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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_964/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 25. April 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. X.________, 
2. Y.________, 
Beschwerdeführerinnen, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (ungetreue Amtsführung usw.), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 4. August 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Im Jahre 2011 ersuchte A.________ als Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Grundstücks den Regierungsstatthalter um Abparzellierung und Nichtunterstellung unter das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11). Als Begründung gab sie an, sie wolle den abparzellierten Teil an ihre Schwestern X.________ und Y.________ verkaufen. Mit Feststellungsverfügung vom 18. August 2011 und Entscheid vom 11. Oktober 2012 bewilligten der Regierungsstatthalter resp. sein Stellvertreter das Gesuch. In der Folge verkaufte die Eigentümerin das abparzellierte Grundstück an einen Dritten. 
 
B.   
Am 12. März 2015 erstatteten X.________ und Y.________ Strafanzeige wegen Amtspflichtverletzung, Betrugs, Urkundenfälschung, ungetreuer Amtsführung und Verletzung kantonaler Berufspflichten gegen die beurkundende Notarin und den für die Parzellierung zuständigen Nachführungsgeometer. Diese sollen trotz Kenntnis des Entscheids des Regierungsstatthalters durch Amts- und Berufsgeheimnis verletzende Handlungen eine Erwerbsbewilligung zu Gunsten von Y.________ und X.________ missachtet haben. Am 29. Dezember 2015 erstatteten diese ausserdem Strafanzeige gegen drei weitere Personen, darunter den Grundstückserwerber, wegen Vermögensdelikten bzw. Anstiftung dazu. Dem Regierungsstatthalter werfen sie Amtspflichtverletzung vor. 
Am 4. Mai 2016 nahm die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen alle Beanzeigten nicht an die Hand. Die dagegen erhobene Beschwerde von X.________ und Y.________ hiess das Obergericht des Kantons Bern am 4. August 2016 insoweit gut, als es eine Verletzung von deren rechtlichem Gehör feststellte. Im Übrigen wies es die Beschwerde ebenso ab, wie ein Ausstandsgesuch gegen den verfahrensleitenden Staatsanwalt. 
 
C.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragen Y.________ und X.________ sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Durchführung einer Strafuntersuchung. Sie ersuchen um eine öffentliche Verhandlung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beschwerde zuerkannt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Dies verlangt grundsätzlich, dass sie bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Bei Nichtanhandnahme des Strafverfahrens wird auf dieses Erfordernis verzichtet. Die Privatklägerschaft muss im Verfahren vor Bundesgericht aber darlegen, weshalb sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann, sofern dies etwa aufgrund der Natur der untersuchten Straftat nicht ohne Weiteres aus den Akten ersichtlich ist (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1 S. 247 f., 219 E. 2.4 S. 222 f.; je mit Hinweisen). Das Bundesgericht stellt an die Begründung strenge Anforderungen. Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f.; Urteil 6B_827/2014 vom 1. Februar 2016 E. 1.1; nicht publ. in BGE 142 IV 82; je mit Hinweisen).  
Als Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG gelten solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. In erster Linie handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR. Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche, welche sich aus öffentlichem Recht ergeben. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 131 I 455 E. 1.2.4; 128 IV 188 E. 2.2; Urteil 6B_1028/2016 vom 10. Februar 2017 E. 1.2; je mit Hinweisen). 
 
1.2. Die Beschwerdeführerinnen haben sich im Strafverfahren sinngemäss als Privatklägerinnen konstituiert. Dies genügt für ihre Legitimation jedoch nicht. Sie zeigen nicht auf, wie sich der angefochtene Entscheid auf welche Zivilforderungen auswirken kann (oben E. 1.1).  
 
1.2.1. Allfällige Schadenersatzansprüche aus rechtswidrigem Verhalten des Regierungsstatthalters oder dessen Stellvertreters sowie allenfalls des Grundbuchamtes würden sich nach kantonalem Haftungsrecht richten (vgl. Art. 100 des Bernischen Personalgesetzes vom 16. September 2004 [PG; BSG 153.01]). Die Ansprüche sind öffentlich-rechtlicher Natur und stellen keine Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG dar, sodass die Beschwerde insoweit unzulässig ist (oben E. 1.1). Soweit der Nachführungsgeometer allenfalls privatrechtlich haftet, bestehen mögliche Schadenersatzansprüche auch ihm gegenüber höchstens von Seiten der Grundeigentümerin, nicht aber von Seiten der am Parzellierungs- und Nichtunterstellungsverfahren nicht beteiligten Beschwerdeführerinnen. Gleiches gilt für die Notarin, wobei die Vorinstanz zutreffend ausführt, dass insoweit ohnehin ein Verfahrenshindernis besteht, welches von Amtes wegen zur Nichtanhandnahme führen muss. Gegen die Notarin wurde bereits ein Verfahren in derselben Angelegenheit rechtskräftig nicht anhand genommen, was eine neuerliche Strafuntersuchung grundsätzlich ausschliesst (vgl. Art. 11 Abs. 1 und 2, Art. 310 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 i.V.m. Art. 319 Abs. 1 lit. d und Art. 323 Abs. 1 StPO; BRIGITTE TAG, in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 11 StPO). Neue Beweismittel oder Tatsachen, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen würden, nennen die Beschwerdeführerinnen nicht.  
 
1.2.2. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerinnen von den beanzeigten Delikten nicht in eigenen Interessen betroffen sind. Geschütztes Rechtsgut der Amtspflichtverletzungen wie Amtsmissbrauch und ungetreue Amtsführung (Art. 312 und Art. 314 StGB) ist, soweit die Beanzeigten überhaupt Beamte sind, was jedenfalls auf die Notarin nicht zutrifft, das Vertrauen in die Integrität der Verwaltung bzw. die Rechtsstaatlichkeit des Gemeinwesens und dessen Vermögen. Private können von derlei Widerhandlungen nur indirekt betroffen sein (STEFAN HEIMGARTNER, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 4 zu Art. 312 StGB; MARCEL ALEXANDER NIGGLI, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 7 zu Art. 314 StGB). Auch Urkundendelikte schützen in erster Linie das besondere Vertrauen der Allgemeinheit in (öffentliche) Urkunden als Beweismittel im Rechtsverkehr. Zwar können daneben auch private Interessen unmittelbar verletzt werden, falls die Urkundenfälschung auf die Benachteiligung einer bestimmten Person abzielt (Urteil 6B_890/2014 vom 29. Januar 2015 E. 5.1 mit Hinweisen). Da jedoch im Zeitpunkt der Beurkundung sowohl der Parzellierung als auch des Kaufvertrages allein die Schwester der Beschwerdeführerinnen Eigentümerin des Grundstücks war, sind sie von den behaupteten Urkundendelikten nicht in eigenen Rechten betroffen. Dies gilt mangels Parteistellung im Parzellierungs- und Nichtunterstellungsverfahren sowie mangels Auftragsverhältnis zur Notarin ebenso für die den Beschuldigten oder einzelnen von ihnen vorgeworfenen Vermögensdelikte oder Anstiftung hierzu sowie für die nicht näher spezifizierte Verletzung kantonaler Berufspflichten, soweit diese überhaupt private Interessen schützen.  
Die Beschwerdeführerinnen sind auch nicht deswegen in eigenen Interessen betroffen, weil ursprünglich beabsichtigt gewesen sein mag, das Grundstück an sie zu verkaufen. Wie die Vorinstanz zutreffend begründet, stellen weder die Feststellungsverfügung des Regierungsstatthalters noch dessen Entscheid betreffend Abparzellierung und Nichtunterstellung des Grundstücks ihrer Schwester unter das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht eine Erwerbsbewilligung zugunsten der Beschwerdeführerinnen dar. Daraus ergeben sich auch kein von Amtes wegen zu beachtendes Vorkaufsrecht und keine Verkaufsbeschränkung. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerinnen in jenem Verfahren nicht Partei waren, ging es dabei einzig um die Frage der Bewilligungsfähigkeit resp. Zulässigkeit der Abparzellierung und Nichtunterstellung. Der spätere Erwerb war davon nicht betroffen. Ohnehin hätten die Beschwerdeführerinnen als Schwestern der Verkäuferin nach Art. 62 lit. b BGBB hierfür keiner Bewilligung bedurft. Auch ein gesetzliches Vorkaufsrecht als Pächter nach Art. 47 Abs. 2 BGBB oder als Verwandte nach Art. 42 Abs. 2 BGBB kommt nicht in Betracht. Die Beschwerdeführerinnen machen weder geltend, sie seien Pächter eines landwirtschaftlichen Gewerbes, noch wurde ein solches veräussert. Sie sind auch nicht Nachkommen der Verkäuferin. Ob ihnen ein vertragliches Vorkaufsrecht zustand, wobei ein öffentlich beurkundeter Vertrag jedenfalls nicht ins Recht gelegt wird, ist eine rein zivilrechtliche Frage, welche keine Strafbarkeit einer der beteiligten Personen begründen kann. 
Nach dem Gesagten sind die Beschwerdeführerinnen zur Erhebung materieller Rügen gegen den angefochtenen Beschluss nicht befugt, soweit ihre Beschwerde überhaupt zulässig ist. 
 
1.2.3. Soweit die Beschwerdeführerinnen zur Beschwerde legitimiert sind, genügt ihre Eingabe den gesetzlichen Anforderungen (Art. 42 Abs. 2 BGG) offensichtlich nicht, sodass auf ihre Rügen ebenfalls nicht einzutreten ist (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116 mit Hinweisen). Sie setzen sich in ihrer weitschweifigen Beschwerde mit den Erwägungen der Vorinstanz in keiner Weise auseinander und zeigen nicht auf, inwiefern der angefochtene Beschluss rechtsfehlerhaft oder verfassungswidrig sein soll, wobei für letzteres qualifizierte Rügeanforderungen gelten (Art. 106 Abs. 2 BGG). Eine Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren, des Gleichbehandlungsgebots, der Glaubens- und Gewissensfreiheit, des Rechts auf ein unparteiisches Gericht sowie des Willkürverbots im Strafverfahren sind nicht ersichtlich. Allfällige Fehler im verwaltungsrechtlichen Verfahren wären in jenem zu rügen gewesen.  
Mit ihrer Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Verweigerung von Beweisabnahmen verkennen die Beschwerdeführerinnen, dass sich die Vorinstanz auch hierzu geäussert hat. Sie erwägt, die zur Edition beantragten Akten des Regierungsstatthalters seien bereits eingeholt und die Beschwerdeführerinnen hierüber informiert worden. Diese legen weder dar, inwiefern die edierten Akten unvollständig sein sollen, noch was sie aus einer Edition, insbesondere des der Verfügung des Regierungsstatthalters zugrunde liegenden Gesuchs der Notarin, ableiten wollen. Auch mit der vorinstanzlichen Feststellung, wonach die Befragung der Beschuldigten nichts daran ändern würde, dass die Verfügung des Regierungsstatthalters keine Erwerbsbewilligung zu ihren Gunsten begründe, setzen sie sich nicht auseinander. Die Vorinstanz verletzt ihr rechtliches Gehör nicht, wenn sie auf die beantragten Beweisabnahmen verzichtet. Zur Rüge der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 6 StPO), resp. zum Einwand, das Verfahren sei zu Unrecht nicht an die Hand genommen worden, sind die Beschwerdeführerinnen mangels Legitimation in der Sache nicht befugt (oben E. 1.1). Gleiches gilt, soweit sie allgemein staatliches Handeln als willkürlich, parteiisch oder unfair sowie gesetzliche - nicht verpasste - Fristen als zu kurz rügen. Die beantragte Überweisung der Sache an die Bundesanwaltschaft mit Rechtsweg an das Bundesstrafgericht sowie die Aktenedition durch die Bundespolizei sind im Übrigen gesetzlich nicht vorgesehen und verbieten sich ohnehin. Auch darauf weist die Vorinstanz zutreffend hin. 
 
1.3. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Der Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung ist abzuweisen. Das Bundesgericht entscheidet unter Vorbehalt von - hier nicht gegebenen - Ausnahmen auf dem Weg der Aktenzirkulation (Art. 58 BGG). Bei diesem Ausgang haben die Beschwerdeführerinnen die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen solidarisch auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. April 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt