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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_351/2008 /hum 
 
Urteil vom 25. Juni 2008 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, Mathys, 
Gerichtsschreiber Boog. 
 
Parteien 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, 6002 Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
X.________, 
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hess, 
 
Gegenstand 
Betrug (Art. 146 Abs. 1 StGB), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 23. Oktober 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern erklärte X.________ mit Urteil vom 9. Juni 2006 des Betruges, des vollendeten Betrugsversuches, der Urkundenfälschung sowie der Anstiftung zur Urkundenfälschung schuldig und verurteilte ihn zu 3 Monaten Gefängnis, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 10'000.--. 
Auf Appellation des Verurteilten hin sprach das Obergericht des Kantons Luzern X.________ mit Urteil vom 23. Oktober 2007 von der Anklage des Betruges, des vollendeten Betrugsversuches, der Urkundenfälschung sowie der Anstiftung zur Urkundenfälschung frei. 
 
B. 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt Beschwerde an das Bundesgericht, mit der sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung der Sache wegen Betruges nach Art. 146 Abs. 1 StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
C. 
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde richtet sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz (Art. 80 Abs. 1 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG). Sie ist von der Staatsanwaltschaft (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG) unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) erhoben und hinreichend begründet worden. 
 
Die Beschwerde an das Bundesgericht kann wegen Rechtsverletzungen im Sinne der Art. 95 und 96 BGG geführt werden. Wer zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert ist, kann grundsätzlich jede Rechtsverletzung geltend machen, die bei der Anwendung von materiellem Strafrecht oder Strafprozessrecht erfolgt, mithin auch eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht als Teil des Bundesrechts. Die Staatsanwaltschaft ist nach dem neuen Verfahrensrecht somit auch zur Rüge der Verletzung von Bundesverfassungsrecht befugt und kann gestützt auf den objektiv-rechtlichen Gehalt von Art. 9 BV oder anderen Grundrechtsnormen nunmehr geltend machen, die Vorinstanz habe deren Tragweite zu Gunsten oder zu Ungunsten der privaten Prozesspartei verkannt (BGE 134 IV 36 E. 1.4). 
 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV (BGE 133 II 249 E. 1.2.2), ist oder wenn sie auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet worden ist. 
 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde vorgetragene Begründung der Rechtsbegehren noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es darf indessen nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
2.1 Die Beschwerde richtet sich gegen den Freispruch des Beschwerdegegners von der Anklage des Betruges im sogenannten "Badewannen-Schadensfall". Die weiteren Freisprüche werden von der Beschwerdeführerin nicht angefochten. 
 
Dem Beschwerdegegner wird in diesem Anklagepunkt zur Last gelegt, er habe im Jahre 2002 der V.________ Versicherungen als deren damaliger Verkaufschef bei der Generalagentur G.________, Luzern, gemeinsam mit Y.________, der Kunde der Generalagentur und mit dem Beschwerdegegner seit Jahren kollegial verbunden war, einen fiktiven Schaden an einer Badewanne gemeldet. Das Schadenformular sei vom Beschwerdegegner ausgefüllt worden. Der Kunde habe daraufhin Rechnungen beim Sanitär-Techniker S.________ und beim Plattenleger P.________ für in Wahrheit nicht ausgeführte Arbeiten besorgt. Da diese zwei Rechnungen nicht den gewünschten Schadensbetrag erreicht hätten, habe der Beschwerdegegner selber noch bei M.________ eine quittierte Rechnung für einen nicht ausgeführten Malerauftrag eingeholt. Die V.________ Versicherungen hätten dem Kunden in der Folge eine Pauschalentschädigung von Fr. 4'000.- ausbezahlt (angefochtenes Urteil S. 4; erstinstanzliches Urteil S. 3 f., 7 f.). 
2.2 
2.2.1 Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdegegner habe stets ausgesagt, er sei von Y.________ im Oktober 2001 über einen seiner Meinung nach echten Schaden informiert worden. Als er im Januar 2002 den Schaden habe aufnehmen wollen, habe er festgestellt, dass dieser bereits repariert worden sei. Er habe den Schaden somit nie gesehen und daher von einer Schadensvortäuschung nichts wissen können. In Überschreitung seiner versicherungsinternen Kompetenzen habe er den Schaden dennoch der Versicherung angemeldet. Er habe Y.________ mitgeteilt, dass er zur Schadensanmeldung die Rechnungen für die ausgeführten Reparaturarbeiten benötige. Er habe dann das Schadenformular ausgefüllt, was bei guten Kunden Usanz sei, und habe dieses Y.________ zur Unterzeichnung überlassen, damit dieser es mit den Rechnungen direkt bei der Versicherung einreichen könne. 
 
Demgegenüber habe der als Auskunftsperson befragte Kunde Y.________ zunächst bei der Versicherung eingeräumt, dass es den angemeldeten Schaden nie gegeben habe. Er sei der Initiator der ganzen Sache gewesen. Der Beschwerdegegner habe damit nichts zu tun gehabt und sei darüber auch im Ungewissen gewesen. In einer späteren Einvernahme habe er hingegen ausgeführt, der Beschwerdegegner habe vorgeschlagen, der Versicherung einen fiktiven Schadensfall zu melden. 
 
Der ebenfalls als Auskunftsperson befragte M.________, bei welchem die fiktive Rechnung für angebliche Malerarbeiten eingeholt worden sei, habe sehr wechselhaft ausgesagt. Er habe seine Aussagen im Laufe des Verfahrens komplett geändert. Die Aussagen der Zeugen P.________ und S.________, welche die fiktiven Rechnungen für Sanitär- und Plattenlegerarbeiten geliefert hätten, seien nur von geringem Beweiswert, da sie nur Zeugen vom Hörensagen seien und ihre Informationen allesamt von Y.________ erhalten hätten, der als Angeschuldigter selber in die Sache involviert gewesen sei. 
 
Insgesamt gelangt die Vorinstanz in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" zum Schluss, der Anklagesachverhalt sei nicht nachgewiesen. Dem Beschwerdegegner fehle jedes ernsthafte Motiv für die ihm vorgeworfene Tat, während die übrigen Beteiligten ein Interesse daran gehabt hätten, zumindest ihre Schuld zu relativieren, indem sie die Tatinitiative auf den Beschwerdegegner abwälzten. Alle Beteiligten hätten sich untereinander gekannt. Gerade wegen dieser vielschichtigen und undurchsichtigen Beziehungen liessen sich deren Tatbeiträge im Einzelnen nicht feststellen. Zumindest ergebe sich aufgrund der vorliegenden Zeugenaussagen kein klares Bild (angefochtenes Urteil S. 5 ff.). 
2.2.2 Anders als die Vorinstanz war das erstinstanzliche Kriminalgericht zum Schluss gelangt, der Anklagesachverhalt sei erstellt. Es hatte erwogen, der Umstand, dass Y.________ und M.________ zunächst lange versucht hätten, den Beschwerdegegner zu decken, spreche nicht gegen die Glaubwürdigkeit ihrer belastenden Aussagen, an denen sie auch im Konfrontationsverhör festgehalten hätten. Es sei nachvollziehbar, dass sie im Verlauf der Untersuchung die Unhaltbarkeit ihrer zuerst eingenommenen Positionen erkannt hätten. Es seien auch keine Gründe ersichtlich, weshalb sie den Beschwerdegegner fälschlicherweise hätten belasten sollen (erstinstanzliches Urteil S. 6 f.). 
 
2.3 Die Beschwerdeführerin macht Willkür geltend. Die Vorinstanz halte die Aussagen des Beschwerdegegners für glaubwürdiger als die ihn belastenden Aussagen der Auskunftspersonen Y.________ und M.________. Diese Wertung verletzte den Grundsatz "in dubio pro reo". Mit Ausnahme von P.________ seien alle Beteiligten beruflich und gesellschaftlich miteinander verbunden gewesen. Alle drei Handwerker seien zudem Versicherungskunden des Beschwerdegegners gewesen. Die guten kollegialen und geschäftlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten seien in keiner Weise vielschichtig und undurchsichtig gewesen. Sie hätten vielmehr gerade die Basis für das dem Beschwerdegegner vorgeworfene strafbare Verhalten gebildet. Es treffe auch nicht zu, dass dem Beschwerdegegner jedes ernsthafte Motiv für die Tat gefehlt habe. Berücksichtige man die private und berufliche Verbundenheit der Beteiligten, ergebe sich als Motiv ohne weiteres eine kollegiale Hilfeleistung und das Bestreben, gute Kollegen nicht als Kunden zu verlieren oder zu verstimmen. Das den übrigen Tatbeteiligten von der Vorinstanz zugeschriebene Motiv finde in deren Aussageverhalten in keiner Weise eine Bestätigung. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb Y.________ und M.________, die ihre strafrechtliche Verantwortung akzeptiert hätten, den angeblich unschuldigen Beschwerdegegner hätten belasten sollen. Schliesslich habe die Vorinstanz auch zu Unrecht die Aussage des Zeugen S.________ als unerheblich gewertet. Dieser habe entgegen der Auffassung der Vorinstanz in der Einvernahme auch eigene direkte Wahrnehmungen zu Protokoll gegeben (Beschwerde S. 2 f.). 
 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Der aus Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK abgeleitete Grundsatz "in dubio pro reo" bedeutet als Beweiswürdigungsregel, dass sich der Strafrichter nicht von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Die Maxime ist auch verletzt, wenn der Richter zu Unrecht Zweifel zugunsten des Angeklagten annimmt. Ob der Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel verletzt ist, prüft das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür (BGE 127 I 38 E. 2a; 120 Ia 31 E. 2c). Willkür liegt nur vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 131 I 467 E. 3.1; 129 I 8 E. 2.1 und 173 E. 3.1). 
 
3.2 Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sie sich nicht in einer blossen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil erschöpft, die auch unter der Geltung des neuen Verfahrensrechts für die Begründung einer willkürlichen Feststellung des Sachverhalts nicht genügt. Die Beschwerdeführerin beschränkt sich weitgehend darauf, ihre eigene Sichtweise des Sachverhalts darzulegen. Dies ist jedoch nicht geeignet, eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel darzutun. So ergibt sich aus den guten, kollegialen und geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Beschwerdegegner und den übrigen Beteiligten nicht zwingend, dass der Beschwerdegegner um den Versicherungsbetrug gewusst hat und gar dessen Initiator gewesen ist. Jedenfalls ist der gegenteilige Schluss der Vorinstanz nicht schlechterdings unhaltbar. Es mag zutreffen, dass sich für die Darstellung des Sachverhalts, wie sie die Beschwerdeführerin darlegt, ebenfalls gute Gründe anführen lassen. Doch genügt für die Begründung von Willkür praxisgemäss nicht, dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (BGE 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen). Unbegründet ist die Beschwerde zuletzt auch, soweit die Beschwerdeführerin die Würdigung der Aussagen des Sanitär-Technikers S.________ beanstandet. Die Vorinstanz hat den Beweiswert dieser Zeugenaussage mit sachlichen Gründen als gering eingestuft, weil seine Angaben zur Sache im Wesentlichen nicht auf direkten Wahrnehmungen, sondern auf Äusserungen Dritter ihm gegenüber beruhen. An dieser Einschätzung ändert auch nichts, dass der Zeuge eine Bemerkung des Beschwerdegegners direkt wahrgenommen hat, zumal er nicht mehr angeben konnte, bei welcher Gelegenheit diese Worte gesagt worden seien (erstinstanzliches Urteil S. 8; Untersuchungsakten act. A3 Dep. 35-36). 
 
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. 
 
4. 
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 25. Juni 2008 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Schneider Boog