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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_230/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 25. August 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Chaix, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Amr Abdelaziz, 
 
gegen  
 
1. B.________, 
Beschwerdegegnerin 1, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andrea Taormina, 
2. C.________, 
Beschwerdegegner 2, 
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Hampl, 
 
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, 
Hermann Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur. 
 
Gegenstand 
Beschlagnahme, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 3. Mai 2017 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
B.________ erstattete am 4. Februar 2015 Strafanzeige bzw. stellte bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl Strafantrag gegen ihren damaligen Ehemann C.________ wegen Erpressung, Veruntreuung etc. Sie wirft ihm im Wesentlichen vor, sie unter der Androhung der Publikation von vertraulichen Informationen gezwungen zu haben, im Juli 2012 eine Art Ehevertrag zu unterzeichnen. Ausserdem habe sie ihm Schmuckstücke, Edelsteine etc. im Gesamtwert von ca. 7 Mio. Franken - darunter eine Luxusuhr der Marke Chopard, Weissgold mit Diamanten, Serial Number "..."/Limited Number 0001 (im Folgenden: Uhr) - anvertraut, um sie gegen eine Provision für sie zu verkaufen. Diese Wertgegenstände habe er verabredungswidrig zum eigenen Nutzen verwendet oder verkauft und den Erlös für sich behalten. 
Im Zuge der aufgrund dieser Anzeige aufgenommenen Strafuntersuchung stellte die Polizei in einer Boutique in Genf die Uhr sicher. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl beschlagnahmte sie am 5. Dezember 2016 mit der Begründung, sie würde voraussichtlich als Beweismittel benötigt und sei allenfalls an die Geschädigte zurückzugeben. Darüber werde definitiv bei der Verfahrenserledigung entschieden. 
 
B.   
Am 21. Dezember 2016 ersuchte A.________ die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, ihm Einsicht in die im Zusammenhang mit der beschlagnahmten Uhr relevanten Akten zu gewähren. Er habe diese am 19. November 2016 an einer öffentlichen Versteigerung der öffentlichen Pfandleihkasse in Genf käuflich erworben, sie am 24. November 2016 einer Boutique zur Reparatur übergeben und dann am 19. Dezember 2016 erfahren, dass sie beschlagnahmt worden sei. 
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl stellte A.________ (bzw. dessen Rechtsvertreter) verschiedene einschlägige Aktenstücke zu und teilte ergänzend mit, dass sich aus den Akten der dringende Verdacht ergebe, dass C.________ die Uhr unrechtmässig weiterveräussert habe und sie daher einstweilen als Beweismittel beschlagnahmt sei. 
Am 29. Dezember 2016 erhob A.________ Beschwerde gegen die Beschlagnahmeverfügung vom 5. Dezember 2016 mit den Anträgen, sie aufzuheben, ihm die Uhr herauszugeben und ihm weitergehende Akteneinsicht zu gewähren. 
Am 3. Mai 2017 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde vom 9. Juni 2017 beantragt A.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl anzuweisen, ihm die beschlagnahmte Uhr herauszugeben oder eventuell die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland teilt mit, dass der fallführende Staatsanwalt das Verfahren neu für sie weiterführe. Die Oberstaatsanwaltschaft verzichtet auf Vernehmlassung. D.________ (vormals B.________) beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten oder sie eventuell abzuweisen. 
A.________ hält an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist der Entscheid des Obergerichts, mit welchem es die Beschwerde gegen die Beschlagnahme einer Uhr abwies. Es handelt sich um den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 BGG). Er schliesst das Strafverfahren nicht ab, ist mithin ein Zwischenentscheid. Als solcher ist er nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken könnte. Dies ist bei der Beschlagnahme der Fall, da der Beschwerdeführer an der freien Ausübung seiner Nutzungsrechte an der von ihm beanspruchten Uhr gehindert wird (BGE 128 I 129 E. 1; Urteile 1B_711/ 2012 vom 14. März 2013 E. 1.1 und 6B_218/2007 vom 23. August 2007 E. 2.4). Er rügt die Verletzung von Bundesrecht, was zulässig ist (Art. 95 BGG). Die nach Art. 98 BGG für vorsorgliche Massnahmen vorgeschriebene Beschränkung auf Verfassungsrügen ist auf strafprozessuale Zwangsmassnahmen und die Beschlagnahme von Vermögenswerten nicht anwendbar (BGE 140 IV 57 E. 2.2). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.   
Als Zwangsmassnahme im Sinn von Art. 196 StPO kann eine Beschlagnahme angeordnet werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, sie verhältnismässig ist und durch die Bedeutung der Straftat gerechtfertigt wird (Art. 197 Abs. 1 StPO). Eine Beschlagnahme ist u.a. im Hinblick auf die Verwendung als Beweismittel oder die Rückgabe an die Geschädigte zulässig (Art. 263 Abs. 1 lit. a und c StPO). Sie setzt voraus, dass ein begründeter, konkreter Tatverdacht besteht, die Verhältnismässigkeit gewahrt wird und die Verwendung als Beweismittel oder die Rückgabe an die Geschädigte nicht bereits aus materiellrechtlichen Gründen als offensichtlich unzulässig erscheint. Entsprechend ihrer Natur als provisorische (konservative) prozessuale Massnahme prüft das Bundesgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Beschlagnahme - anders als der für die (definitive) Einziehung zuständige Sachrichter - nicht alle Tat- und Rechtsfragen abschliessend; es hebt eine Beschlagnahme nur auf, wenn ihre Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind (BGE 139 IV 250 E. 2.1; 124 IV 313 E. 4 S. 316; vgl. auch BGE 128 I 129 E. 3.1.3 S. 133 f.; 126 I 97 E. 3d/aa S. 107; Urteile 1B_711/2012 vom 14. März 2013 E. 3.1; 1B_397/2012 vom 10. Oktober 2012 E. 5.1; 1B_252/2008 vom 16. April 2009 E. 4.3). 
 
