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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_480/2020  
 
 
Urteil vom 25. Februar 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Weber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Alexander R. Lecki, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Gewerbsmässige Ausübung des Zahnarztberufs ohne Berufsausübungsbewilligung; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 4. März 2020 (SU190026-O/U/ad). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Statthalteramt des Bezirks Zürich bestrafte A.________ mit Strafbefehl vom 17. Januar 2019 wegen gewerbsmässiger Ausübung des Zahnarztberufs ohne Berufsausübungsbewilligung gemäss kantonalem Gesundheitsgesetz sowie mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes mit einer Busse von Fr. 5'000.-- und verpflichtete ihn zur Bezahlung einer Ersatzforderung an den Staat in Höhe von Fr. 66'000.--. 
 
B.   
Auf Einsprache von A.________ hin hielt das Statthalteramt am Strafbefehl fest und überwies die Akten an das Bezirksgericht Zürich. 
Das Bezirksgericht bestätigte am 15. Mai 2019 die beiden Schuldsprüche. Betreffend die Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes sah das Bezirksgericht von einer Bestrafung ab und verwarnte A.________ stattdessen. In Bezug auf den Verstoss gegen das kantonale Gesundheitsgesetz bestrafte es ihn mit einer Busse von Fr. 10'000.--. Ausserdem verpflichtetes es A.________ zur Leistung einer Ersatzforderung von Fr. 70'000.--. 
Die dagegen erhobene Berufung von A.________ hiess das Obergericht des Kantons Zürich am 4. März 2020 insoweit gut, als es ihn zur Leistung einer Ersatzforderung von Fr. 40'000.-- verpflichtete. Im Übrigen bestätigte es den bezirksgerichtlichen Entscheid, soweit dieser nicht schon in Rechtskraft erwachsen war. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei teilweise aufzuheben und er sei vom Vorwurf der gewerbsmässigen Ausübung des Zahnarztberufes ohne Berufsausübungsbewilligung freizusprechen. Auf die Bestrafung und die Verpflichtung zur Leistung einer Ersatzforderung sei zu verzichten. Eventualiter sei das Urteil teilweise aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Anklagegrundsatzes geltend. Das Statthalteramt und die Vorinstanzen hätten es unterlassen, rechtsgenügend zu fixieren, welche Tätigkeiten er selbstständig oder unselbstständig ausgeübt habe. Es bleibe unklar, welcher Sachverhalt ihm vorgeworfen werde.  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt, auch wenn im Strafbefehl vom 17. Januar 2019 u.a. erwähnt werde, der Beschwerdeführer habe während der Dauer der angeklagten Zahnarzttätigkeit über keine Assistenzbewilligung für die Zahnarztpraxis "B.________" und die Zahnarztpraxis C.________ verfügt, so werde ihm gemäss eindeutigem Wortlaut des Strafbefehls ausschliesslich das Erbringen von zahnärztlichen Leistungen und deren Abrechnung im eigenen Namen und damit die unbewilligte selbstständige Ausübung des Zahnarztberufes als strafbares Verhalten zur Last gelegt (vgl. angefochtenes Urteil, E. II. 3.3.1 S. 8). Dass das Statthalteramt lediglich die selbstständige Zahnarzttätigkeit des Beschwerdeführers als strafwürdig angesehen habe, ergebe sich auch vor dem Hintergrund der von ihr beantragten Bestrafung nach § 61 Abs. 1 lit. a des kantonalen Gesundheitsgesetzes (vgl. angefochtenes Urteil, E. II. 3.3.2 S. 8 f.).  
 
1.3. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion). Entscheidend ist, dass die beschuldigte Person genau weiss, welcher konkreter Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann. Solange klar ist, welcher Sachverhalt der beschuldigten Person vorgeworfen wird, kann auch eine fehlerhafte und unpräzise Anklage nicht dazu führen, dass es zu keinem Schuldspruch kommen darf. Die nähere Begründung der Anklage erfolgt an Schranken; es ist Sache des Gerichts, den Sachverhalt verbindlich festzustellen. Dieses ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden (Art. 350 Abs. 1 StPO; BGE 143 IV 63 E. 2.2; Urteil 6B_332/2019 vom 29. Oktober 2019 E. 1.1; je mit Hinweisen).  
 
1.4. Das Statthalteramt wirft dem Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 17. Januar 2019 mitunter vor, es sei ihm trotz mehrerer Gesuche nie eine Bewilligung zur selbstständigen Berufsausübung als Zahnarzt erteilt worden. Obschon er gewusst habe, dass ihm eine solche nicht erteilt worden sei und er lediglich über eine Assistenzbewilligung als Assistenz-Zahnarzt am Standort der D.________ AG an der U.________-strasse in V.________ verfügt habe, habe er zwischen Oktober 2014 und Februar 2017 wissentlich und willentlich ohne die erforderliche Berufsausübungsbewilligung (weder eine selbstständige Berufsausübungsbewilligung noch eine Assistenzbewilligung) als Zahnarzt in der Zahnarztpraxis "B.________" und Zahnarztpraxis C.________ praktiziert. Er habe die erbrachten zahnärztliche Leistungen, insgesamt 4000 Positionen des Zahnarzttarifs, im eigenen Namen abgerechnet. Als Strafbestimmung bezeichnet der Strafbefehl § 61 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Zürich. Mit Blick auf diesen zur Anklage erhobenen Strafbefehl überzeugt die hiervor wiedergegebene Auffassung der Vorinstanz (vgl. E. 1.2). Ernsthafte Zweifel am Wissen des Beschwerdeführers, dass ihm eine selbstständige zahnärztliche Tätigkeit ohne Bewilligung vorgeworfen wurde und er sich hinreichend auf seine Verteidigung vorbereiten konnte, sind ausgeschlossen. Daran ändert im Übrigen auch ein allenfalls anderslautender, aber nicht an ihn gerichteter Strafbefehl von Vornherein nichts (vgl. die entsprechenden Vorbringen des Beschwerdeführers in E. 2.1 hiernach). Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes ist nicht ersichtlich.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt weiter eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts und Verletzungen des In-dubio Grundsatzes sowie des Untersuchungsgrundsatzes. Dies ergebe sich aus zwei unterschiedlichen Strafbefehlen. Laut dem Strafbefehl vom 17. Januar 2019, der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegt, werfe ihm das Statthalteramt eine unbewilligte selbstständige Tätigkeit vor. In einem anderen Strafbefehl werfe es seiner Schwester und Arbeitgeberin hingegen seine unbewilligte unselbstständige Beschäftigung vor. Die Vorinstanz habe willkürlich festgehalten, es könne offen gelassen werden, ob und in welchem Umfang er Arbeiten für seine Schwester ausgeübt habe. Denn in dem Umfang, in welchem er für Letztere tätig gewesen sei, sei er offensichtlich nicht auch selbstständig tätig gewesen.  
 
2.2. Die Vorinstanz erwägt, die erste Instanz habe nachvollziehbar aufgezeigt, dass die vom Beschwerdeführer im anklagegegenständlichen Zeitraum in der Zahnarztpraxis "B.________" und der Zahnarztpraxis C.________ ausgeübte Zahnarzttätigkeit fachlich eigenverantwortlich und in eigenem Namen sowie auf eigene Rechnung erfolgt sei, weshalb sie anklagegemäss als bewilligungspflichtige selbstständige Zahnarzttätigkeit zu gelten habe. Zudem habe die erste Instanz schlüssig dargelegt, weshalb der Beschwerdeführer um seine fehlende Berufsausübungsbewilligung für die Zahnarztpraxis "B.________" und die Zahnarztpraxis C.________ gewusst haben müsse. Die erstinstanzliche Sachverhaltserstellung erweise sich weder als offensichtlich unrichtig, noch seien irgendwelche Fehler oder Widersprüche der Beweiswürdigung erkennbar, aufgrund welcher ihr Entscheid als schlechthin unhaltbar zu qualifizieren wäre. Folglich sei die erste Instanz nicht in Willkür verfallen, wenn sie den dem Beschwerdeführer im Strafbefehl vom 17. Januar 2019 zur Last gelegten Anklagesachverhalt als erstellt angesehen habe (angefochtenes Urteil, E. III. 4. S. 12).  
Die Argumentation des Beschwerdeführers mit dem Strafbefehl betreffend dessen Schwester gehe fehl. So schliesse die Feststellung, er sei im anklagegegenständlichen Zeitraum als selbstständiger Zahnarzt tätig gewesen, nicht aus, dass er im gleichen Zeitraum in denselben Praxen auch als unselbstständiger Zahnarzt für seine Schwester tätig gewesen sei. Ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer im relevanten Zeitraum auch unselbstständige Zahnarzttätigkeiten ausgeübt habe, könne offen gelassen werden, da dies nicht Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens bilde (angefochtenes Urteil, E. III. 5. S. 13). 
 
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist eine Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 143 IV 500 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 145 IV 154 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 141 IV 305 E. 1.2 mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Demnach ist anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert aufzuzeigen, inwiefern die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung willkürlich sein soll (BGE 141 IV 369 E. 6.3). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 145 IV 154 E. 1.1 S. 156; 143 IV 500 E. 1.1; 143 IV 347 E. 4.4; je mit Hinweisen).  
Bilden wie hier ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens (vgl. Art. 103 StGB, Art. 19a Ziff. 1 BetmG und § 61 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Zürich), prüft das Berufungsgericht den von der ersten Instanz festgestellten Sachverhalt nur auf Willkür (vgl. Art. 398 Abs. 4 StPO). In diesem Fall prüft das Bundesgericht frei, ob die Vorinstanz auf eine gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachte Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung hin zu Unrecht Willkür verneint und diese Verfassungsverletzung nicht behoben hat. Die Rüge, die Vorinstanz habe Willkür zu Unrecht verneint, muss sich deshalb auch mit den Erwägungen der ersten Instanz auseinandersetzen. Das Bundesgericht nimmt keine eigene Beweiswürdigung vor (BGE 125 I 492 E. 1a/cc; Urteil 6B_250/2020 vom 24. Juli 2020 E. 3.2; je mit Hinweisen). 
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1-2.2.3.3 S. 348 ff.; 143 IV 500 E. 1.1 S. 503 mit Hinweis). 
 
2.4. Der Beschwerdeführer macht zwar Willkür in der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung geltend. Er unterlässt es jedoch, sich mit den Erwägungen der ersten Instanz auseinanderzusetzen und legt somit nicht dar, inwiefern bereits diese willkürlich gewesen sein sollen. Im Übrigen belegt er mit seinem Hinweis auf einen nicht an ihn gerichteten Strafbefehl keinen offensichtlichen Widerspruch in der vorinstanzlichen Feststellung des ihm vorgeworfenen strafbaren Verhaltens als selbstständig und ohne Bewilligung tätigen Zahnarzt. Inwiefern der Umfang einer allenfalls zusätzlichen, unselbstständigen Tätigkeit, den die Vorinstanz explizit offen lässt, geradezu augenfällig entscheidwesentlich sein soll resp. die Vorinstanz in unhaltbarer Weise nicht geprüft haben soll, begründet der Beschwerdeführer nicht. Soweit auf seine Beschwerde in diesem Punkt überhaupt eingetreten werden kann, gelingt es ihm insgesamt jedenfalls nicht, aufzuzeigen, dass die Vorinstanz zu Unrecht Willkür in der erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung verneint hat.  
Auch betreffend die geltend gemachte Verletzung des In-dubio Grundsatzes als Beweiswürdigungsregel ist der Beschwerdeführer nicht zu hören, da dieser Grundsatz nebst der Willkürrüge vorliegend keine Anwendung finden kann. Inwiefern der zusätzlich gerügten Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes eine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zukommen könnte, begründet der Beschwerdeführer ebenso wenig. 
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. Februar 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Weber