannamts vom 16. Juli 2019). 
 
B.  
Kurz vor der Vollstreckung des Urteils des Obergerichts waren namentlich B.A.________ und A.A.________ am 30. Juli 2019 an das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement der Stadt Zürich (Gartendenkmalpflege) gelangt und hatten darum ersucht, den damaligen Standort der Hainbuchenhecke zu "genehmigen" sowie ein vorsorgliches Beseitigungsverbot zu erlassen. Das Departement sah indes keinen Anlass, vorsorgliche Massnahmen anzuordnen; dies wurde zunächst durch das Baurekursgericht und anschliessend durch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich bestätigt. Auf eine Beschwerde der Eheleute A.________ gegen den diesbezüglichen Entscheid des Verwaltungsgerichts trat das Bundesgericht nicht ein (Urteil 1C_679/2019 vom 14. Januar 2021). 
Auch in der Sache sah die Gartendenkmalpflege keinen Anlass zum Tätigwerden, was das Baurekursgericht ebenfalls schützte. Nachdem die Hainbuchenhecke zwischenzeitlich entfernt worden war, änderten die Eheleute A.________ ihr Rechtsbegehren vor dem Verwaltungsgericht dahingehend ab, dass sie beantragten, es sei das Departement anzuweisen, ein Verfahren über den Standort der Hecke durchzuführen und zu prüfen, ob ein Standort möglich sei, mit dem die Grenzabstände eingehalten werden könnten. Mit Beschluss vom 3. März 2022 trat das Verwaltungsgericht nicht auf die Beschwerde ein. 
 
C.  
Gegen diesen Entscheid führen B.A.________ und A.A.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen dessen Aufhebung und die Rückweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zur Neubeurteilung. 
Die Stadt Zürich, C.________ sowie das Verwaltungsgericht beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG), der das Baurecht betrifft. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a BGG). Den Beschwerdeführenden gehört die Parzelle, auf welcher die strittige Hainbuchenhecke stand; sie sind somit durch den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid besonders betroffen, haben ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung und sind folglich zur Beschwerde berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde ist einzutreten.  
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens - gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), untersucht aber auch in diesem Rahmen grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen (BGE 142 I 99 E. 1.7.1). Die Verletzung von Grundrechten - einschliesslich die willkürliche Anwendung von kantonalem und kommunalem Recht - prüft es nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und genügend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dabei gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5 mit Hinweisen).  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
Angefochten ist ein Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts, weshalb sich der Streitgegenstand vor Bundesgericht auf die Frage beschränkt, ob der Forumsverschluss zu Recht erfolgt ist. 
 
2.1. Das Verwaltungsgericht ist auf die Beschwerde nicht eingetreten, weil es zur Auffassung gelangt ist, die ihm unterbreiteten Anträge würden nicht dem Streitgegenstand des bisherigen Verfahrens entsprechen; dieser werde vielmehr in unzulässiger Weise verändert. Ursprünglich habe die Weigerung des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements, betreffend die Genehmigung der strittigen Hecke tätig zu werden, Gegenstand des Rechtsstreits gebildet. Nachdem die Hecke entfernt worden sei, hätten die Beschwerdeführenden ihre Rechtsbegehren abgeändert und beantragt, die Stadt U.________ sei anzuweisen, ein Verfahren über den Standort der Grenzhecke durchzuführen. Ausserdem hätten sie beantragt, es sei zu prüfen, ob tatsächlich ein Standort möglich sei, der die Grenzabstände einhalte. Was diesen zweiten Punkt betreffe, habe bereits das Obergericht festgehalten, dass ein solcher Standort möglich erscheine. Sodann bilde das Begehren, ein Verfahren zur Prüfung eines gartendenkmalrechtlich zulässigen Standorts durchzuführen, eine neue Frage, die den Streitgegenstand in unzulässiger Weise verändere.  
 
2.2. Die Beschwerdeführenden machen geltend, das Bezirksgericht habe verlangt, eine Versetzung oder Neupflanzung der Hecke im gesetzlichen Grenzabstand sei mit der Gartendenkmalpflege abzusprechen. Wenn das Verwaltungsgericht ausführe, es stehe nicht fest, ob die Hecke am interessierenden Standort aus gartendenkmalpflegerischer Sicht überhaupt notwendig sei, stelle dies eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung dar. Tatsächlich sei die ganze Gartenanlage durch einen Beschluss des Stadtrats unter Schutz gestellt worden.  
 