3.   
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Strafantrag sei verspätet und damit ungültig, weshalb es dem Strafverfahren an einer Prozessvoraussetzung fehle. Die im Zuge dieses Verfahrens erfolgte Beschlagnahme als Beweismittel sei damit ohne Weiteres hinfällig. 
 
3.1. Der Beschwerdegegner 2 wird verdächtigt, die der Beschwerdegegnerin 1 gehörende Uhr veruntreut bzw. sie sich unrechtmässig angeeignet zu haben. Beide Straftatbestände sind, sofern sie wie hier zum Nachteil der Ehegattin erfolgten, nur auf Antrag strafbar (Art. 137 Ziff. 2 und Art. 138 Ziff. 1 Abs. 4 StGB). Die Antragsfrist beträgt drei Monate und beginnt mit dem Tag zu laufen, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird (Art. 31 StGB). Hat ein Täter im Sinne einer "Einheitstat" während eines bestimmten Zeitraums einen Tatbestand mehrfach erfüllt, so beginnt die Antragsfrist erst zu laufen, wenn die Geschädigte von der letzten Tat Kenntnis erhalten hat (BGE 126 IV 131 E. 2; 118 IV 325 E. 2b S. 328).  
 
3.2. Vorliegend hat die Beschwerdegegnerin 1 nach ihrer eigenen Darstellung dem Beschwerdegegner 2 in den Jahren 2012 - 2014 Wertgegenstände - darunter die Uhr - anvertraut mit der Abrede, sie zu verkaufen und ihr den Erlös auszuhändigen. Dieser behielt (nach dieser Darstellung) die Gegenstände indessen bzw. verwendete sie für sich und vertröstete seine Ehefrau, wenn sie sich nach dem Verbleib der Gegenstände bzw. des Verkaufserlöses erkundigte, immer wieder. Am 28. Oktober 2014 verlangte die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin 1 vom Beschwerdegegner 2 die Rückgabe der Wertgegenstände. Der damalige Rechtsvertreter des Beschwerdegegners 2 beantwortete dieses Schreiben am 13. November 2014 mit dem lapidaren Hinweis, er habe das Mandat niedergelegt. Mit diesem Schreiben sei für sie (die Beschwerdegegnerin 1) klar geworden, dass der Beschwerdegegner 2 die ihm anvertrauten Gegenstände nicht zurückgeben würde bzw. sie veruntreut habe. Innert der gesetzlichen Frist habe sie dann am 4. Februar 2015 Strafantrag gestellt.  
 
3.3. Das Obergericht hat dazu erwogen, es brauche eine gewisse Zeit, bis ein Ehegatte wahrhaben könne, dass ihn der Ehepartner in möglicherweise strafbarer Weise hintergangen habe. Daher erscheine die Darstellung der Beschwerdegegnerin 1 nachvollziehbar, dass sie, obwohl sie vom Beschwerdegegner 2 mit "zahllosen leeren Versprechen" hingehalten worden sei, erst mit dem Eintreffen des Antwortschreibens des gegnerischen Rechtsvertreters vom 13. November 2014 zur Gewissheit gelangt sei, dass er sie in strafrechtlich relevanter Weise geschädigt habe. Es sei jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, dass sie zunächst trotz der zahlreichen leeren Rückgabeversprechen lange darauf vertraute, dass es doch noch zu einer Rückgabe der Wertgegenstände (oder des Verkaufserlöses) kommen würde. Auch aus der Foto der Uhr mit dem Vermerk "The watch stolen before the wedding", welche die Beschwerdegegnerin 1 ins Recht gelegt habe, lasse sich nicht zwingend ableiten, dass sich der Beschwerdegegner 2 die Uhr vor der Hochzeit anfangs 2011 widerrechtlich angeeignet habe und die Beschwerdegegnerin 1 dies damals bereits wusste. Genausogut könne es sein, dass die Beschwerdegegnerin 1 als juristische Laiin den Vermerk später aufgrund der zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse in emotionaler Aufruhr angebracht habe.  
 
3.4. Die Einschätzung des Obergerichts, dass man unter Ehegatten in der Regel nicht leichthin davon ausgeht, vom Partner in strafrechtlich relevanter Weise hintergangen zu werden und daher Warnzeichen, die daraufhin hinweisen, für Aussenstehende unverständlich lange übersehen werden, erscheint ohne Weiteres vertretbar. Insofern ist auch der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin 1 vom Beschwerdegegner 2 am 20. Juni 2012 genötigt worden sein soll, ihm eine Million Franken und einen Diamanten im Wert von Fr. 400'000.-- zu übergeben, kein zwingendes Indiz dafür, dass sie sich ab diesem Datum bewusst gewesen sein musste, vom Gatten hintergangen zu werden. Sie überliess ihm denn auch nach diesem Datum noch mehrere Wertgegenstände treuhänderisch, wie sich aus den neun in der Strafanzeige aufgelisteten Verträgen ergibt. Und auch die Bedeutung des Vermerks "The watch stolen before the wedding" ist ohne nähere Erkenntnisse über die genauen Umstände seiner Entstehung unklar. Daraus kann jedenfalls nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, die Beschwerdegegnerin 1 sei bereits vor der Hochzeit davon ausgegangen, dass ihr zukünftiger Ehemann die Uhr gestohlen habe. Diesfalls hätte sie bewusst den Uhrendieb geheiratet, was jedenfalls nicht nahe liegt.  
Es steht beim jetzigen Stand des Verfahrens somit nicht fest, ob der Strafantrag verspätet war oder nicht. Dies wird im weiteren Verfahren vertieft abzuklären sein. Die Rüge des Beschwerdeführers, es stehe praktisch fest, dass der Strafantrag verspätet sei, eine Prozessvoraussetzung für das Strafverfahren fehle und damit die Beschlagnahme ohne Weiteres hinfällig sei, trifft nicht zu. 
 
4.  
Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerdeschrift, was einzig zulässig ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1; 133 II 39 E. 3.2), nicht, dass der Beschwerdegegner 2 dringend verdächtig ist, die Uhr unrechtmässig erworben und weitergegeben zu haben. Er macht jedoch geltend, die Beschlagnahme der Uhr sei unverhältnismässig, da er es sich nicht leisten könne, monate- oder gar jahrelang auf das investierte Geld zu verzichten; sein Hauptgeschäft bestehe in der Räumung von Wohnungen und dem Verkauf von Altwaren auf dem Flohmarkt; der in die Uhr investierte Betrag sei für seine Verhältnisse "sehr hoch" gewesen. Diese Ausführungen vermögen den Nachweis nicht zu erbringen, dass der Beschwerdeführer durch die Beschlagnahme in ernsthafte Schwierigkeiten kommt, zumal er es unterlässt, seine angeblich bescheidene finanzielle Situation wenigstens in groben Zügen zu beziffern und zu belegen. Da die Uhr als mutmassliches Deliktsgut offensichtlich ein Beweismittel darstellt, ist ihre Beschlagnahme jedenfalls zurzeit nicht zu beanstanden. 
Wie es sich damit verhält, wenn sich das Verfahren über Gebühr dahinziehen sollte und ob es zulässig ist, die Beschlagnahme neu zu begründen und z.B. als Restitutionsbeschlagnahme nach Art. 263 Abs. 1 lit. c StPO weiterzuführen, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. 
 
5.   
Die Beschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zudem der Beschwerdegegnerin 1 für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin 1 für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. August 2017 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi