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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_9/2010 
 
Urteil vom 25. Juni 2010 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Hurni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Heer. 
 
Gegenstand 
Erstreckung des Mietverhältnisses, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 5. November 2009 des Obergerichts des Kantons Thurgau. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Im Mai 2004 vermietete Y.________ (Beschwerdegegner) der X.________ AG (Beschwerdeführerin) auf einem Teil des Areals der ehemaligen Sägerei Bauer in Salmsach Werkplatz-, Abstell- und Verkehrsflächen für das Abstellen und Nutzen von Betriebsinventar, Fahrhabe, Sattelaufliegern, Bürocontainern und anderem Inventar. Der Vertrag wurde auf eine feste Vertragsdauer von fünf Jahren bis Ende Juni 2009 abgeschlossen, wobei sich das Mietverhältnis ohne Kündigung stillschweigend um jeweils ein Jahr verlängern sollte. Am 30. Juli 2008 kündigte der Beschwerdegegner den Mietvertrag auf Ende Juni 2009. 
 
B. 
B.a Auf Anfechtung der Kündigung durch die Beschwerdeführerin hin stellte die Schlichtungsbehörde für Mietsachen der Gemeinde Salmsach am 17. September 2008 fest, dass die Kündigung nicht wie vorgeschrieben auf dem amtlichen Formular erfolgt und daher nichtig sei. In der Folge kündigte der Beschwerdegegner den Mietvertrag am 22. September 2008 unter Verwendung des vom Kanton Thurgau zur Verfügung gestellten Formulars. 
Die Beschwerdeführerin focht auch diese Kündigung bei der Schlichtungsbehörde an; eventualiter verlangte sie eine Erstreckung des Mietverhältnisses bis am 30. Juni 2015. Mit Entscheid vom 16. Dezember 2008 befand die Schlichtungsbehörde die Kündigung für gültig und erstreckte das Mietverhältnis um ein Jahr bis Ende Juni 2010. 
B.b Dagegen gelangte der Beschwerdegegner an den Einzelrichter des Bezirksgerichts Arbon und verlangte, es sei von einer Mieterstreckung abzusehen; allenfalls sei diese auf sechs Monate zu beschränken. Mit Urteil vom 15. April 2009 stellte der Einzelrichter fest, dass die Kündigung vom 22. September 2008 per 30. Juni 2009 gültig ist, und verweigerte der Beschwerdeführerin eine Erstreckung des Mietverhältnisses. 
B.c Das Obergericht des Kantons Thurgau wies die von der Beschwerdeführerin gegen den Entscheid des Einzelrichters eingelegte Berufung mit Urteil vom 5. November 2009 ab. 
Wie bereits der erstinstanzliche Richter gelangte das Obergericht zum Schluss, dass es sich beim Mietobjekt weder um einen Wohn- noch um einen Geschäftsraum handle, womit die Vorschriften über die Erstreckung des Mietverhältnisses gemäss Art. 272 ff. OR nicht auf den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag anwendbar seien. Das sich auf dem gemieteten Areal befindende Gebäude Nr. 248 könne zwar grundsätzlich als Geschäftsraum gelten. Denn auch wenn es auf einer Seite offen sei und insofern einen atypischen Raum darstelle, so könnten sich in seinem Inneren durchaus Personen zur Ausübung einer Geschäftstätigkeit aufhalten, zumal das Gebäude auf der offenen Seite wenigstens teilweise mittels eines Rolltors geschlossen werden könne. Ausschlaggebend sei jedoch, dass die Beschwerdeführerin gemäss dem Vertrag innerhalb der Baute ausdrücklich nur Flächen zum Abstellen von Sachen gemietet habe. Dass im Gebäude - und nicht nur in ausserhalb aufgestellten Containern - gearbeitet würde, mache die Beschwerdeführerin nicht geltend und scheine mit Blick auf die dort abgestellten Fahrzeuge auch gänzlich unwahrscheinlich. Damit sei die gegebene Situation mit der Miete eines Tiefgaragenplatzes vergleichbar, welcher gemäss BGE 110 II 51 nicht als Geschäftsraum gelte. 
 
C. 
Mit Eingabe vom 16. Dezember 2009 erhob die Beschwerdeführerin gegen dieses Urteil Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und der Beschwerdeführerin eine Erstreckung des Mietverhältnisses bis zum 30. Juni 2010 zu gewähren; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die gleichzeitig mit der Beschwerde gestellten Gesuche um Sistierung und Gewährung der aufschiebenden Wirkung sowie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bzw. um Befreiung von der Leistung eines Gerichtskostenvorschusses wurden mit Präsidialverfügung vom 8. Januar 2010 abgewiesen. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (BGE 135 III 1 E. 1.1). 
 
1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts in einer mietrechtlichen Angelegenheit. Die Vorinstanz hat den für das Verfahren vor Bundesgericht massgebenden Streitwert auf Fr. 5'800.-- beziffert. Die Beschwerdeführerin stellt diese Berechnung nicht in Frage und es besteht kein Grund, davon abzuweichen. Damit ist der in mietrechtlichen Fällen für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert von Fr. 15'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG) nicht erreicht. Die Beschwerde in Zivilsachen ist unter diesen Umständen dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). 
 
1.2 Der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist sehr restriktiv auszulegen (BGE 133 III 493 E. 1.1). Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 135 III 1 E S. 4, 397 E. 1.2 S. 399; 133 III 493 E. 1 S. 494 ff.; je mit Hinweisen). Die Voraussetzung von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist hingegen erfüllt, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen (BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4, 397 E. 1.2; 133 III 645 E. 2.4 S. 648 f.). Es ist erforderlich, dass die Frage von allgemeiner Tragweite ist (BGE 134 III 267 E. 1.2). Eine neue Rechtsfrage kann vom Bundesgericht sodann beurteilt werden, wenn dessen Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich, wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden (BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4). 
Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, ist in der Beschwerdeschrift auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG). 
 
1.3 Die Beschwerdeführerin bezeichnet das von der Vorinstanz nicht als Geschäftsraum qualifizierte Gebäude Nr. 248 als "Maschinenhalle" und ist der Auffassung, dass ein klarer bundesgerichtlicher Leitentscheid über die Qualifikation solcher "Maschinenhallen ... und andere(r) oft auch offene(r) oder teiloffene(r) Werkhallen, wie sie auf Tausenden von Bau-Werkhöfen und Industriearealen zu finden" seien, fehle. Deshalb stelle sich im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die im Interesse der Rechtssicherheit mit einem klaren Leitentscheid zu beantworten sei. 
 
1.4 In BGE 124 III 108 E. 2 hat sich das Bundesgericht ausführlich mit dem Begriff des Geschäftsraums auseinandergesetzt. Darunter ist jeder Raum zu verstehen, der dem Betrieb eines Gewerbes oder im weiteren Sinne der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dient (BGE 124 III 108 E. 2 S. 109 mit Hinweis auf BGE 118 II 40 E. 4; 113 II 406 E. 2 und 3). Diesen Grundsatz hat das Bundesgericht im genannten Entscheid sodann anhand von Beispielen erläutert und konkretisiert. Die im vorliegenden Fall aufgeworfene Rechtsfrage ist somit nicht neu; vielmehr geht es lediglich um eine Anwendung des in BGE 124 III 108 E. 2 entwickelten Grundsatzes auf einen konkreten Sachverhalt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich nicht. Daran würde auch nichts ändern, wenn die Vorinstanz den Grundsatz falsch angewendet und das umstrittene Objekt zu Unrecht nicht als Geschäftsraum qualifiziert haben sollte. 
 
1.5 Unter diesen Umständen ist die Eingabe der Beschwerdeführerin als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen. Damit kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Dabei hat die Beschwerdeschrift den qualifizierten Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG zu genügen (Art. 117 BGG), d.h. es muss klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids dargelegt werden, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 133 III 393 E. 6 S. 397 mit Hinweis). Ferner hat die Begründung in der Beschwerdeschrift selbst zu erfolgen; Verweise auf andere Rechtsschriften, insbesondere im kantonalen Verfahren eingereichte, sind unbeachtlich (vgl. BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399 f.; 131 III 384 E. 2.3 S. 387 f.; je mit Verweisen). 
 
1.6 Diese Grundsätze verkennt die Beschwerdeführerin, soweit sie ihre Beschwerde mit blossen Verweisen auf ihre Plädoyernotizen bzw. bei den Vorinstanzen eingereichte Stellungnahmen begründet. Ungenügend begründet ist die Beschwerde sodann auch insoweit, als die Beschwerdeführerin in pauschaler Weise Kritik am angefochtenen Entscheid übt, indem sie in der Art eines Auswahlkatalogs die "Entstellung des korrekten Sachverhalts, offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts, Verweigerung des rechtlichen Gehörs, Verletzung verfassungsmässiger Rechte, Verletzung unserer Verfahrensrechte auf Würdigung unserer Vorbringen" oder gar "Inkompetenz des Gerichts, mangelnder Sachverstand der Richter" und "verbotene Willkür" rügt. 
 
2. 
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz sinngemäss eine willkürliche Rechtsanwendung (Art. 9 BV) vor, indem sie das Gebäude Nr. 248 nicht als Geschäftsraum qualifiziert habe. Bei diesem Gebäude handle es sich um eine Maschinenhalle mit einer Raumhöhe von 6.6 Metern; es sei "abstrus", diese mit einer Tiefgarage zu vergleichen. 
 
2.1 Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f. mit Hinweisen). 
 
2.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG); neue Tatsachen und Beweismittel sind grundsätzlich unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG). Zulässig ist die Rüge, dass eine Tatsachenfeststellung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhe oder eine Tatsache offensichtlich unrichtig festgestellt worden sei (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich" gleichzusetzen ist (BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398 mit Hinweisen). 
 
2.3 Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wird das Mietobjekt im Mietvertrag als "Verkehrsfläche" sowie "Werkplatz- und Abstellfläche" bezeichnet, das dem "Abstellen und Nutzen von Betriebsinventar, Fahrhabe, Sattelaufliegern, Bürocontainern und anderem Inventar" dient. Vom Gebäude Nr. 248 sei im Mietvertrag nur ganz am Rande die Rede. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seien in diesem Gebäude ein PW-Anhänger, ein Bulldozer und zwei Zugmaschinen der Beschwerdeführerin untergebracht gewesen. Zwar behauptet die Beschwerdeführerin, sie habe entgegen den Feststellungen der Vorinstanz im kantonalen Verfahren vorgebracht, dass das Gebäude gemäss dem Mietvertrag nicht nur als Abstellplatz diene, sondern auch zur Durchführung von Reparatur-, Service-, Unterhalts- und Umbauarbeiten an Fahrzeugen. Die Belegstellen in den von ihr angeführten Dokumenten, namentlich die Rz. 4.022 des Mietvertrags, lassen indessen diesen Schluss nicht zu. Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht vor. 
Bei der Qualifikation des Mietobjekts liess sich die Vorinstanz von der Überlegung leiten, dass der Mietvertrag den Akzent auf die Nutzung von Flächen legt und dabei nicht ins Gewicht fällt, dass ein kleiner Teil des Mietareals überdacht ist. In BGE 110 II 51 E. 2 hat das Bundesgericht entschieden, dass Abstellplätze und separat vermietete Garagen nicht als Geschäftsräume zu qualifizieren seien. Wenn die Vorinstanz eine Analogie zu diesem Entscheid herstellt und das umstrittene Mietobjekt im Lichte der darin enthaltenen Erwägungen nicht als Geschäftsraum qualifiziert, ist dies jedenfalls nicht unhaltbar. Einer Willkürprüfung hält der angefochtene Entscheid stand und ist deshalb zu schützen. 
 
3. 
Die Beschwerde ist, soweit überhaupt auf sie einzutreten ist, offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren nach Art. 109 BGG, insbesondere ohne Durchführung eines Schriftenwechsels und mit summarischer Begründung, erledigt wird. 
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegende Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 25. Juni 2010 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Klett Hurni