Die neue Hecke an der Grundstücksgrenze sei durch einen Bauentscheid aus dem Jahr 2007 genehmigt, aber rechtlich nicht zulässig. Deren Pflanzung mit einem Abstand, der den gesetzlichen Regeln des Kantons Zürich entsprechen würde, sei auch tatsächlich nicht möglich. Auf ihr Gesuch hätte daher eingetreten werden müssen. Da das Zivilgericht höchstens vorfrageweise über die öffentlich-rechtlichen Fragen habe entscheiden können, bleibe es ihnen unbenommen, den vom Bezirksgericht beanstandeten Standort bewilligen bzw. als rechtskonform genehmigen zu lassen. 
 
3.  
Die Beschwerdeführenden nennen keine Norm des kantonalen Prozessrechts, die durch den Nichteintretensentscheid willkürlich angewandt worden sein soll; sie äussern sich überhaupt nicht zu den kantonalrechtlichen Voraussetzungen für einen Forumsverschluss. Damit ist fraglich, ob sie ihrer qualifizierten Begründungspflicht nach Art. 106 Abs. 2 BGG genügen. Die Beschwerdeführenden machen zwar auch Verletzungen von Verfassungsrecht (der Eigentumsgarantie und dem Willkürverbot) sowie von eidgenössischem Gesetzesrecht (Art. 22 Abs. 1 und Art. 33 RPG [SR 700]) geltend, begründen diese Rügen aber nicht in rechtsgenüglicher Weise (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG); ein Zusammenhang zum Nichteintretensentscheid der Vorinstanz ist jedenfalls nicht ersichtlich. 
 
4.  
Wenn auf die Beschwerde einzutreten wäre, müsste diese abgewiesen werden, denn der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden: 
 
4.1. Nach allgemeinen prozessrechtlichen Regeln können Rechtsbegehren im Laufe des Instanzenzugs zwar fallen gelassen oder eingeschränkt, sonst aber nicht geändert werden. Namentlich sind neue Begehren nicht zulässig (vgl. für das bundesgerichtliche Verfahren Art. 99 Abs. 2 BGG; vgl. Urteil 1C_283/2019 vom 24. Juli 2020 E. 3.7). Ansonsten müsste sich eine Rechtsmittelinstanz erstmalig mit Fragen beschäftigen, was dem Zweck des Instanzenzugs an sich widersprechen würde. Die Beschwerdeführenden behaupten nicht, das vor der Vorinstanz anwendbare Zürcher Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 24. Mai 1959 (VRG; LS 175.2) kenne diesbezüglich abweichende Vorschriften. Dies trifft im Übrigen auch nicht zu (vgl. MARTIN BERTSCHI in: Alain Griffel (Hrsg.), Kommentar VRG, Vorbemerkungen zu §§ 19- 28a).  
 
4.2. Die Vorinstanz hat festgehalten, die Beschwerdeführenden würden neu die Frage stellen, an welchem Standort eine (neue) Hecke gartendenkmalrechtlich zulässig wäre; damit hätten sie den Streitgegenstand in unzulässiger Weise verändert. Vor dem BRG hätten sie noch die Genehmigung des damaligen Standorts der (inzwischen entfernten) Hecke beantragt. Das vor Verwaltungsgericht formulierte Rechtsbegehren gehe über den so definierten Streitgegenstand hinaus; dieser werde unzulässig verändert. Deshalb sei auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
Die Beschwerdeführenden bestreiten letztlich nicht, dass sie ihre Rechtsbegehren vor dem Verwaltungsgericht angepasst haben; ein Festhalten an den bisherigen Anträgen wäre angesichts der zwischenzeitlichen Entfernung der Hecke auch sinnlos gewesen. Wie oben erwähnt, ist es aber grundsätzlich nicht zulässig, die Begehren im Laufe des Instanzenzugs zu ändern. Die Beschwerdeführenden behaupten nicht, vorliegend sei eine Ausnahme gegeben. Es ist denn auch nicht ersichtlich, weshalb sie (aufgrund der von der Zivilgerichtsbarkeit angeordneten Entfernung der bisherigen Hainbuchenhecke) neu auftretende Fragen betreffend eine künftige Neupflanzung einer Hecke nicht den erstinstanzlich entscheidenden Verwaltungsbehörden vorlegen könnten. Somit ist es bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf das bei ihr anhängige Rechtsmittel nicht eingetreten ist. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich damit als unbegründet, sofern darauf überhaupt einzutreten ist. 
 
5.  
Bei diesem Verfahrensausgang tragen die Beschwerdeführenden die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haben der Beschwerdegegnerschaft eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren werden den Beschwerdeführenden auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführenden haben der Beschwerdegegnerschaft für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von gesamthaft Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Stadt Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. November 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Hänni